Verschiedenes.
— Zigeullerreichtum. Man schreibt aus Hannover: Manche von den zu den Pferde- märklen hierher kommenden Zigeuner verfügen über außergewöhnliche Geldmiitel, die ihnen einen extravaganten Luxus ermöglichen. So hat im Laufe des Sommers ein Zigeuner bei einem Goldschmied zwei Paar massiv goldene Sporen bestellt; die Räder mußten aus 20-Mark-Stücken hergestellt werden. Ein Anderer aber will anscheinend den Elfteren noch überbieten oder bei einer schwarzäugigen PnSztatochter au.Sstechen; er trägt zwar nur silberne Sporen, aber neuerdings hat er einem Goldschmied den Auftrag gegeben, an 300 eingelieferte Zwanzig- Markstücke goldene Oesen zu löten und an 400 Fünfmarkstücke silberne. Aus den Münzen sollen Kelten hergestellt werden, die denn als — Camisolbesatz dienen sollen. Der Besteller ist derselbe Zigeuner Jurkan, der seinem im Frühjahr hier verstorbene» Bruder ein ebenso kostbares wie originelles Grabdenkmal hat Herstellen lassen.
— Geistesgegenwart einer Frau. Der Ostas. L>. erzählt soig-'nde Geschichte von der wilden Energie und Geistesgegenwart
einer Chinesin: Aus einsamem Bergpfade wanderte im vollen Feierlagöschmuck eine chinesische Bäuerin daher, um in dem zwei Stunden entfernten Dorfe bei Verwandten einer Festlichkeit beizuwohnen. Plötzlich tritt ihr an einer Wegbiegung ein Räuber ent« gegen, der mit alter verrosteter Flinte in der Hand das erschreckte Weib anschreit, alles herauSzugeben, was sie an Schmuckgegenständen bei sich führe. Die Frau löst die Armbänder, nimmt das silberne Ohrgehänge und den silbernen Haarschmuck und reicht es dem Banditen dar. „Ich sehe, du trägst ein hübsch gesticktes Gewand — her damit.* »Hoffentlich wirst du so höflich s-in und dich umdrehen, wenn ich mich des Kleide« entledige* — sagt im scherzhaften Tone das Bauernweib. Der Mann drehte sich um, und in demselben Augenblick ergriff die Frau einen neben ihr liegenden Feldstein und zerschmetterte mit einem Schlage das Haupt des RäuberS. Ruhig nahm sie die Schmuckstücke wieder und teilte den Leuten des Dorfes mit, daß sie auf der Höhe einen Räuber erschlagen habe.
— Vor 45 Jahren begraben und heute noch am Leben. In Altorf in der Schweiz
erkrankte vor 45 Jahren (damals im Alter von 4 Jahren) ein Knabe, der bald darauf seinem Leiden erlegen zu sein schien. Es fand den» auch das Leichenbegängnis statt. Die Ellern hatten bereits den Kirchhof verlassen, als der die Erde aufschütlende Totengräber ans dem Grabe kommendes Schreien hörte. Er überzeugte sich, daß wirklich in dem Sarge etwas nicht in Ordnung sei, und beeilte sich, den wieder zum Leben Erwachten zu retten und den hocherfreuten Eltern zuzuführen. Noch heule erzählt der äußerst gesunde und l obuste Schweizer seinen Kindern mit Vorliebe, daß er einmal „schon begraben gewesen sei."
— (Fatol.) Mann (vor dem Hulladen) : „Also der Hut gefällt Dir? Wenn ich jetzt meine Börse nicht vergessen hätte, würde ich ihn Dir kaufen." — Frau: „Ich habe bemerkt, daß Du sie liegen ließest und habe sie eingesteckt!"
— Unerklärlich Gast: Aber da hört roch Alles auf. Der Teller, den Sie mir da vorgesetzt haben, ist ja ganz schmutzig! — Kellner: Das begreife ich nicht. Vorher wie der andere Herr davon gegessen hat, war er noch ganz rein I
Werteren.
Weihnachteerzählung von Helene Voigt.
2) (Nachdruck verboten.)
„Wann wird Deine sanfte Frau wohl versuchen, Dich zum Daheimbleibcn zu bewegen ? Auch ich halte Dich nicht, Dein eigenes Gewissen wird Dich vielleicht in elfter Stunde zur Besinnung bringen."
Dann war er gegangen und hatte bei den Sirenentänzen Melanie Frohnerts Alles Vergessen, Weib und Kind, Pflicht und Gewissen.
„Jetzt kommen Sie,Herstrom, der Haupt- slrom hat sich verlaufen, wir wollen ebenfalls gehen."
Nur ein Wagen stand noch draußen, derjenige der Sängerin. Heistrom und seine Begleiter traten zur Seile, um der Dame Platz zu machen, welche soeben in einem Hellen Theattrmantel, einen Bashlick um den Kopf geschlungen vsrbeikam.
Als sie einsteigen wollte, zogen die etwas unruhigen Pferde an, die Sängerin verlor das Gleichgewicht, strauchelte und wäre gefallen, wäre nicht tm selben Moment Her- strvm vorgesprungen und hätte sie in seinen Armen aufgefangen. Es war nur ein Augenblick, daß er die zierliche Gestalt umfaßt hielt, daß die großen, glänzenden Auge» ihn so dankbar und so feurig anblickten — aber ihm schien es, als fei ein Wunder mit ihm geschehen.
„Ich danke Ihnen, mein Herr," tönte eine melodische Frauenstimme an sein Ohr und eine kleine, weiche Hand drückte die seine jäh und teitenschastiich I „Sie haben mich vor einem argen Unfall bewahrt."
„O, gnädiges Fräulein, der Dienst, den sch Ihnen leisten durste, war ein sehr geringer," entgegnet- Rudolf etwas linkisch, „ich bin dem Zufall dankbar dajür."
»Ich hoff', noch eingkh-nder Gelegenheit zu haben, Ihnen zu danken, mein Herr, für heute empfehle ich mich Ihnen."
Und mit graziösem Kopfnicken war stein den Wagen geschlüpft Herstrom trat zurück und das Gefährt rasselte davon.
„Donnerwetter, was sind Sie für ein Glückspils, Mensch," riefen die Anderen, Rudolf umringend, „dürfen die Diva retten und werden zum Besuche von ihr ausgefor- d-rt — eine Ehre, die nicht vielen zu Teil wird.
Und nun vorwärlS, wir müssen das Ereignis feiern."
„Ich — kann nicht mit — ich muß nach Hause."
„Kein Gedanke, alter Freund, Sie sind der unsre und tö.m-n noch dai kbar sein, daß wir Ihren Trübsinn zerstreuen wollen."
Wie betäubt von allen auf ihn einstürmenden Eindrücken ließ Herstrom sich mitziehen und als man bei einem üppigen Souper faß, bei dem der Sekt in Strömen floß, gab die seelische Spannung bei ihm nach, er wurde gleichfalls heiler.
Währendem faß Luise am Bettchen der Kleinen, deren Bäckchen noch immer sieber- heiß waren, die aber noch langem Wachen nun endlich in einen unruhigen Schlaf verfallen war. Trübe brannte das Nachllämp- cken auf dem Dsch, still warS in dem kleinen Zimmer und nur undeutlich drang der Slra- 8-nläim bis zu der blassen, gebeugten Frau.
Sie saß reglos, nur die Gedanken stürmten und wirbelten in ihrem Kopfe, bis derselbe zum Zerspringen schmerzte. Eine heiße Thräne nach der anderen rann über die Wangen, bitter zuckten die Lippen, aber kein Laut kam über dieselben.
Sie hatte ihren Gallen fortgehen hören, obwohl er es nicht der Mühe wert gehalten, sich von ihr zu verabschieden. Erst meinte sie, er werde zum Abendbrot heimkehren, koch als sie für kurze Zeit ihren Liebling »erlassen, um ins Speisezimmer zu gehen, fand sie dort nur ihren Schwiegervater, dessen finstere Mine dem abwesenden Sohne aalt. Er hatte die junge Frau nach dem Essen zärtlich auf die Stirn geküßt, ihr eine gute Nacht für das Kind und für sie gewünscht und versprochen, ehe er sich zur Ruhe legte, nochmals Nachsehen zu wollen.
Wie Luise dem braven ollen Manne dankbar war, wie innig sie seine Hand
küß-el Und ihr Gatte? Stunde um Stunde verrann, er kam nicht. Der Nachtwächter rief die Mitternacht, cs blieb ruhig im Hause und erst, als die Uhr zwei geschlagen, v.rnahm ihr geübtes Ohr wie die Haus- thüre geöffnet und wieder geschlossen wurde.
Endlich kam er! Mit klopfendem Herzen saß sie da; er mußte doch kommen und hören wie es seinen, Kinde gingl
Aber nein. Sie vernahm Rudolfs Schritt auf dem Teppich des CorridocS, er ging in sein Schlofz mmer und schob den Riegel vor. Zu ihr und dem kranken Töchterchen zog es ihn nicht I
Da brach denn doch all die mühsam bawahrte Fassung, laut schluchzend sank sie zu Boden und erst das klägliche Weinen des jäh e> wachten Kindes brachte sie zur Besinnung. —
Am nächsten Morgen ward der Kommerzienrat Herstrom geweckt; seine Schwieger- ivchter wolle ihn sprechen. Ais er in höchster Bestürzung zu ihr eilte, s,nd er sie fast außer Stande zu reden.
„Schicke sogleich zum Arzt, lieber Papa, sonst stirbt mein Kindbat sie und die eiskalten Finger umklammerten seine Hand.
„Meine arme, teure Luise," rief er außer sich; „o natürlich muß der Geheimrat gleich komme». Ich bin in zehn Minuten bei Dir und unserem Liebling."
Das gestern noch jo erregte fieberheiße Kind lag jetzt sehr still da; nur das blonde Köpfchen zog sich immer mehr nach hinten und das H-rzchen ichlug schwach. Eene namenlose, qualvolle Angst erfüllte Luisens Herz, als sie ihren Liebling so liegen sah; stumm hob sie die gefalteten Hände zum Himmel auf, Worte fand sie nicht, nur ein lautloses heißes Flehen sti-g zum Allmächtigen auf.
Der HauSarzt kam, schüttelte ernst daS Haupt und verordncte heiße Bäder, als er ging drückte er dem Hausherrn die Hand und sagte: „Wenn nicht ein Wunder von oben geschieht, so erlebt das Kind nicht mehr een Abend."
(Fortsetzung folgt.)
RetzMsn, Druck und Berlag von Bei nh. H, fr» , nv in Wildhatz.