England und Transvaal.
London, 21. Mai. (Ist der Friede in Sicht?) Ter „Liverpool Post" wird von besonderer Seite geschrieben: „Die Meldung, daß Krüger mit Hinblick auf den Frieden um Einstellung der Feindseeligkeiten ersucht habe, ist nicht unwahrscheinlich. An einigen wohl informierten Stellen hatte man erwartet, Krüger würde in dem Augenblicke, da die englischen Truppen Transvaal erreichen, versuchen, Verhandlungen anzuknüpfen. Diese Eventualität hat man vorhergesehen und dafür Vorkehrungen getroffen. Auf Grund einer hohen Autorität kann ich versichern, daß der Waffenstillstand nur unter Beding» ung vollständiger Uebergabe gewährt werden wird. Die Buren müssen die Waffen nieder- legen und in ihre Heimstätten zurückkehren; alle Forts, die Artillerie und die Waffen im Besitz der Buren müsse» übergeben werden. Ob Krüger schon bereit tst, solchen Bedingungen zuzustimmen, ist schwer zu sagen. Man erwartet nicht, daß die Regierung sich in Erörterung der Bedingungen eines politischen Friedensschlusses einlasfen wird, ehe der Krieg vorüber tst. Krüger darf kaum erwarten, daß Transvaal seine alte Unabhängigkeit zurückerhält. Doch wenn er bereit ist, die britische Suprematie und den Status einer freieren, sich selbst verwaltenden Kolonie anzunehmen, so kann man sich leicht über die weiteren Bedingungen einigen."
London, 22. Mai. Ein Berichterstatter des „Daily Chronirle" meldet aus Kroon- stad: Kommandant Dcwet spricht sich für die Waffenstreckung aus, wenn annehmbare Bedingungen erlangt werden könnten. Over- kvmmandant Botha rät zum Widerstand. Das Blatt bemerkt: Kommandant Dewel sucht zweifellos die Grundlage der Unabhängigkeit der Buren zu retten, aber ist unmöglich, dem Präsidenten Krüger auch nur den Schatten von einer Autorität zu belassen.
Washington, 22. Mai. Staatssekretär Hay empfing gestern die außerordentliche Burengefandschaft nichtamtlich im Auswärtigen Amt. Er erklärte ihr, daß Präsident Mac Kinley bet dem gegenwärtigen Stand der Dinge sich genötigt sehe, gegenüber England und den Burenrepubliken bei der Politik der Neutralität und Unparteilichkeit zu verharren. — Der Sinai beschloß mit 25 gegen 21 Stimmen, den Burenabgesandten den Zutritt zum Sitzungssaale zu verweigern, nachdem der Vorsitzende des auswärtigen Ausschusses, Davis, in nachdrücklicher Rede auSgesührt hatte, die Abgesandten seien im Lande herumgezogen, hätten sich an verschiedenen Vesammlungen beteiligt und das Volk sür ihre Sache zu gewinnen gesucht, um einen Druck auf die Regierung auszuüben.
Dundee, 23. Mai. Reutermeldung. Eine Depesche aus NewCastle besagt, daß die Eisenbahn schnell wtederhergestellt und an der Waschdankbrücke Tag und Nacht gearbeitet werde. In NewCastle wurde nach dem Abzüge der Buren eine Stadtgarde gebildet. Ein aus dem Oranjefreistaat eingetroffener Farmer teilte mit, daß die Buren bei Laingsnek weitere Verstärkungen erhielten und daß ihre Zahl etwa 5000 betrage. Trotzdem halte man es sür unwahrscheinlich, daß dieselben ernsten Widerstand leisten.
New-Aork, 23. Mai. Reutermeldung.
In Beantwortung einer Anfrage, ob Transvaal um den Frieden nachgesucht habe, telegraphiert Präsident Krüger aus Pretoria an die „World": Gerücht unwahr. Krüger, Pretoria.
— Eine Burenfrau. Aus dem Burenlager bei Giencoe wird dem Bureau Reuter unterm 12. Mai. gemeldet: Vor einigen Tagen machte man die Entdeckung, daß ein Mitglied des Johannesburg-Kommando eine junge Frau war und durch Nachforschungen kam man auf folgende romantische Geschichte: Ais der Gatte dieser unternehmenden jungen Frau zum Dinst an der Front kommandiert wurde, zog sie Mannskleider an, ging zum Feldcornet, meldete sich unter dem Namen ihres Mannes und verlangte, an die Front geschickt zu werden. Das geschah, und darauf begab sie sich, vollständig wie ein Burghrr ausgerüstet, zu den Streitern. Sie kämpfte tapfer in den Schützengräben am Spion Kop. Vor einigen Togen erst entdeckte man ihr Geschlecht und nun wurde sie in die Heimat gesandt. Auf dem Wege dahin hielt sie an dir aus der Stations- Plattform versammelte» Leute eine Ansprache, in der sie die Burghers zum Aushalten im Kampfe ermahnte und erklärte, daß sie es versuchen würde, für das Land zu kämpfen, statt müßig zu Hause zu hocken.
Rundschau.
— Seine Majestät der König hat den Vorsitzenden des Vorstands der Versicherungsanstalt Württemberg, Präsidenten v. Häberlen, zum Präsidenten der K. Regierung des JagstkrciseS ernannt.
Stuttgart, 21. Mai. Dem Vernehmen nach hat das Konsistorium in der umstrittenen Frage der Verpflichtung der BolkSschullehrer zur Kirchenoussicht sich dahin schlüssig gemacht, letztere von den Volksschullehrern an Sonn-, Fest- und Feiertagen künftig nicht mehr zu verlangen und den Kirchengemeinde- räten anheimzugeben, für die Beaujstchtigung der Schuljugend während des Gottesdienstes an diesen Tagen Sorge zu tragen.
Stuttgart, 22. Mai. In der Kammer der Standesherren verlas heute Ministerpräsident ». Mittnacht dieselbe Erklärung wie s Z. in der zweiten Kammer über den Beschluß der Regierung, dem gegenwärtigen Landtag die abgelehnte Steuerreform nicht mehr vorzulegen, den Entwurf aber gleich bei dem nächsten Landtag einzubringen.
Untertürkheim, 21. Mai. Gestern fuhr ein Motorwagen, welcher auf seiner ersten Probefahrt unfern Ort passierte, auf das Eierfuhrwerk des H. B. aus Wangen. Frau B. und ihr dreijähriges Kind wurden aus dem Wagen geschleudert, erhielten jedoch nur leichte Verletzungen. Das Pferd kam mit einigen Quetschungen davon, die Deichsel und ein Rad des Wagens zerbrachen. Die Schuld an dem Zusammenstoß trifft den Motorwagenführer, welcher, wie es scheint, die Herrschaft über das Gefährt verlor.
Pforzheim, 21. Mai. (Saalbau.) Der vom Bürgerausschuß im Jahre 1897 beschlossene Saalbau konnte gestern in feierlicher Weise eröffnet werden. Die vereinigten hiesigen Gesangvereine veranstalteten aus Freude über das schöne Gelingen des von ihnen seit vielen Jahren erstrebten Projektes ein großes Konzert zu Gunsten der hier zu
errichtenden Krippe unter Mitwirkung dcS Jnstrumentalvcreins und der Feuerwehrkapelle. Die Festrede hielt Herr Oberbürgermeister Habermehl, welcher in seinen humorvollen Ausführungen über die lange Geschichte des hiesigen SaalbaueS, die er mit einer drei» aktigen Tragödie oder Komödie, die Zuhörer wahrhaft ergötzte. Er überreichte dem Vorsitzenden des Salbaukomitees Herrn C. Nagel und Herrn Musikdirektor Th. Mohr, dem Festdirigenten Lorbeerkränze und dankte mit warmen Worten allen Faktoren, welche an der Erstellung unseres SaalbaueS mitwtrklen, besonders aber dem bausührenden Architekten Herrn Stadtbaumeister Kern. Der zwar einfache, aber imposant wirkende Bau, dessen Saal 3000 Personen saßt, gereicht den Erbauern zur Ehre und unserer Stadt zur Zierde.
— Die wilde Jagd. Bei einer Uebung des Deutzer KürassterregimentS wurden bei einer Schwadron 52 Pferde scheu, rasten zur Stadt hinein, alles was sich ihnen in die Quere stellte, überrennend. Ein Milchfuhrwerk wurde zertrümmert. Als der Pferdetrupp eine scharfe Biegung durch die Clever Straße machte, stürzten acht Tiere, mehrere blieben infolge schwerer Verletzungen liegen. Während zum Schluß etwa 40 Pferde in die Kürasfierkaserne flohen, setzten sechs Pferde die wilde Jagd nach dem Vororte Kalk fort.
— Die Braut ihres eigenen Vaters. In Gefahr, der Gatte seiner Tochter zu werden, geriet der in Toledo (Ohio) wohnhafte Farmarbeiter Adam Cordiff. Derselbe begab sich vor einigen Tagen nach Charleston, um dort Lucy Cole zu heiraten, mit der er seit längerer Zeit verlobt war. Am Abend vor der Hochzeit saß Cordiff mit dem Mädchen zusammen, in deren Photographie-Album blätternd. Da sah er das Porträt seiner Frau, seiner vor 18 Jahren verstorbenen Gattin und auf Befragen erklärte das Mädchen ihm, jene Frau sei ihre Mutter. Die Geschichte klingt wie ein Noman. Als junger Mensch heiratet Cardiff die Tochter seines Arbeitgebers in New-2)ersey heimlich, weil die Eltern des Mädchens nichts von einer Verbindung wissen wollten. Als die Sache aufkam, wurde Cordiff aus dem Hause gejagt und das Mädchen cingesperrt. Der junge Gatte suchte sich eine Existenz zu gründen, aber als er endlich damit erfolgreich war und seine Gattin zu sich nehmen wollte, starb dieselbe, nachdem sie einem Kinde das Leben gegeben. Da alle Verbindungen mit den Eltern feiner Gattin abgebrochen blieben, sah Cordiff auch sein Kind nicht. Dasselbe wurde später von Verwandten der verstorbenen Frau, einer Familie Cole in Baltimore, adoptiert, und Cordiff verlor eS aus den Augen. Jetzt wird die Tochter dem Vater den Haushalt führen.
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