Keirnlrche Liebe
Roman von Helene Voigt.
v) (Nachdruck verboten.)
Vor dem Senatorenhause trennte man sich, Lothar brachte Gertrud nach Hause und Bieberstein ging der Stadt zu; in dem hell erleuchteten Hausflur stand Nora still, blickte schüchtern zu ihrem Gatten auf und fragte: »Bist Du mir böse, Albrecht?"
„Böse!" antwortete er voll Bitterkeit, „oh nein, Kind, das könnte ich niemals; Du thust mir nur so unsäglich leid, daß man Dich damals aus dem Jugendtraum aufrüttelte, um Dich neben mich an den Altar zu stellen; Aber, Nora, Du bist eS nicht allein, die kämpfen muß — auch ich habe furchtbar zu ringen — mit meinem eigenen heißen Herzen I"
Er war verschwunden, sprachlos starrte ihm die junge Frau nach, die Hand auf das Herz gepreßt, welches jubeln wollte zu gleicher Zeit. Also er liebte siel Was hätte er sonst gemeint mit dem heißen Herzen und dem schweren Kampfe? Aber er glaubte, daß sie für Bieberstein eine Neigung besäße, welche sie bezwingen wollte, wie thöricht! Und dabei floh sie den ehemaligen Verehrer, hielt ihn fern voll hochmütiger Kälte und Schroffheit; sollte auch hier die Mutter die Hand im Spiele haben?
Nachdenklich betrat sie ihr Boudoir, aber was war das? dort auf dem Toilettentisch lag ein köstliches Bouquet aus Kamelien und Maiglöckchen zusammengestellt; hastig griff Nora danach, sie sog den berauschenden Dust ein und ihr Herz pochte ungestüm bei dem heimlichen Gedanken:
„ES ist von Albrecht!"
Dann rief sie der Jnngfer herein und frug, auf die Blumen deutend: „Rosa, ist das Bouquet — vom Herrn Senator?"
Sie wagte das Mädchen dabei kaum an- zusehen, dunkle Röte färbte ihr Antlitz und die Stimme bebte — sollte ihr Gatte wirklich der Geber dieser holden Blumenkinder sein?
„Ach nein, gnädige Frau," entgegnete jedoch Rosa schlau lächelnd, „vom Herrn Senator kommen die Blüten nicht; ein Militärbursche brachte sie und behauptete, Frau van der Huylen habe sie selbst bestellt. So legte ich sie auf die Toilette —"
„In der That, empörend," rief Nora mit blitzenden Augen, „wer hat die Dreistigkeit gehabt, mir ein Bouquet zu senden. Rosa, nimm eS sogleich mit Dir und wage nie mehr, Blumen anzunehmen ohne mich oder — den Herrn Senator vorher zu fragen."
Das Mädchen ging kopfschüttelnd und legte das Sträußchen in eine Schale mit Master.
„Hm sonderbar," murmelte sie, „die gnädige Frau ist so böse über die Blumen, ich würde mich an ihrer Stelle freuen und meinen Mann eifersüchtig zu machen suchen. Nun, ich will das Bouquet behalten, eS ist so wunderhübsch."
In Thränen gebadet lag Nora während dessen auf den Kntcen im Boudoir. Sie ahnte, von wem die Blumen kamen und die freche Aufdringlichkeit jenes ManneS empörte und ängstigte sie. Ach, eö hätte nur einer einzigen offenen Bitte an Albrecht bedurft, die ganze Angelegenheit belzulegcn,
aber die junge Frau konnte das Wort nicht aussprechen, so lange sie sah, daß er an ihr zweifelte.
Hätte er nur hinein sehen können in daS Herz seines Weibes und ihre Liebe dabei erkannt, gewiß hätte er sie in die Arme ge. nommen und nie mehr allein gelassen. Und nun kam auch Frau von Trahlow wieder, „um das Fest mit ihren Kindern zu ver. leben" wie sie gefühlvoll schrieb; ach, Nora sah mit trauriger Deutlichkeit, daß alles wieder so werden würde, wie damals im Sommer.
„Albrecht," flüstert« sie leise vor sich hin, „ach wenn Du mich liebtest wie ich Dich —"
Und drüben in seinem ArbeitSgemach schritt der ernste Kaufmann auf uud nieder, mit finsterer Miene und zusammengepreßten Lippen; immer von neuem sah er auf der dunklen Straße die schlanke Gestalt Noras, zu der sich Bieberstein vertraulich neigte I Hatte nicht Frau von Trahlow ihm im Sommer oftmals erzählt und angedeutct, daß die beiden sich liebten? Hatte Nora nicht eben bet seinen Worten das süße Gesichtchen wie schuldbewußt gesenkt?
Armer van der Huylen l Wie schwer lastete dieser dumpfe Verdacht auf seiner Seele! Weshalb ging er nicht hinüber zu seiner Frau und frug sie Hand in Hand, Aug in Aug: „Liebst Du mich?"
Welche berauschende Antwort hätten ihm die sanften Rehaugen gegeben, wie wären die dunklen Zweifel geflohen, aber nein! Er preßte die Hand an die glühende Stirn, dann setzte er sich zum Schreibtisch und ergriff die Papiere, welche für ihn zurrchtlagen; morgen, Montag früh, sollten sie alle zur Post besorgt werden.
Währenddem hatte Lothar Gertrud Winkler nach Hause geleitet; immer langsamer waren sic gegangen, immer weniger sprachen sie, denn sie sahen unverwandt nach dem flimmernden Sternenhimmel dort und ihre Hände schlossen sich innig ineinander.
„Gertrud," frug endlich der junge Mann feierlich, „wollen Sie jetzt hier unter Gottes freiem Himmel meine Frage von vorhin beantworten? Außer dem Allmächtigen hört uns niemand. Lieben Sie mich so treu, so innig und aufrichtig, wie ich Sie?"
„Ja," flüsterte sie ganz leise, ganz deutlich, „ich liebe Sie — und nur mit dem Tode könnte dieses Gefühl in mir erlöschen!"
„Ich danke Ihnen, teure Gertrud," antwortete Lothar, ihre Hand an sein klopfendes Herz pressend, „ich ahnte es schon längst, denn diese lieben, schwarzen Augen können nicht täuschen. O, nun will ich doppelt freudig ringen, uns ein Hum zu schaffen, damit ich endlich offen vor Ihren Vater treten und die Hand seines Lieblings von ihm fordern kann."
„Und Ihr« Mutter, Herr von Trahlow," stammelte Gertrud, „sie wird nichts von mir wissen wollen."
„Ich bin mündig, Liebling, sie wird mein Glück nichl hindern dürfen, denn wir kommen vielleicht weit fort."
„Ich fürchte mich vor Frau von Trahlow —"
„Aber Sie werden das Gefühl aus Liebe zu mir überwinden I Und nun wüsten wir scheiden, aber vorher Gertrud, nennen Sie meinen Namen zum ersten Male, denn bisher habe ich nur das feierliche: „Herr Assessor" oder „Herr von Trahlow" ver
nommen. Sagen Sie eS, und machen Sie mich noch glücklicher, Liebling."
Sie preßte beide Hände vvrS Gesicht und schüttelte leise den Kopf, aber der junge Mann legte den Arm um ihre Schultern und bat nochmals: „Gertrud! Können Sie meine erste Bitte abschlagen?"
„Lothar," kam eS da zitternd von den roten Lippen, „behalten Sie mich immer lieb
— wie ich eS thue I"
Da plötzlich fühlte sich Gertrud umfangen , der Astestor preßte einen innigen, fast ehrfurchtsvollen Kuß auf ihre Stirn und flüsterte ihr zu: „Gott behüte Dich, meine geliebte, einzige Braut," dann war er verschwunden in dem nächtlichen Dunkel und das Mädchen stand wie betäubt. Endlich ermannte sie sich; noch einen Blick zum stern- brsäeten Himmel auf, dann flog sie inö HauS
— das Glück war in ihr Herz eingekehrt, voll und ganz, trotz Schnee und Winterkälte.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
Berlin, 18. Sept. Ein hübsches Ge- schichtchen ereignete sich vor kurzem» wie dem „Berl. Börsencourier" aus postalischen Kreisen gemeldet wird, in dem Berliner Vorort St. Eine Dame von Suhl in Thüringen, die von „PostauftrSgen" gehört, jedoch das eigentliche Wesen dieser zweckmäßigen modernen Einrichtung offenbar nicht erfaßt hatte, sandte an die Postanstalt zu St. unter der Bezeichnung „Postauftrag" einen Brief. Dieser enthielt eine» Fünfmarkschein und den Auftrag, sür dieses Geld ein recht hübsches Bouquet zu kaufen und cs „an die Frau Schwiegermutter in sxv Frau Rentiöre R. daselbst," deren Geburtstag am soundsovielten sei, abzuliefern. Diesem ebenso naiven wie erheiternden Auftrag gegenüber wollte die Postbehörde nichl den starren Bureaukratenstand- punkt geltend machen. Es wurde zu einem Gärtner gesandt, ein stattliches Bouquet eingekauft und dem Geburtstagskinde rechtzeitig »verbracht. Nachdem dies geschehen war, wurde die Briesschreiberin davon benachrichtigt, daß die Angelegenheit pünktlich erledigt worden sei, gleichzeitig aber hinzugesägt, daß man unter „Postauflrag" denn doch etwas wesentlich anderes verstehe als die Schreiberin gedacht habe, und daß die Post nicht verpflichtet sei, derartige „Aufträge" ouSzuführen.
— (Die reichste Stadt in Deutschland) ist nach der Besttzelnschätzung vom Jahr 1898 nicht Berlin, die Hauptstadt des Reiches, sondern Frankfurt a. M. Dann folgen Essen und Charlottenburg und als vierte Stadt Berlin. Hieran schließen sich als die reichsten Städte Wiesbaden, Aachen und Bonn.
.. (Junger Ehemann) (dem Geistlichen nach der gefühlvollen Traurede bewegt die Hand drückend): „Herr Pastor ich danke Ihnen auch sehr für die trostreichen Worte!"
.'. (Boshaft.) Gastwirt: „Ist mein Wein nicht ein Genuß?" Gast: „Ja, sogar ein Kunstgenuß."
.'. (Umschrieben.) Kritiker: „Als Ihr Stück neulich im Stadtlheater gegeben wnrde, war bas Haus ja halb leer! Autor: „Aber ich bitl' Sie, es war doch zum mindesten halb voll."
.. (Aus dem Examen.) Professor: „Was wissen Eie von den französischen Königen ?" — Kandidat: „Nur die Namen, und die sind mir augenblicklich entfallen."
Siedakt ton, Druck und Verlag von Beruh. Hofmann in Wildbad.