einen Zug in wenigen Sekunden zum Anhalten, während bisher 15 Sekunden ge» braucht wurden. Auch ist jede Gefahr, dah der Mechanismus versage, ausgeschlossen. Sollte sich diese neue Einrichtung in der Praxis bewähren, dann wäre allerding etu- bedeutendes Mittel zur Vervollkommung der Sicherung der Bahnreisenden gefunden.
Paris, 28. Okt. Die Regelung der Erbschaft der Baronin Hirsch hat dem franz. FiSkuS, wie der „Figaro" mittcilt, zwölf Millionen Franken eingetragen, die in Banknoten eingezahlt wurden.
— Ein gefährlicher Fechter. Folgender Vorfall passierte im Fechlsaale des Vereins der Handelsbeflissenen in Parts. Der Vorfechter Padoc machte einen Gang mit dem Mitgliede Bosses. Plötzlich sprang des letzteren Klinge und fuhr Padoc in der Gegend unterhalb des Herzens schräg durch den Leib, indem die Spitze am Rücken wieder herauskam. Wunderbarer Weise wurde kein edles Organ verletzt und Padoc befindet sich nach dem Ansspruch der Aerzte, obwohl durch und durch gebohrt, nicht in der geringsten ernstlichen Lebensgefahr
— In den letzten Wochen sind große
Stürme über Jokohama gezogen und ungefähr 3000 Menschen haben dabei ihr Leben ein- büßt, während der Schaden an Häusern und an der Ernte sich auf einige Millionen beläuft.
Budapest, 30. Okt. In der Gemeinde Pnla (Zalaer Komitat) brannten 150 Häuser ab; zehn Menschen fanden ihren Tod in den Flammen.
— Die Stadt Spital an der Dran steht in Flammen.
— Blutige Schlachten im Frieden. In der Nähe der Städt Karlowo (Südbulgarien) spielt sich seit einigen Tagen ein regelrechter blutiger Kampf zwischen den Bewohnern von drei Dörfern um den Besitz einiger Grundstücke ab, die jede dieser Gemeinden für sich in Anspruch nimmt. Nach den bisherigen amtlichen Meldungen hat dieser mit Gewehren und Messern geführte Streit schon 2 Tote, 3 Schwer- und 56 Leichtverwundete als Opfer gefordert. Bisher ist es der OrtSpolizei und dem Forstperscnale nicht gelungen, die Ordnung wieder herzustellen. Den Anlaß zu solchen, übrigens in Südbulgaricn gar nicht seltenen Dorfschlachtcn giebt der gänzliche Mangel eines Landkatasters im Fürstentume
ab, wodurch der Grundbesitz jeder gesetzlichen und rechtlichen Grundlage entbehrt.
— Die Zahl der Einwanderer in Nordamerika betrug im letzten Fiskaljahr 311 715 gegen 228 299 im Vorjahr.
Baltimore, 29. Okt. Der Erfinder der Setzmaschine Linotype, Ottmar Mergenihal»r, ist hier gestorben.
Das englische Sanitätskorps wird in dem jetzigen Kriege die Röntgenstrahlen in umfassender Weise verwenden. Oberstabsarzt Major Bewor hat in früheren Feldzügen besondere Uebung im Umgang mit der Lichtmühle erlangt und führt neben einem Röntgenapparat einen Kinematografen für die Aufnahme lebender Bilder mit sich-, — (Was alles gemacht wird, um Kunden anzulocken!) Ein Aachener Tuch Versandhaus offeriert: „17 L. Um unfern Kunden entgegenzukommen, legen wir bei Bestellungen von -/A 20.— an das neue bürgerliche Gesetzbuch, komplet und hübsch gebunden, als Gralisgabe bei.
Pech. Handwerksbursche: „Donnerwetter, das ist nun schon das drittemal, daß ich Arbeit angeboten kriege . . . heute Hab ich aber wirklich meinen Pechtag I"
JoHannisrosen.
Novelle vvn F. v. Pückler.
3) (Nachdruck verboten.)
„Ja", meinte der Unbekannte und blickte unverwandt in das süße, rosige Mädchenantlitz an seiner Seite, sie sah genau so aus wie Sie — man nannte sie Dornröschen."
Jetzt waren sie an der Hausthüre ange- langt, und unbefangen streckte Elli ihrem neuen Freund die kleine Hand hin. „Adieu, mein Herr, lassen Sie sich zu Mama führen; ich muß in die Küche."
„Und Sie sagen gar nicht: Auf Wiedersehen ?"
„Ich — ich dachte, daS verstehe sich von selbst, denn wenn Sie ein so guter Bekannter Mamas sind, so werden Sie wohl bald wieder kommen." i »Also, auf Wiedersehen, Fräulein Elli."
Durch die lichtgrünen Blätter hindurch glitten Heller Sonnenstrahl über das kastanienbraune Haar des jungen Mädchens, ihre Hand lag in der deö Fremden, und mit halbverlrgenem Lächeln sagte sie ebenfalls aus Wiedersehen. Dann aber flog sie da- von wie ein Windhauch, und sinnend blickte Georg Lauer ihr nach.
„Als ob sie eS selbst gewesen wäre, Elise" murmelte er vor sich hin, „und doch auch nicht! Diese großen, süßen Kinderaugen könnten nicht trügen wie jene. Und nun zum Wiedersehen! Ich bin so gespannt darauf; mir ist zumute, als sollte dieser Tag ein bedeutsamer für mein ganzes ferneres Leben."
Gleich darauf führte ihn ein Dienstmädchen in den Salon der Frau Kommerzienrat und .bedeutete ihm: die gnädige Frau werde gleich erscheinen.
Unruhig schritt Lauer auf den Weichen Teppichen hin und her, bis endlich das Rauschen eines seiceuen Kleides sich vernehmen ließ, und gleich darauf die Thür zum Nebenzimmer geöffnet ward.
„Mein teurer Freund, also endlich, endlich führt unS ein güiigrs Schicksal
wieder zusammen. Wie freue ich mich über dies unverhoffte Wiedersehen."
Ja, das war sie, die Georg Lauer einst seine Braut, sein Dornröschen genannt — oder sollte es dennoch eine ganz Fremde sei» ? Diese volle, schöne Frauengestalt mit dem coquett lächelnden Munde, den schmachtenden Augen und der übertriebenen eleganten Toilette konnte unmöglich ein und dieselbe sein mit dem schlanke», lieblichen Mädchen, welches seine Erinnerung so treu bewahrte.
Freilich, sie halte ihn damals bis ins Herz hinein getroffen, als sie, nachdem sie schon Monate ihm anverlobt gewesen, den reichen,, halbschwachsinnigen Kommerzienrat ihm vorzog, „weil ihre Mutter wünschte, und eine Tochter doch den Eltern gehorchen müßte."
Aber er hatte alles vergessen, hatte während seiner ganzen Ueberfohrt nur von Elise geträumt — und einem, ihm vielleicht spät noch beschiedenen Glück; aber freilich diese vornehme Weltdame, welche ihm verheißungsvoll lächelnd ihre weißen weichen Hände entgegenstreckte, erschien im völlig fremd, und der Johannistrieb der schon beginnen wollte, da drinnen im Herzen zu grünen, schrumpfte zusammen zu einem winzigen Nichts.
„Gnädige Frau", begann er, unsicher trotz aller seiner Weltgewandtheit, „ich bin glücklich, von Jhenen so gütig ausgenommen zu werden. Sie sind auch die erste Bekannte in der alten Heimat, die ich wieder aufsuche."
„ Warum so förmlich, mein Freund?" frug Frau Elise, seine Rechte in ihre beiden Hände pressend, „ist denn nicht zwischen uns alles wie ehemals? Die Schranken sind gefallen ; kommen Sie, setzen Sie sich hierher, und plaudern wir ein wenig miteinander."
U»d sie zog ihn mit sanfter Gewalt zu dem Eckbivan am Fenster zwischen Fächerpalmen und Epheuwänden, um ihn in eine lebhafte trauliche Plauderet zu verwickeln.
Feines Veilchenparjüm wogte um Lauer, der wie im Traume da saß und keine Worte fand.
War das jenes Dornröschen, welches einst mit träumerischem Lächeln zu ihm auf- gcschaut und mit keuschen Lippen geflüstert hatte: „Ich habe Dich lieb, Georg, — sehr lieb I"
Nein, unmöglich! Diese elegante weltgewandte Dame, die da vor ihm mit .dem Fächer spielte, konnte nimmermehr seine erste Liebe gewesen sein.
Unwillkürlich beschlich ihn jenes Empfinden, daS er daheim im fernen Indien gefühlt, wenn eine Schlange sich in seiner Nähe gezeigt; er war sich bewußt, daß er scharf auf der Hut sein müsse, um nicht der sich nähernden Gefahr zu erliegen.
„ Wie die Zeit fliegt", seufzte schwärmerisch die Kommerzienrätin, ,,mir ist's als habe ich Sie erst gestern zuletzt gesehen, Georg; Sie haben sich so gar rncht verändert in Ihrem ganzen Aeußeren."
„Gnädigste Frau sind zu gütig", meinte er, formell sich verneigend, „aber ich fühle doch die Reihe von Jahren, welche über mich dahtngegangen sind, und auch Sie — sind eine Andere» geworden."
Fast schien eS, als wolle die strahlende Liebenswürdigkeit der Dame Umschlagen bei diesen so gar erwarteten Worten, doch sie bezwang sich noch rechtzeitig und lächelte mild.
„Ja, mein teurer Freund, das Schicksal ist mit mir streng in die Lehre gegangen und hat aus dem unschuldig schwärmerischen Mädchen eine ernste, gereifte Frau gemacht."
Lauer dachte bei sich, daß dies „unschuldige schwärmerische" Mädchen es doch ganz gut begriffen habe, daß ein alter, reicher Mann dem jungn unvermögenden Liebhaber vorzuziehen sei, doch machte er sich von einer ernsten, gereiften Frau doch ein einigermaßen anderes Bild. „Sie haben ja ein liebes Töchterchen zur Seite, Frau Kommerzienrat," fiel er ein, „die sicherlich für Sie ein Kleinod auSmachen muß."
(Fortsetzung folgt.)
Merks.
— Die guten Einfälle des Herzens sind noch seltener, als die des KopfeS.
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