Schwer erkämpft.

Roman von H. von Ziegler.

22) (Nachdruck verboten.)

Herr des Himmels," schrie chie Ober- magd, ,so müssen wir hinab und sie holen! Eie ist sicherlich noch nicht tot, und braucht rasche Hilfe!"

Atemlos lauschten die Zurückbleibenden, sie meinten nicht anders, als den Aloys mit einer Leiche kommen zu sehen. Doch nein l Bon unten herauf klang ein Iubclruf, ein Tuch flatterte in den Lüften:Sie lebt! Wir bringen die Frau, juchhe!" Bleich, mit Blut übcrströmt lag die Verunglückte auf dem Rasen, bis man eine Trag­bahre herbrischaffte. Aloys Stolzner stand neben ihr, Anne's Hand ruhte In der Seinen und mühsam flüsterte sie:Armer, guter Aloys! Nun beginnt unser Leben von neuem das alte liegt begraben i» dunkler Nacht!"

Zwei Jahre sind vorüber und wieder feiert man in Sintorf daS Fest der Sonnen­wende. Durch die Häuser des Dorfes schreitet Gräfin Eva, sinnend den Wölkchen nach­blickend, die am blauen Himmel dahinziehen, die junge Frau steht heiter aus und nur tief drinnen in den Augen liegt eine leise, leise Schwermut.

Still und einförmig wahren die Jahre ihres Wilwenstandes verflossen, friedlich gegen jene Stunden der Angst an der Seite ihres Mannes. Aber seit dem Augenblick, da sie entsetzt und starr an seiner Leiche gestanden, war Groll und Furcht aus ihrer Seele ge­wichen, und sie bedauerte den Toten als einen von schwerer Krankheit Heimgesuchten.

Erst als sie am Tage nach dem Begräb­nis einen Brief von Männerhand geschrieben, erhielt, kamen die bitteren Thränen. Er war von Schönau und enthielt nur wenige Zeilen:

Schon heute reise ich ab, um meine Vorbereitungen zur egyptischen Reise zu treffen. Lasten Sie mich Ihnen brieflich Lebewohl sagen, gnädige Gräfin, mündlich künn ich eS nicht! Ob ich wiederkehre, weiß Gott allein, er mag es Ihnen ver­gelten , wenn Sie sich mitunter meines GrvßmütterchenS gütig annehmen wollen. Wenn Sie Abends allein am Fenster stehen, so gedenken Sie dessen, den Ihr Äfft» hinausbegleitet in die ferne Fremde. Mtt segne Sie, Eva! Friedrich."

Ln all das mußte die blonde Frau denken als sie dahin schritt. Er hatte ihr nie ge­strichen und nur in den Zeitungen fand sie seinen Namen ehrenvoll erwähnt; auch Frau Ahne nannte niemals seinen Namen, doch au-?ihrer heiteren Ruhe schloß sie, daß die alte Dame gute Nachricht haben müsse. Ob er wohl bald heimkehrte?

Die Gräfin seufzte leicht, dann trat sie in den Rothof, das Ziel ihrer Wanderung; LlyyS Stolzner trat ihr entgegen und lüftete freudestrahlend die Mütze, als sie ihm die Hand bot.

Wie geht eS, Stolzner? Ist Euer Kleiner munter?"

'Jawohl, Frau Gräfin, hört Ihr, wie er lustig kräht?"

DaS freut mich. Ich komme, mein Pathchen besuchen."

Lächelnd schritt die Gräfin ins Haus und fand Frau Anne im Kinderztmmer bei ihrem einjährigen Söhnchen und mit ihm tändelnd.

Wer sie früher gekannt, hätte es nicht für möglich gehalten, daß die finstre, herrische Frau so glückselig die kleinen rosigen Fäustchen küssen könne.

Schon eine geraume Weile stand sie auf der Schwelle, das liebliche Bild betrachtend, ehe die Bäuerin sie bemerkte und freundlich grüßend aufsprang.

Ich wollte nur sehen, was ihr macht," lächelte Eva,denn ich sah mein kleines Hänschen nun schon mehrere Tage nicht."

Der Kleine lachte fröhlich und schlang seine dicken Aermchen um die schöne Frau, welche ihn in den Armen hoch hielt.

Aber Hänschen," wehrte seine Mutter verlegen,Du mußt die gnädige Gräfin nicht quälen."

Laßt ihn nur, Frau Anne," lachte Eva heiter wie ein Kind,er weiß, daß ich ihm stets etwas mitbringe. Hier, mein Schatz, hast Du etwas Süßes."

Als sie später wieder gehen wollte, meinte die BLurin ernst:Heute werden wieder die Johannisfeuer brennen. Wie doch die Zeit vergeht! Es sind nun bald zwei Jahre, daß ich im Abgrunde lag und nimmer möLt' ich die Stunde nocheinmal erleben, obschon sie mich bester gemacht hat. Ich ward inne während all der Zeit, die ich auf Hilfe wartete, daß meine Liebe und mein Haß gleich sündig gewesen sind, und als sie mich endlich dann wieder hervorgezogen, da halt' ich unsren Hergott um seine gnädige Hilfe gebeten und bin dem immerdar ein getreues Weib gewesen und will eS bis zum Tode bleiben."

Arme Anne," sagte die Gräfin warm und herzlich,wer müßte nicht heiß kämpfen, ehe er Frieden findet. Um Euer Hänschen könnt ich Euch beneiden, aber nun lebt wohl, ich mnß ii?s Schloß, sonst muß Großpapa mit dem Essen warten. Nachmittags will Frau Ahne uns besuchen."

Nun, und wann wird denn der Herr Professor hctmkommen?" srug Frau Anne lächelnd, und die junge Witwe wurde sehr rot bei der Frage.

Ich weiß eS nicht, aber nun Adieu. Auf Wiedersehen."

Sinnend schaute Frau Stolzner der schlanken Gestalt nach, die so graziös und doch voll frauenhafter Würde dahin schritt.

Wie lieb habe ich doch jetzt unsre Frau Gräfin," murmelte sie sinnend,und ehedem haßte ich sie so bitter. Es war wohl eine gar schlimme Zeit, und fast wär' ich unter- gegangen in der Sünd'. Aber nun wird auf dem Schlosse bald viel Freude sein, weil der Herr Professor wiedcrkommt, Frau Ahne hat cs oiir ja erzählt."

Am Nachmittag saßen auf dem Balkon von Schloß Sintorf drei liebe Bekannte von uns, General von Waldheim, Frau Ahne und Eva. Seit elfterer den Abschied ge­nommen, bewirtschaftete er mit einem In­spektor daS Gut, welches bis zu EvaS Tode oder Wiederverheiratung ihr Wilwensttz blieb, die junge Frau lebte erst jetzt neu auf, denn ringsum herrschte Friede und Heiterkeit, und eine inn're Stimme flüsterte ihr täglich zu: Er kommt, er kommt, es muß doch Früh­ling werden!"

Eva", bat nach dem Kaffee Frau Ahne, singe mir ein Lied, ich hörte Dich solange nicht singen."

Gewiß, Großmütterchen, sehr gern."

Sie ging Henri« zum Flügel und ließ die Thür offen, »ie beiden alten Leute blieben ganz allein.

ES sind gerade in diesen Tagen zwei Jahren, daß das Unglück geschah, meinte Waldheim sinnend.

Ja," nickte die Greisin,und ich hätte nie geglaubt, daß ich noch so lange leben würde, aber nun wird's bald Zeit ich fühle eS"

Dummes Zeug, Frau Ahne," polterte der alte Herr,Ihr Enkel mein lieber präch­tiger Schönau, kommt ja nun bald wieder, wie er mir neulich schrieb, und da wollen Sie zum Rückzug blasen?" Drinnen im Mustksalon schlug Eva znm erstenmal« seit jenen schrecklichen Zeiten die Akkorde jenes Liedes an:

Es ist im Leben häßlich eingerichtet,

Daß bei den Rosen gleich die Dornen stehn."

Einen Augenblick hielt sie inne, von Weh- mut erfüllt, wo waren jene schönen, ernsten Augen, die sie damals so innig angeblickt? Nochmals begann die Gräfin die einleitenden Akkorde, sie wollte sich sammeln, ihre trübe Stimmung bekämpfen. Draußen rollte ein Wagen vor, doch sie merkte eS nicht, sie sang mit pochendem Herzen daS Lied, und eS war ihr, als läge ein Geständnis ihrer Liebe in den Tönen, dis durchs Zimmer wogten.

Heute war wiederum JohanneSabend, aber kein Gewitter zog herauf, klar und sonnenbeschienen blickten die Bergriesen her­nieder, Friede und Frohsinn herrschte überall.

Traumverloren sang sie weiter:

Doch wend' eS sich zum Guten oderBösen, Geliebter Mann, voll Sehnsucht denk ich Dein."

Sie hatte nicht vernommen» daß schon vor geraumer Weile Jemand tn'S Zimmer getreten war, jetzt drang ein Wort an ihr Ohr und sekundenlang setzte ihr Herz­schlag aus:Eva!" Nein, sie täuschte sich nicht! Noch einmal leidenschaftlicher er­klang es:Eva!"

Da sprang sie auf und stand ihm ge­genüber, den sie noch in weiter Ferne ge­glaubt, und der ihr nun voll wortloser Selig­keit die Arme entgegcvbreitete.

Friedrich", rief sie, und all die Liebe, welche so lange tief drinnen in der Brust verborgen gewesen, zitterte in diesem Namen, still und heilig, aber unendlich glückselig waren diese Minuten, in denen beider Bund fürs Leben geschlossen wurde.

Die letzten Nebelschleiher der Sonnen­wende zerrissen, rosig leuchtend tauchte das Glück vor ihnen auf, um nie wieder von ihnen zu weichen.

Unter lautem Jubel des alten Generals und milden GlückSthränen der Frau Ahne ward noch heute am Johannisabend Verlob­ung gefeiert und die Hellen Johannisfeucr winkten von fern und nah ihre Glückwünsche dem schönen Paare zu, welches aneinander geschmiegt auf dem Balkon stand durch Kampf zum Glück.

Ende.

Merks.

Vielen teile deine Freuden, Allen Munterkeit und Scherz, Wenig Edlen deine Leidem Auserwählten nur dein Herz.

Nedakiton. Druck und Verlag von Beruh. Hofmauutu Wildbad.