Heimliche Liebe
Roman von Helene Voigt.
1) (Nachdruck verboten.)
Schräge volle Sonnenstrahlen fielen hinein in das hohe, düstre Kontor, dessen holz- grtäfelte Wände und eichene Möbel so manche Generation des ehrwürdigen, alten Geschlechtes der van der Huylen gesehen hatten. Der ernste, stattliche Mann mit dem feinen, scharf geschnittenen Gesichte und dem dunkelblonden Vollbarte dort am Schreibtisch trug auch denselben Namen und die von Vätern ererbte Würde deS Senators seiner freien Vaterstadt Bremen. Unermüdlich glitt seine Feder über daS Papier, die große Wanduhr drüben tickte regelmäßig, sonst blieb eS mäuschenstill und nur von der Straße herüber vernahm man gedämpfte Laute.
Nach einer geraumen Weile pochte eS leise an der Thür und auf ein „Herein* des Kaufherrn trat ein ältlicher Mann mit ergrautem Haar ins Zimmer, bescheiden die Aufforderung zum Sprechen erwartend.
„Nun, lieber Winkler," frug der Chef freundlich, während er zugleich die Feder weglegte, „was giebt eS? Was bringen Sie für mich?"
„Herr Senator, die „Amazone" ist in den Hafen eingelaufen, ich bringe die Briefe und Abrechnungen derselben —"
^Ah, sehr schön! Wir müssen sie gleich durchsehen, besonders wegen der Bestellung von AieiS, hier habe ich übrigens die Wochenrechnung zusammengestkllt und durchgesehen. Eie haben sich zu Gunsten der Firma um eine große Kleinigkeit geirrt, bester Winkler." Der ^Senator sah seinen Buchhalter an und dieser nickte eifrig, dann erwiderte er düster: «3°, ja, so gehl'S, wenn solch alter Kopf sich mit Sorgen und Unannehmlichleiten herum- plagt, da leidet eben das Geschäft darunter. Ich bitte um Vergebung, Herr Senator!"
„Was quält Sie denn, bester Winkler, sprechen Sie doch mit mir darüber, eS wird Me erleichtern und Sie wissen, ich nehme smmcr Anteil an Ihnen."
„Weiß wohl, Herr van der Huylen, Hab' auch schon überlegt, ob's nicht besser wäre, Hlhren Rat und Ihre Hilfe nachzusuchcn, aber diesmal betrifft eS eine Sache, die — Sie wohl ganz anders beurteilen als ich."
„Weshalb sprechen Sie so geheimnisvoll, alter Freund, immer gerade heraus mit der Sprache, dann muß man auch einen Weg Heraus aus dem Labyrinth finden."
„Nun denn, Herr Senator, es betrifft — meine Gertrud und den — Assessor."
„Meinen Schwager Trahlow?"
„Ja, er bevorzugt meine Gertrud auffallend und ich fürchte, auch sie denkt bereits mehr an ihn, als ihrer Ruhe gut ist."
„Hm, aber wenn beide glüchlich werden könnten?"
„Herr van der Huylen, das können Sie doch unmöglich denken! Wird ein adliger, hübscher, junger Mann, der überall anklopfen kann, die Tochter eines schlichten Buchhalters heiraten?„ Gewiß nicht und zum Spielen ist mir mein Kind zu lieb."
„Lassen Sie eS gut sein, lieber Winkler, ich werde mit meinem Schwager Trahlow reden, jedoch so, als käme es von mir."
„Heute kommt die gnädige Frau von Trahlow?"
„Meine Schwiegermutter. Ach ja, doch
ich muß meiner Frau sogen, daß ich unmöglich sie zur Bahn begleiten kann, unsre Korrespondenz soll unverzüglich erledigt werden. Sie bleiben wohl hier, ich bin gleich zurück."
Gedankenvoll schritt der stattliche Senator die Treppe hinauf zu den Wohnräumen, um seine Gemahlin aufzusuchen, er mochte etwa mitte der dreißiger stehen und war eine auffallend vornehme Erscheinung, an der nichts den kühlen Geschäftsmann verriet, nur der Ausdruck deS Gesichts hätte einem Psychologen zu denken gegeben, eS lag eine Frage darin an das Schicksal — die Frage nach Glück.
Albrecht van der Huylen hatte vor kaum einem Jahre die schöne, vielgefeierte Nora von Trahlow heimgrführt, sie brachte ihm nur sich selbst, denn die Familie war ohne Vermögen und der Wunsch beider Väter hatte das Bündnis schon vor Jahren beschlossen, sodaß Albrecht und Nora eS für eine Pietätlosigkeit angesehen hätten, diesem Wunsche entgegen zu handeln.
Für Frau von Trahlow's stark auSge» prägtem Hochmut, obwohl sie selbst einst nicht von Adel gewesen, er schien es allerdings als eine Erniedrigung, daß die schöne vielgefelerle» Tochter den Kaufmann aus dem alten Senatorengeschlechte heiraten sollte, dessen holländische Abkunft ihn noch lange nicht dem deutschen Adel gleichstellte. Daß seine Millionen aber Nora eine gesicherte Zukunft gaben, gegenüber dem mühsamen, stets auf Wahrung äußeren Glanzes gerichteten Scheinleben, welches beide Frauen bisher geführt, daß Albrecht seiner Gattin voll warmer Empfindung entgegenkam, beobachtete die Dame nicht. Sie konnte eben nicht vergessen, daß ein eleganter Offizier sich um Nora beworben, aber als er erkannt, daß dieselbe kein Vermögen besitze, achselzuckend sich wieder zurückgezogen, immer wieder dachte sie voll Bitterkeit an jene Zeit und war sogar taktlos genug, auch ihrer Tochter gegenüber nicht davon zu schweigen
Nora, in dem Vorurteile der herzlosen Mutter befangen, sah in AlbrcchlS warmem Entgegenkommen nur die Befriedigung seines Innern über ihren Besitz, denn man hatte ihr gesagt, ihr altadliger Name und ihre Schönheit imponierten dem eitlen Kaufmanne. So trat sie ihm scheu, befangen entgegen und van der Huylen resignierte seufzend, er hoffte, die Zeit werde ihre Liebe wecken.
So lebten sie nebeneinander dahin und das Eis begann langsam zu schmelzen; Noras Auge leuchtete höher, wenn ihr Gatte eintrat oder sie seine Schritte vernahm, auch seine Stimme klang inniger, sein Händedruck wurde wärmer und oftmals trat er in das trauliche Boudoir der jungen Fran mit einer vielleicht gleichgültigen Frage, welche dann aber sehr einigehend und lange rrörtet wurde. Heute nun sollte Frau von Trahlow an. kommen und es legte sich wie eine Eiskruste um des Senators Herz; er sah voraus, daß diese kalte, eitle Frau ihm Nora wieder entfremden und die langsam gewonnene Sympathie wieder rauben werde. Bor der Thüre blieb Albrecht lauschend stehen, eine weiche volle Altstimme schlug an sein Ohr und mächtig begann cs in der Seele des stattlichen Mannes zu arbeiten, sein Auge ward feucht, langsam öffnete er die Thür und trat auf die Schwelle.
Dort am Klavier saß dir junge Frau, van der Huylen konnte ihr zartes Profil erkennen, das von kastanienbraunem, lockigem Haar umgeben war. Das Ebenmaß der schlanken Gestalt ließ sich auch beim Sitzen erraten, und als sie jetzt mit einem schrillen disharmonischen Tone ihr Spiel abbrach und aufsprang, schimmerte in den dunklen Augen eben jenes holde, mädchenhafte Empfinden, welches den kühlen Geschäftsmann so glücklich machte.
„Albrecht, Du hier," frug sie verwirrt, ich hörte Dich gar nicht kommen."
„Und ich freute mich darüber, so konnte ich den letzten Teil dcö melancholischen Dreigespannes mit anhören, welches ich so sehr liebe. Nora, weshalb singst Du nie in meiner Gegenwart?"
„Ich — ich wußte nicht, daß Du eS gerne hörst."
Er seufzte leise, seine Hand glitt über die Augen, dann sagte er gepreßt: „Deine Mutter kommt heute ?"
„Ja," nickte sie langsam, ich werde sie abholen, Lothar wollte gleichfalls an die Bahn kommen."
„Ich kann Dich leider nicht begleiten, Kind, hast Du den Wagen befielst?"
„Noch nicht — ich glaubte — Du kämst mit, Albrecht?"
„Deine Mutter würde e« pfir §aum Dank wissen," erwiederte er frostig, „ich weiß es genau, daß ihr mein bürgerlicher Stand ein Dorn im Auge ist."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— In Davos hatte ein Schwabenmädchen arges Pech. Es hatte sich abends in aller Heimlichkeit fortgemacht, um mit ihrem Schatz zu kosen. Nachts wollte eS durch das vorsorglich offen gelassene Gangfenster schlüpfen wobei ihm der Geliebte half. Die Maid ergriff unglücklicherweise in der Dunkelheit den Draht der nahen elektrischen Leitung, der sic nicht mehr löslich. Hierauf Hilfegeschrei, Nachtlärm, am andern Tag Abschied. Der Liebhaber hatte sich im Nachtduokel davongemacht, als das Mädchen um Hilfe schrie. Die „Davoser Zntung" widmet dem Fall nachstehenden Vers;
„Und die Moral von der Geschlitzt'?
O Jungfrau greife niemals nicht Nach dem geladenen Kupfcrdraht,
Kaum rührst du dran, so ist'S zu spat."
.'. (Karl): «Sag' mal Freund, hast Du eigentlich Deiner Frau schon einmal Schmucksachen geschenkt?" Freund Franz: „Leider einmal, und ich bereue eS zeitlebens." Karl: «In ber Thal, was war eS denu?" Franz (seufzend): „Ein Trauring."
.'. (Vergebens.) — Mutter (nach einer Schlittenpartie, während welcher „sie" sich finden sollten, zu ihrer Tochter) : „Nun, hat er angehalten?" . . — Tochter: „Ja, fünf Mal, und alle Mal hat er einen Punsch getrunken." . . .
(Kurz und bündig.) Der Studiosus Setdler hat nach Hause um Geld geschrieben. Als solches in einigen Tagen nicht eintrifft, telegraphiert er an seine Eltern: „Wo bleibt denn mein Geld?" Erwartungsvoll bleibt er zu Hause. Endlich kommt am Abend der Telegraphenbole, der ihm die Antwort bringt. „Hier!"
Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildhad.