Werkorsn.

WcihnachtSerzählung von Helene Voigt.

1) (Nachdruck verboten.)

Der große Cocnertsaal in H.. strahlte in blendendem Lichtmeer, ein gewähltes Publikum drängte und schob nach den Plätzen, die biszum letzten vergebenwaren, und das Orchester auf dem Podium stimmte leise seine Instrumente. Man war noch im Frühherbst und sollte heute den ersten musikalischen Genuß der Saison haben : der verwöhnte Liebling des kunstsinnigen Publi­kums, Melanie F-ohnert, gab ihr diesjäh­riges erstes Concert.

In einer der ersten Logen saßen die jungen Männer der Kaufmannschaft munter plaudernd beisammen und beobachteten die andrängendcn Conc rtbcsucher. «Hm, die Dame schein! ja große Verehrung zu besitzen," bemerkte der Sohn eines ter reichsten Börsenfürsten, sein Opernglas ans Auge nehmend,ich habe sie noch nie singen hören."

O weh, Herstrom," lachte ein anderer Herr,schlimm für Ihre Frau Gemahlin, denn unsere bezaubernde Melanie ist eine Sirene, die Jeden in ihre Netze fängt, dem sie begegnet und gerade Sie sind ja als Gvldfiich doppelt begehrenswert.*

Ah ba, ein solider Ehemann hat nichts zu sürchtsn," wehrte Herstrom lachend ab. Er war ein gut aussehender Mann, etwa Anfang der dreißiger Jahre mit dunklem Bart und lebhaften Augen.

Nun, wir sprechen uns nach Schluß des Concertes wiedersagte jener Herr bedeutsam.

Das Orchester beginnt die Ouvertüre. Die Tonwellen rauschten volltönend durch den Saal und lautlos verharrte die elegante Zuhörerschaft , in Gedank n versunken ließ Rudolf Herstrom seine Blicke umherschweisen durch den Raum. Aber es lag eine nur schwer unterdrückte Ungeduld in der Beweg­ung , womit er sich dann in seinen Sessel zurücklehnte.

Er fühlte sich unbefriedigt, es lag ein Verlangen nach Glück in dem müden Blick, der durch den hell erleuchteten Raum flog, und doch wußte er selbst nicht, nach was er sich eigentlich sehnte.

Er war seit zwei Jahren verheiratet und besaß ein einjähriges Töchterchen, der Liebling der stillen, sanften Mutter, die in dem Kinde alles das fand, was das unstäte, ruhelose Wesen des Gatten ihr versagte.

Der alte Kommerzienrat Herstrom liebte seine Schwiegertochter zärtlich; an ihm hätte sie stets eine Stütze gehabt, wenn sie sich nach einer solchen umgelhan, denn er ver­urteilte das ungleiche, rastlose und unbe­friedigte Wesen des Sohnes am allerschärssten.

Die Ouvertüre war beendet; ein Murmeln und Rauschen g ng jetzt durch den Saal, aus dem Hirtergrunde schwebte eine lichte zierliche Elseng-stalt in ein rosafarbenes Tüllkleid gehüllt, von Juwelen umblitzi heran und schaute aus großen, feuchlgländen, wunderbaren Augen das Publikum an, welches in rin nicht endenwollendes G-'jubel auSbrach und wieder und immer von neuem in die Hände klatschte.

DaS ist Melanie Frohnert; was sagen Sie nun, Sie ungläubiger Thomas." flüsterte der Herr wieder in H-rstrom's Ohr.

Ich bekenne mich überwunden," meinte

dieser leichthin. Seine Stimme war klang­las , aber daö Opernglas, welches er hielt, bebte in seiner Hand.

Und nun sang die Künstlerin. Auch daö kälteste, gleichmütigste Herz hätte nicht unbe­wegt bleiben können bei diesen gedämpften, glutdurchhauchten Tönen; mitunter sanken sie zu einem weichen Flüstern herab, dann wieder brausten sie auf in fesseüoscr Leiden­schaft, klagten oder jubelten bis den Zuhörern das Herz rascher kochte und der Atem versagte.

Auch Rudolf Herstrom saß stumm, tief erregt, bezaub-rt da wie noch nie zuvor im Leben. Ja, das waren Sirenenlöne, die an sein Ohr schlugen, die seine Sinne bethörten und ein wildes nngedämm;eS Sehnen in seiner Brust erweckten nach etwas Unerreich­barem, Großem, Herrlichem l Als sie ge­endet , als der jubelnde Beifall der Menge erbrauste, da kam's wie eine Ernüchterung über den jungen Mann und fast schämte er sich über den Bann. welcher ihn gefangen halte. Er zwang sich, mit seinen Bekannten beifällig und anerkennend über die Künstlerin zu plaudern und hätte doch am liebsten in tiefer Einsamkeit den eben gehabten Eindruck nachhaltig auf sich wirken lassen.

»Ja, ja, Herstrom, Sie müssen Melanie Frohnert kennen lernen," lachten die Anderen, sie wirds auch Ihnen anthun, denn in ihrem eigenen Salon ist sie unerreichbar und noch bedeubernder als im Eonc rtsaal."

Singt das Fräulein noch einmal?" trug Rudolf, als habe er die letzte Bemerkung überhört.

Jawohl, und zwar das Lied vom Erl­könig, ihre Glanzpartie. Da bebt und zittere alles an ihr vor Leidenschaft, und man sieht deutlich die ganze Scene vor Augen. Ich möchte ihr am liebsten zuFüßen fallen und tagen, was sie aus mir gemacht hat Wirklich ein herrliches Wetb," bemerkte einer der Herren.

Die übrigen Concertnummern zogen ein­druckslos an Herstrom vorüber, erst als er auf dem Podium wieder die Sängerin auf­tauchen sah, als er den Applaus der Zu­hörer vernahm, da legte eS sich wie ein Taumel um seine Sinne, sein Herz pochte rasend, seine Pulse flogen und sein Blick tauchte in die Ferne.

Vielleicht hatte Melanie noch nie so gut gesungen wie heute; es lag eine tiefinner­liche Glut, ein Ausströmen von Leidenschaft, aber auch ein Sehnen nach Glück und Harmonie in den vollen, weichen Tönen, das alle Hörer mit sortriß zu ungeschmälerter Begeisterung.

Manches Frauenauge schimmert feucht, in manchem graubärtigen Antlitz zuckle eS auf und als sie schwieg, da hatte die Künst­lerin ein neues Lorbeerblatt ihrem Sieges­kranze beigesügt.

Nun wollen wir zusammen soupieren," meinte einer der Herren, seinen Arm in den Herstroms schiebend,kommen Sie mit; wir begießen den eben gehabten Genuß noch mit Sekt, denn man muß doch die Künst­lerin leben lassen.

Ich bedauere, meine Herrensagte Rudolf,ich muß nach Hause, denn"

Ach was, keine Ausrede," hieß eS von allen Seiten,seien Sie kein Philister und Spielverderber. Aber erst wollen wir die Menge vorauslassen, man drängt tonst am

Eingang so ungebührlich stark.*

Rudolf Herström fühlte einen Stich in der Brust und eine mahnende Stimme flüsterte ihm zu:Geh heim I Denk an Dein Weib und Drin Kind I"

Als er von zu Hause fortgegangen war, hatte Luise, seine Frau, am Bettcken der Kleinen gesessen, deren Gestchtchcn im Fieber glühte; sie hatte erstaunt und sehr ernst den Galten angeblickt, aber kein Wort ge­sagt. Auch ihm hatte das Wort im Munde gestockt, er vermochte ihr nicht zu sagen, daß er ins Concert gehe.

And dann traf er noch seinen Vater, der vom Comptoir kam ; finster blickte dieser auf den Sohn und frug kurz:Wo gehst Du hin?"

Ich habe eine Verabredung."

So, und weißt Du nicht, daß Dein Kind schwer krank ist? Der Arzt befürchtet Gehirnentzündung."

Luise hat mir nichts gesagt, daß Ge­fahr im Anzuge ist."

(Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

Die Weihnachtszeit naht, die selige Z it des Gebens und Nehmens I Wie viel Kopfzerbrechen macht es aber oft, das Richtige zu geben, das den Beschenkten auch wirklich Freude macht, um so die oft reichlich auf­gewandte Mühe sowie die erheblichen Kosten belohnt zu sehen. Wir möchten da all den Rathlosen empfehlen, die letzte Nummer der im Berlage von Franz Lipperheide in Berlin erscheinenden Modenwelt (nicht zu verwechseln mitG>oße Modcnwelt" undKleine Mo- denwelt"), zu durchblättern, es weht ordent­lich Weihnachtsstimmung daraus entgegen, und fleißige Hände werden sich sofort regen, um zum mindesten noch einen Teil der reichen Auswahl von geschmallvollen Handarbeiten oder kunstgewerblichen Gegenständen nachzu- bilven. Besonders wertvolle Vorlagen für Tischged cke, Tischläufer, Handtücher u. s. w. enthält auch der Nummer beiliegendes Blatt: Tisch- und Hauswäsche. Eine ganze Seile «st de» Pupp-n und dem Spielzeug für die Kleinsten gewidmet. Bei all diesem Reich­tum an Gegenständen tritt doch nicht die Toilette in den Hintergrund, besonders reiz­voll sind verschiedene Ballkleider für die eben in die Welt tretende junge Dame, neben der Gesellschaslsrobe für die Mama, die mit Siolz aus ihr zierliches Töchlcrchen blickt. Die verschiedenen Preisaufgaden, deren Schicksal in nächster Zeit enschieden wird, erhallen die dabei beteiligten Abonnentinnen in einer ge­wissen Erregung und hoffnungsvollen Erwart­ung.

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Hed»kit»n. Druck und Verlag von Brrnh. H » sm « no in Wildhgd.