Schwer erkämpft.
Roman von H. von Ziegler.
18 ) (Nachdruck verboten.)
Da führte er sie herein, legte das schmerzende Haupt in ihren Schoß und ließ sich trösten, wie ehedem als Knabe: ach, es war ja nickt, wie sie meinte» nur allein der Schmerz um sie, der ihn folterte. Klar und deutlich hörte er die Stimme des toten Bruders an fein Ohr tönen: „Wenn Dir das Schicksal einst jenen in den Weg führt!" Und nun war der Moment gekommen, dort lag der falsche Würfel, der den treuesten, liebsten Menschen in den Tod gejagt I Er stöhnte laut auf, denn was sollte nun werden? Mußte er nicht, um Viktors Andenken zu retten, jenen Schurken entlarven, und vor der Welt brandmarken, auch wenn er Evas Gatte war?
Draußen war das Rollen eines Wagens vernommen, der vor der Thüre hielt, General von Waldheim frug nach dem Professor, und während dieser ihm entgegeneilte, verschwand die Frau Ahne im Zimmer. Aug' in Aug' standen sich nun die Herren gegenüber.
„Sie haben mich gerufen, lieber Schönau, und hier bin ich. Nun sagen Sie mir alles I"
„Ich danke Ihnen, Herr General, schon um der Gräfin willen sollen Sie erfahren, wie die Vergangenheit drohend aus dem Grabe aufstrhtl"
ES wurde still im Zimmer, denn Schönau sprach gedämpft, und der alte Herr starrte ihn an wie einen Geist. Solche furchtbare Enthüllungen hatte er doch nicht erwartet.
Vor ihm lag der Würfel, jener stumme und doch so berede Zeuge eines Verbrechens, das erst nach langer Zeit entdeckt ward.
„Ich muß Viktos Ehre reiten, Herr General," sagte traurig der Gelehrte, „es ist meine heilige Pflicht gegen den Toten."
„Eie haben recht, Herr Professor," seufzte Waldheim, ihm warm die Hand reichend, „an Ihrer Stelle würde ich auch nicht anders handeln, aber Posou ist unzurechnungsfähig und meine arme Eva wird noch unglücklicher."
,DaS ist Sie schon heute, fuhr Schönau leidenschaftlich auf, „sie muß heute ihres Gemahls Liebkosungen, morgen seine brüsken Launen erdulden. Wehe denen, welche die Gräfin Eva zu dieser Ehe drängten."
Befremdet schaute der General auf den stattlichen Mann, der so leidenschaftlich für seine Enkelin eintrat.
„Posau kann doch nicht wagen, mein Kind zu beleidigen, auch hat sie mir gegenüber noch niemals geklagt."
Schönau biß sich auf die Lippen; auch zu ihm hatte Gräfin Eva nie geklagt.
„Ich weiß nur, Herr General, daß der Graf trinkt, spielt — und zwar falsch spielt, wie dieser Würfel beweist. Seine arme Gemahlin ist totunglücklich."
Waldheim erhob sich und trat dicht zu dem Professor ihm die Hand auf die Schulter legend.
„Mein armer Schönau, Sie verschweigen mlr etwas, und dennoch kann ich alter Mann in Ihrem Herzen lesen."
Ernst und osten sahen sich beide Männer an, ober keine Silbe ward gesprochen, bis sich Schönau endlich ausrichtete.
„Sie haben recht, He>>r General, und
aller Mannesmut reicht nicht aus, dies zuckende Herz zu besiegen. Ich reise morgen ab, um dann nie mehr hierher wiederzukommen.
„Gott helfe Ihnen, mein armer Freund. Fern sei eS von mir, Sie zu verurteilen. Laß Eva unglücklich ist, weiß ich, und, da ein Rückfall seines Wahnsinns bei Posau abermals im Anzuge ist, so nehme ich sie mit mir fort."
„Und was gedenken Sie in jener anderen Angelegenheit zu unternehmen?"
„Vor allem will ich den Kammerdiener vernehmen das andere überlasse ich Ihnen, lieber Professor, denn Sie müssen meinen armen Oelzen vom Verdachte deS Selbstmordes reinigen."
Noch einmal schüttelten sich die Herren die Hände, dann verließ der General sporenklirrend den Saal und Schönau blieb allein im Zimmer zurück.
Hoch und gewaltig schauten von draußen her die Bergriesen auf ihn nieder, wie klein und nichtig erschien ihnen doch Menschenleid und Menschenqual, ihnen, die im Sonnengold und Sturmgebraus dem Himmel so nahe waren und sich so gewaltig dünktcn im Schmucke der rubinroten Alpenrosen und deS schimmernden Eishermelin.
„O, könnte ich hinausfliehen zu Euch," murmelte der einsame Mann, die Arme aus- breitend, „daß alles Leid und aller Schmerz zurückblicbe. Aber nein, das wäre feig und eines ManneS unwürdig. Ich muß zurück ins Leben — und kämpfen; falle ich, so soll's mit Ehren sein!" —
Währenddem saß Graf Posau in seinem Zimmer, einen zerknitterten Zettel in Händen, seine Augen sprühten wild, das Antlitz war blaurot und verzerrt, und mit knirschenden Zähnen überlas er nochmals die Worte: „Professor Schönau und Gräfin Posau scheinen befreundeter mit einander zu sein, als dem Herrn Grafen lieb sein dürfte."
„Haha, eine schöue Geschichte," murmelte der Lesende vor sich hin, den anonymen Wisch zusammenknitternd; „hier unter meinen Augen eine Liebelet mit dem Bücherwurm anzufangeu! Aber warten Sie, meine Gnädige Sie find falsch wie Ihre erste Namensschwester trotz ihrer Taub.naugen. Und Schönau. Mir ist er so fatal, weil er mich immer an jerkn andern erinnert I Doch bah, das ist Thorheit, ich rege mich unnötig auf, in meinen Schläfen rast es mir so wild; nachher muß ich doch Eva das Briefchen zeigen."
Er klingelte und als der Kammerdiener eintrat, schrie er ihn befehlend an: „Sodawasser," worauf der Mann verschwand, um gleich darauf mit dem Gewünschten wieder eiuzntreten.
„Wer gab Dir vorhin den Brief hier?"
„Der AloyS Siolzner aus dem Dorfe, aber wenn ich gewußt hätte, daß Herr Graf sich darüber so aufregten —"
„Lies hier — daö soll mich wohl kalt lassen, wenn ein Elender mich beschimpft und meine Ehre mit Füßen tritt?"
„Sic wollen ihn wohl auch um Tod und Leben würfeln lassen?"
Die Frage aus dem Munde des Menschen klang frech und doch auch drohend; ungeniert lehnte er sich an eiu Tischen und fuhr fort: „Finden Sic nicht, daß der Professor jenem Leutnant von Oelzen ähnlich steht?"
„Schweig, Du Schurke," donnerte der
Graf, dessen Antlitz sich abermals blaurot färbte, während seine Faust dröhnend auf die Platte deS Schreibtisches schlug; „Du weißt, daß Du die Vergangenheit nicht erwähnen sollst."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Frau Bresei, die Frau deS Königs- mökders uvd von Geburt Amerikanerin, die in Hoboken lebt, äußerte sich einem Berichterstatter deS „Daily Telegraph" gegenüber folgendermaßen über ihren Mann: „Sicherlich muß mein Mann nicht bei Sinnen gewesen sein. Er war nicht immer vernünftig, aber er war niemals gewaltthätig. Er war sehr gutherzig und hing zärtlich an unserm kleinen Mädchen. Um seinetwillen sollte er dies nicht gethan haben. Gaetono war ein Sozialist und haßte Könige, Königinnen und Kapitalisten, aber er sprach niemals davon, einen von ihnen töten zu wollen. Er hatte keine Freunde in West-Hobokcn. Er erzählte mir niemals, daß er einem anarchistischen Vereine angehörte. Vor drei Tagen erhielt ich einen Brief von ihm aus Mailand. Er schrieb nicht wie ein Anarchist oder ein Mann, der am Vorabend eines grausigen Verbrechens stand. Mein Mann war eher weichlich als heftig. Ich glaube, daß die Thal der Erfolg eines plötzlichen Impulses war. Ich fürchte, ich werde ihn niemals wieder sehen. Im Gefängnis wird er den Verstand verlieren. Er wird versuchen, es eine Woche auszuhalten, aber ist zu nervös und viel zu gefühlvoll, um nicht zufammenzubrecheN.
— Ein heiteres Intermezzo ereignete sich während der jüngsten Firmungsreise des hochwürdigsten Bischofs von Münster im olden» burgischen Münsterlande. Wie üblich besuchte der hohe Herr in einem Landstädtchen die Schulen, und da bei diesem Anlasse gewöhnlich einige Fragen den Kleinen gestellt werden, hatte die betreffende Lehrerin ihren Schülerinnen eingeprägt, stets den hohen Herrn mit „Bischöfliche Gnaden" anzuredcn. Der Bischof kommt und frägt auch alsbald ein kleines Mädchen: Kannst Du mir wohl die zehn Gebote hecsagen? Die Kleine antwortet mit einem schüchternen „Jawohl", vergißt aber die ihr eingeprägte Anrede hinzuzufügen. Als sie nun zum 7. Gebote kommt, erinnert ein vorwurfsvoller Blick der Lehrerin sie an das Vergessene und schnell platzt die Kleine heraus: 7. Du sollst nicht stehlen, Bischöfliche Gnaden. — Ein anderes drolliges Vorkommnis passierte demselben geistlichen Würdenträger vor nicht langer Zeit in seiner Bischofsstadt. Als er zu seinem gewohnten Spaziergange aus dem Palais kommt, sieht >r an einem Nachbarhause einen kleinen Knirps, der vergeblich sich bemüht, denKlingel- zug zu erfassen. In seiner bekannten Liebe zu den Kindern tritt der Bischof hinzu und frägt den Kleinen, ob er mal die Klingel ziehen solle. Freudig sagt der Kleine: Ja bitte, Onkel Bischof. Der hohe Herr zieht kräftig an dem Klingelzug und wartet einen Augenblick, ob jemand zum O-ffnen erscheint. Als aber der Kleine im Flur Schritte hört, zieht er den Bischof am Rock nnd sagt: „Onkel Bischof, nu müssen wir aber laufen, sonst kriegen sie uns," reißt aus und läßt den verblüfften Obrrhirten stehen, welcher von dem die Thür öffnenden Hausherrn freundlich nach seinem Begehr gefragt wird.
Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofmann in Wilbad.