Wertoren.

WeihnachtserzÄhlung von Helene Voigt.

S) (Nachdruck verboten.)

Ich werde fragen. Wen darf ich an­melden?"

,Der Name thut nichts zur Sache, die Dame kennt mich doch nicht."

Kopfschüttelnd bestellte der Mann diese Botschaft an Luise, welche befremdet aufsah.

Führen Eie die Dame in den Salon. Ich komme gleich."

Als sie der Fremden gegenüber stand, lüftete diese den Schleier und sagte hastig: Sie kennen mich nun wohl, Frau Herstrom."

Die junge Frau preßte erbleichend die Hand aus's Herz und wich zurück.

Fräulein Frohnert I Was suchen Sie bei mir?"

Wenig und doch viel! Die Freiheit für Ihren Gatten."

Wer beauftragte Sie mit dieser Mis­sion, mein Fräulein?" frug Luise kühl, denn ihr Stolz bäumte empor bei diesen herzlosen Worten.

Niemand, verehrte Frau, am wenigsten Ihr Gatte doch dachte ich es mir recht hübsch, wenn ich ihm zum Christfest Ihren Entschluß Mitteilen könnte."

Sie Sie sehen ihn zum Fest?" stammelte Luise, kaum fähig, die Worte her­vorzustoßen.

Gewiß. Wir werden auch die Ueber- fahrl zusammen machen, da mein Weg mich gleichfalls noch New Aork führt.'

Alle Farbe wich aus dem lieblichen Ant­litz der jungen Frau, sie hatte nur noch die Geistesgegenwart die elektrische Glocke zu läuten, welche zu ihrem Schwiegervater ging, dann sank sie lautlos, von tiefer Ohnmacht befangen, zurück.

Melanie fühlte sich sehr unbehaglich und bereute lebhaft den Schritt, welchen sie ge- than, aber noch ehe sie das Gemach, unbe­kümmert um die Leblose, verlassen konnte, stand der Kommerzienrat vor ihr, und be­trachtete sie mit stammenden Blicken.

Was lhun Sie hier, Elende?" flüsterte er ihr zu und hob die Hand wie zum Schlage, ich kenne Sie und weiß, daß Sie die Ge­liebte mrineS Sohne« sind.'

Hm, daß ich nicht seine Gattin bin, Ist die Schuld jener Frau," lachte Melanie höhnisch, aber furchtlos ihn andltckend,Sie werden doch nicht so geschmacklos sein und eine Dame schlagen?"

Nein, aber wenn diese P-rson, denn eine Dame ist es nicht, sich nicht augenblick­lich entfernt, werde ich sie mit Händen vom Hofe Hetzen lass n."

Melanie erbleichte und wandte sich zur Thür.Ich gehe, Herr Kommerzienrat, wenn Sie Mw dos Versprechen geben, daß Ihr Sohn geschieden wird und ich

Niemals," entschied Herstrom rauh,das ist seine und Ihle Strafe, ehrloses Weib, daß Ihr Euch nicht angchönn düeft.j

Un nun hinaus, oder soll ich meine Leute zu Hilfe rufen?"

Kreidebleich vor Wut eilte die Sängerin davon.

Was hätte sie darum gegeben, sich nicht in dies Haus gewagt zu haben I Oder liebte sic wirklich Rudolf Herstrom und wollte sie seine Freiheit ihm verschaffen?

Thörin," murmelte sie vor sich hin,

al- ob ich mir Ehestste!« anlegen wollte I Pah, um einen so unbedeutenden Menschen willen gebe ich nun und nimmermehr meine Freiheit hin. Aber büßen soll er mir die Schmach, welche ich in dieser Stunde er­litten habe I"

Der Kommerzienrat Hatte voll tiefem Schmerze die leblose Gestalt Luisens in die Arme genommen und sie auf ein Ruhebett gelegt; er netzte ihr Stirn und Schläfen mit sau äs ooloAns und wartete kummervoll auf ihr Erwachen.

Fast wie rin Schuldiger selbst kam er sich dieser armen, jungen Frau vor. Vom ersten Anbeginn ihrer Ehe an hatte er ge­wußt, daß sie mit seinem Sohne nicht glück­lich werden konnte, aber dennoch hoffte er, seine Befürchtungen zerstreut zu sehen. Er liebte Luise viel mehr als Rudolf und keiner ihrer Vorzüge blieb ihm fremd; um so mehr schnitt ihm ihr tiefes, wortloses L id in die Seele, er hätte Jahre seines Lebens dafür gegeben, um dasselbe von ihr nehmen zu können.

Endlich schlug sie die Augen auf; sie wußte nicht gleich was vorgefallen und erst allmählig kam ihr die trostlose Gewißheit, daß sie von nun an ein verlassenes Weib sei

Mein armes, teures Kind," sprach der Kommerzienrat, leise und innig ihre Stirn küssend,glaube mir, daß das, was man Dir anihat mich auch schwer trifft. Kannst Du dem Vater vergeben, waS der Sohn Der anlhat."

Mein lieber, teurer Vater," entgegnen die junge Frau liebevoll ihn anschauend, ich habe nur noch Dich und mein Kind und will alles thun, mir Deine Liebe zu erhalten. Wir werden von nun an fest und innig zu einander stehen und nur uns und der Kleinen leben. Alles Andre stellen wir Gott anheim, der die Herzen lenkt und dem die Rache gehört. Ich kann vergeben."

Meine Luise, Du bist ein echtes Weib und Gott wird Dich in Deinem Kinde segnen."

-i- »

Am nächsten Tage reiste Fräulein Melanie Frohnert nach Bremerhafen ab; ein Kreis ihrer Verehrten begleitete sie zum Bahnhof und als der Zug sich in Beweg­ung setzte, da war das Coupse der scheiden­den Diva ein wahrer Blumengarten, aus dem sie holdselig lächelnd herauSgrüßte.

Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen ," hallte cs jubelnd nach, dann brauste der Zug davon.

* »

Am Weihnachtsabend war es still iw Herstrom'!Len Hause, nur der kleinen Ada hatten Mutter und Großater ein Bäumchen angezündet und allerlei Spielsachen darunter aufgebaut. Luise sah wie im Träume aus das stöhlich jubelnde Kind nieder, sie hatte noch nie ein Christfest mit so ödem zucken­dem Herzen verlebt; fern, weltenfern war der Himmelssriede, welchem««- der GotteS- botschaft in die Menschenherzen einziehen soll und das Flimmern der bunten Lrchtchen lhat ihren Augen weh, Wird es einmal anders werden?

Ein Jahr war vergangen still, und

einförmig und beruhigend. Wenn es dem großen Leid eines Menschenherzens gegenüber auch trivial klingt, von dem Trost zu rede», den die Zeit bringt, so ist es doch eine fest- stebende Thalsache, daß Tag um Tag unmerklich und lindernd auch der g'ößte Jammer verblaßt. So wars auch im Herstrom'schen Hause.

Kein Kunde von drüben fand den Weg über die Schwelle, der Name Rudolf Her­stroms schien ouSgelöscht aus seiner Familie und auch er machte keinen Versuch, Nach­richt zu erhalten. Nur die blonde, sauste Frau, die seinen Namen trug, flüsterte ott heimlich:Rudolf," und seltsamer Weise keimte eine neue, stärkere, innigere Liebe zu ihm in ihrem Herzen.

Der Kommerzienrat hatte den schweren Schlag, welcher ihm und seiner Ehre von bem einzigen Sohne zugefügt worden, nicht so leicht überstanden und die Bitterkeit gegen letzteren nahm womöglich zu statt ab. Er sagte seiner Schwiegertochter nicht, daß er seine Gesundheit wanke» fühlte, daß er fest überzeugt war, bald abgerufen zu werden, aber er iraf im stillen alle diesbezüglichen Maßregeln, um die Seinen in geordneten Privaiverhällnissen zurück zu lassen: seines Sohnes war im Testament nicht gedacht worden I

(Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

Ei» Flug durch die Lüfte. Aas Mailand wird geschrieben: Ein ganz unge­wöhnlicher Fall, den man nicht für möglich hallen würde, wenn er nicht wirklich wahr wäre, ist dieser Tage in Quarna Souo, einer kleinen Ortschaft bei Lapeno im Toce- Ihaie passiert. Die Bäuerin Teresa Falciola ging mit ihren beiden Töchterchen auf den Berg, um, wie man es in dieser Gegend zu lhun pflegt, mittels eines DrahteS einige Holzbündel zu Thal zu schaff.m. Der vom Berg ausgehende Mewlldrahl befindet sich in einer Höhe 800 Meter über einer liefen Thalschlucht und endigt auf einem Hügel. Als die Fa'clola sich anschickte, das Holz tinnnle>zuschaffln, p ckte der Haken plötzlich ihren Trauring, klammerte sich daran fest und führte die laut ausschreiende Frau in saus'ndem Fluge über Berg und Schlucht und Abgrund zu Thal. Die beiden Mädchen, die der Scene, weiche sich blitzschnell abge­spielt hatte, beiwohnten, liefen jammernd und weinend den Berg hinunter zum anderen Ende des Drahtes auf dem Hügel, wo st« bie Mutter zerschmettert vorzustnden fürchteten. Aber zur Überraschung und Freude aller fand man die Bäuerin gesund und munter. Sie hatte die unfreiwillige Lufireise bceruigt ohne Schaden zu nehmen, und rer Anprall bei der Ankunft wurde durch das Holzbündel, weiches mit geflogen war, so geschwächt, daß die Falciola mit heiler Haut davonkam.

Der König von Dänemark ist krank und jene Kräfte haben in der letzten Zeit stark abqenommen. Er hat sich zur Erhol­ung nach Gmunden begeben.

Das Weltmeer ist ein großer Friedhof. Es vergeht kein Tag, ohne daß er seine Tore» erhält. Im Monat Oktob. allein sind, soweit bis jetzt ermittelt worden ist, 122 Segelschiffe und 33 Dawpfsch ffe uniergegangen, und mit ihnen einige hundert Menschen.

Re-akit-u, Druck und Verlag von Beruh, Ho s m « nn in Wildbatz.