Die Unruhe« in China.

Berlin, 20. Aug. Heute früh 7 Uhc 30. Min. trat Feldmarschall Graf Waldcr- see, der Oberkommandierende in Ostasien, mit seinem Stabe vom Anhalter Bahnhofe aus die Reise nach Ostasten an. Zur Ver­abschiedung fanden sich auf dem Bahnhofe ein die gesamte hier anwesende Generalität, zahlreiche Vertreter der Staatsbehörden, eine große Anzahl Offiziere, sowie Angehörige der Mitglieder deS Stabes des Feldmarschalls. Der Feldmarschall, der schon lang« vor Ab­gang des Zuges sich eingefunden hatte, nahm von allen ihm nahen Bekannten herzlichen Abschied. Er wurde von dem auf dem nicht abgesperrten Teile des Bahnsteige« harrenden, überaus zahlreichen Publikum mit stürmischen HurrahS begrüßt. Der Feldmarschall dankte für die Kundgebungen in freundlichster Weife Die Kapelle des I. Garde-Feldartillerie-Re- giments spielte patriotische Weisen- Die Gräfin Waldersee erhielt zahlreiche pracht­volle Blumen-Arrangements als Abschieds- grüße. Als die Z'it der Abfahrt heran» nahte, k hrte Gros Waldersee, der bis dahin sich inmitten der Abschicdnehmenden in un« gezwungendster Weise bewegt hatte, auf die zum Salonwagen führende Treppe zurück. Hierauf bracht der KrirgSminister v. Goßler auf den Feldmarschall ein dreifaches Hurrah aus, ihm allerbesten Erfolg in China und frohe und gesunde Wiederkehr wünschend. Der Feldmarschall dankte für das Hurrah, das begeistert ausgenommen wurde, in hu­morvoller Weise. Bald darauf fetzte sich der Zug langsam in Bewegung unter brausen­den Hurrahrufen aller Anwesenden und unter den Klängen des AbschiedsliedesMuß i denn, muß i denn zum Städtele naus."

Schanghai, 21. Aug. General Aunglu ist von dem Prinzen Tsching gefangen ge­fetzt worden. Der Kaiser und die Kaiserin Witwe halten sich, wie das Reutersche Bu« reau meldet, 6 Meilen westlich von Peking auf und werden von dem Prinzen Tuan be­wacht. Li-Hung-Tschang begiebt sich alsbald nach dem Norden.

Newyork, 21. Aug.Ncwyork Herald" meldet aus Peking vom 17.: Die russischen Truppen rückten vor und besetzten die erste Thüre des östlichen ThoreS am 14. ds. morgens, doch gelang es ihnen nicht, die zweite Thüre zu nehmen. Am 14 dS., 2 Uhr nachmittags, drangen die britischen und amerikanischen Truppen durch das Thor ein, welches sich in der Nähe der britischen Ge­sandtschaften befindet und trafen dort nur auf schwachen Wiederstand. Die Japaner stieß'n auf ernsteren Widerstand am oberen östlichen Thor. Dort verteidigten sich die Chinesen den ganzen Tag. Um Mitternacht sprengten die Japaner das Thor in die Luft und rückten in die Stadt ein. Viele Chinesen wurden gelötet. Der Gesandte Conger teilt mit, daß die Chinesen am Tage vor dem Einzug der Verbündeten in Peking versuchten, die Gesandten und die anderen Ausländer zu vernichten. Prinz Tsching hatte zwar sein Wort gegeben, daß er seinen Offizieren den Befehl erteilt habe, das Feuer gegen uns einzustellen und zwar mit der Todesstrafe, doch wären die Gesandten wahrscheinlich ums Leben gekommen, wenn die Entsatztruppen nicht eingetroffen wären. Wie Conger weiter mitteilt, ging die ganze gegen die Fremden gerichtete Bewegung von der chinesischen Re­

gierung aus, und die Boxer benutzte sie als Vorwand. Diese hatten nicht einmal Kanonen.

Washington, 22. Aug. Die Regierung be­schloß, das Gesuch Li-Hung-Tschangs, Conger oder irgend einem anderen amerikanischen Beamten die Vollmacht zu erteilen, die Frie- denSverhandlungen cinzuleiten und die end­gültigen Bedingungen zur Regelung der jetzigen Wirren festzustellen, abzulehnen. Die Ablehnung erfolgte mit der Begründung, daß China nicht die Bedingungen der früheren Erklärung der Vereinigten Staaten erfüllt habe.

London, 22. Aug. Admiral Bruce tele­graphiert aus Taku vom 19. d. Mts.: Es verlautet, daß die Truppen der Verbündeten am 17. dS. Mts. in die heilige Stadl Pe­king eingedrungen sind.

London, 22. Aug.Daily Mail" mel­det aus Schanghai vom 21.: Nach blutigem Kampfe rückten die Verbündeten in die heilige Stadt von Peking ein, nachdem mit Dynamit eine Bresche in die Mauern gelegt war. 4000 eingeborene Christen unterstützten die Ver­bündeten offen. Die Fahnen der Verbündeten wehen jetzt über dem kaiserlichen Palast. Die Kämpfe in den Straßen, wo die Chinesen noch hartnäckigen Wieterstand leisten, dauern noch fort.

Rom, 22. Aug. DieAgenzia Stefani* meldet aus Taku vom 20. dS.: Nach De- pefchen aus japanischer Quelle vom 17. ist der Kampf in Peking beendet. Die Japaner zogen in den kaiserlichen Palast ein. Die fremden Gesandten und die Detachements der Verbündeten befinden sich in der kaiserlichen Stadt. Die chinesischen Prinzen und Mi­nister zogen sich nach Siangfu, westlich von Peking, zurück.

Tokio, 22. Aug. Weil in Peking große Wirren herrschen, wurde die Stadt in ver­schiedene Sektionen eingeteilt. Die eine Hälfte der Tatarenstadt auf der nördlichen Seite wurde unter die Aussicht der japanischen Trup­pen gestellt, von den verbündeten Truppen wurden v-rschiedene KomiteS ernannt, welche die Ruhe in der Stadt aufrecht sollen. Diese KomiteS bestehen au« Japanern, Russen, Engländern, Amerikanern und Franzosen. Es gelang ihnen, die in dem kaiserlichen Palaste gefangenen fremden Missionare und chinesische Christen zu befreien. Die Japaner verloren 200 Tote und Verwundete. Der Verlust des Feindes betrug 600 Tote.

Berlin, 23. Aug. Auf -einen Antrag Li-Hung-Tschangs, in welchem die sofortige Zurückziehung der Verbündeten Truppen und die Eröffnung von Friedensverhandlungen verlangt wird, erwiederte die deutsche Regier­ung , sie könne in Ermangelung gehöriger Vollmachten auf chinesischer Seite in die Ver­handlungen nicht eintreten.

London, 23. Aug. Wie derDaily Chronicle* aus Washington gemeldet wird, wird die Regierung der Vereinigten Staaten dem chinesischen Gesandten folgende Antwort zugehen lassen: Es hat sich zu erweisen, daß in China eine Regierung besteht, welche in der Lage ist, den gegenwärtigen Wirren ein Ende zu machen. Nach Einstellung der Feindseligkeiten wird die amerikanische Re­gierung sich mit L:-Hung-Tschang in Ver­bindung setzen, um einen ehrenhaften Frieden abzuschließen. Bis dahin werden die ameri­kanischen Truppen in Peking verbleiben.

Washington, 23. Aug. Ein Kabeltele­gramm deS Admirals Remey vom 22. be­

sagt: Das 6. amerikanische Kavallerieregi­ment und ungefähr 400 Briten und Japaner trieben gestern 8 Meilen von Tientsin 1000 Boxer auseinander. 100 Chinesen wurden getötet.

Rundschau.

Wildbad, 23. Aug. (Kgl. Kurtheater.) Pastors zweite Frau* Lustspiel in 3 Akten von Oberregiffeur Ernst Albert hat auch bei seiner Erft-Aufführung am Pfauen-Theater in Zürüch wie hier einen glänzenden Erfolg erzielt und beherrscht dort gegenwärtig das Repertoir. In den Berichten heißt es v. a. So viel und oft wurde auf of­fener Scene im Theaterhier noch nieopplaudiert. Noch jedem Aktschluß mußte sich die Gardine 4, ömal heben.

Der König hat dem K- Jägermeister, Oberstleutnant a. D-, Grafen v. Dillen- Spiering in Dätzingen, die Erlaubnis zur Annahme und Anlegung des ihm von dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe verliehenen Ehrenkreuzes 2. Kl. deS F. schaumburg-lip- pischen H-usordens erteilt.

Ludwigsburg, 20. Aug. Verabschiedung der Mannschaften für China. Auf dem Ar­senalplatz verabschiedete sich lautLudwigsb. Ztg." heule vormittag */,12 Uhr Se. Maj. der König von den nach China bestimmten Offizieren und Mannschaften. Auf dem rechten Flügel der Kompagnie standen die nach Ch'na gehenden Offiziere. Kurz nach '/,12 Uhr betrat Se, Maj. der König, welcher mit der Bahn hierher ge­kommen war, in Begleitung des Flügelad- jutanten Hauptmann Mohn den Platz. Nach kurzer Begrüßung durch dir anwesenden Of­fiziere, und nachdem er an die Mannschaften ein freundlichesGuten Morgen, Kamera­den I" gerichtet, ging Seine Majestät die Front ab und stellte an eine größere Anzahl der Mannschaften Fragen, die von den Leuten prompt beantwortet wurden. Sodann trat Seine Majestät vor die Mitte der Front und hielt etwa folgende Ansprache:Kame­raden I Es ist mir eine Freude und ein Bedürfnis gewesen, in der letzten Stunde, bevor ihr die Heimat verlaßt, Euch noch ein­mal zu begrüßen und Euch meine herzlichsten Glückwünsche mit auf den Weg zu geben. Laßt mich versichert sein, daß Ihr auch im fernen Osten dem Namen Eures Heimat­landes Ehre machen werdet, daß Ihr als Württemberger würdig den anderen deutschen Volksstämmen Euch angliedcrn werdet, daß Ihr in Manneszucht, Gehorsam und in Er­tragung schwerer Strapazen nie erlahmen und in dieser Richtung Eurer Heimat ein­gedenk sein werdet. Die Wünsche Eures Königs begleiten Euch, wo denn Ihr sein möget. ES sind schöne und große Aufgaben, die Euch bevorstehen. Möge Gott Euch schützen und bewahren und Euch gesund wieder in die Heimat zurückkehren lasten l Daß Ihr Euren Pflichten freudig und in jeder Weise nachkommt, ist meine Ueberzeug« ung. Und dieser Ueberzeugung wollen wir Ausdruck verleihen mit dem Ruf:Unser oberster Kriegsherr, Seine Majestät der Kaiser Hurrah, hurrah, hurrah!* Kräftig stimmten die Anwesenden ein. Nachdem die Kapelle einm Vers der Königehymne gespielt, er­griff der kommandierende General das Wort, indem er den unterthänigsten Dank der nach China gehenden Truppen für die gnädigen Worte und die Glückwünsche deS Königs