mindesten für eigenartig. Die Veröffentlich­ung meines siebenstündigen Aufenthalts i» Freudenstadt hatte eine Masse widerwärtiger Auseinandersetzungen zur Folge: Ich erhielt einen Urlaub zum Gebrauch einer Kur in Baden-Baden; zu Beginn dieses Urlaubs fuhr ich direkt nach Freudenstadt, um von dort das Murgthal entlang nach der Station Weisenbach und weiter nach Baden-Baden zu gelangen. Dadurch, daß erst 8 Tage nach dem ehemaligen Uebernachten in Freuden­stadt meine Name in der dortigen Kurliste stand, wurde der Anschein erweckt, wie wenn ich gar nicht nach Baden-Baden gekommen wäre. Meinem ganzen Verwandten und Freundeskreis war es bekannt, daß ich nach Baden-Baden reisen werde, und hintendrein mußte ich schriftlich und mündlich ausein­andersetzen, daß ich nur sieben Stunden lang Freudenstädter Höhenluft in einem Gast­hofzimmer gekostet habe. Ich möchte daher dringend darauf aufmerksam machen, daß diese Art von Zusammenbringung einer Kur- liste die Interessen der Stadt als Fremden­stadt nicht fördert. Infolge dieses Freuden­städter Kurlistcnartikels teilt ein anderer folgendes Vorkommnis mit: Vor einigen Jahren saßen wir Kurgäste in unserem Hotel an der Tafel. Als Nachtisch wurde ihm

die neueste Kurliste überreicht, in der wir alsdann unfern Namen suchten. Mein Tisch­nachbar und ich machten große Augen, als wir hinter unseren Namen je einmit Ge­mahlin" fanden. Wußten wir doch unsere Frauen wohlgeborgen zu Hause! Sie hatten uns nicht einmal nach Freudenstadt begleitet. Es lag also nicht der geringste Anlaß vor, sie in der Liste unterzubringen. Man scherzte allerwärts über diese Kurgästevermehrung und es fehlte natürlich auch nicht an derben Spässen, deren unschuldigster nun die so­fortige Ankunft unserer Frauen mit Extra­zug in Aussicht stellte. Da that auf ein­mal unser Gegenüber, ein würdiger Herr aus Frankfurt a. M. wenn er's liest, soll er von unS gegrüßet sein seinen Mund auf und sprach: Meine liebe Herren I seien Sie nur zufrieden I Sie haben wenigstens Frauen, da fällt die Sache nach außen nicht so auf. Ich bin Junggeselle. Hier aber lese ich soeben zu meinem großen Entsetzen: Nechnungsrat L.mit Fräulein Tochter". Was wird da mein Stammtisch in Frank­furt von mir denken 11Ergebenst ....

Zehn Gebote für den Verkehr mit Hausgenossen, auf praktischer Lebenserfahrung beruhend, dürften der Beachtung zu em­pfehlen sein: 1. Man sei stets nachgiebig,

ohne sich alles gefallen zu lassen. 2. Man begrüße sich stets freundschaftlich, meide aber womöglich den näheren Verkehr. 3. Man lasse sich nie über die Mitbewohner von den Dienstmädchen u. s. w. erzählen. 4. Man halte nie dieselbe Waschfrau, Näherin usw. 5. Man nehme nie ein Mädchen, das schon im Hause gedient hat. Man unterlasse daS gegenseitige Entlehnen, kommt es aber doch einmal vor, so gebe man das Geliehene bald mit Dank zurück. 7. Hat man auf der Treppe oder im Hausgang etwas ver­streut, oder ausgegossen, so lasse man es sofort sauber beseitigen. 8. Man nehme stets Rücksicht auf die neben, über oder unter sich Wohnenden durch Vermeidung alles unnützen Lärms, Getrampels und besonders Mißhandlung des Klaviers; unterlasse daS Ausschütteln von Teppichen, Vorlagen usw. aus den Fenstern, sowie das Uebergießen von Blumen aus den Fenstergesimsen. 9. Hört man einen Wortwechtel, der in den besten Familien Vorkommen kann, so schließe man Fenster und Thüren und entferne sich, um nichts davon zu verstehen. 10. Man bilde sich niemals ein, die gestttesten und bravsten Kinder zu haben, und lehre sie neben den zehn Geboten Gottes auch die vorstehenden.

Die blaue Maske.

Humoreske von I. Piorkowska.

(Nachdruck verboten.)

Während ich noch hin und her schwankte, ob wir gehen sollten oder nicht, enthob mich meine kleine Frau meiner Skurpel und Bedenken- Eines abends, als ich nach Hause kam, war sie so lieb und zärtlich, daß ich wohl merkte, sie hatte ein besonderes Anliegen an mich.

Nun, Du kleine Schmeichlerin, was giebts?" fragte ich lächelnd.

Da bestürmte sie mich mit Bitten, sic möchte gar zu gern auf den Maskenball gehen, sie hätte noch nie einen gesehen und denke cs sich doch so reiznnd rc. rc. Noch bis auf den heutigen Tag kann ich meiner kleinen Frau nichts abschlagen, wenn sie mich mit ihren sanftblauen Augen so zärtlich bittend ansieht, um so weniger eine Bitte, wie sie mir selbst ja nicht willkommener sein konnte.

Mir ist's recht, Kind," versetzte ich, wenn Du noch Zeit hast, Dir einen schönen Anzug zu beschaffen; für die Karten will ich sorgen."

O, ich habe mir schon ein reizendes Kostüm ausgesucht; sieh', glaubst Du nicht, daß mich dies gut kleiden wird?"

Damit zeigte sie mir ein Modeblatt mit einem allerliebsten Schuferanzug.

Sehr hübsch," erwiderte ich,es paßt nur schlecht zu meinem Ritterkostüm."

Du hast ein Ritterkostüm? woher?" fragte sie mich, und sah mich dabei mit ihren dunkelblauen Augen so verwundert und, wie mir in meiner Einbildung schien, so forschend an, daß ich verlegen den Blick zu Boden senkte hatte ich ihr doch nie von jenem MaSkenseste erzählt; von der blauen Maske, wußte ich, konnte ich nicht sprechen, ohne ihre Eifersucht rege zu machen, denn ganz frei von dieser Schwäche war sie wohl nicht; wenigstens hatte ich es schon öfters bemerkt,

daß sie es nicht gern sah, wenn ich als Arzt zu Frau von Hülsenhof ging, eine etwas kokette Witwe, von deren interessanter, süd­licher Schönheit ich ihr schon öfter erzählt hatte. So stammelte ich denn eine aus­weichende Antwort, ich meinte, ich hätte den Anzug noch von früher her liegen und lenkte dir Unterhaltung schnell auf etwas anderes.

Also eS ward beschlossen, den Masken- ball zu besuchen. Die Karten sind besorgt, die Kostüme liegen bereit, ich komme pünkt­lich nach Haus, wir machen Toilette. Doch schon halb fertig, fängt meine kleine Marie plötzlich über Kopfweh, über Schwindel und Mattigkeit zu klagen an. Wir hoffen es werde schnell vorübergehen, aber nein, die Zeit verstreicht, ohne daß meine arme Frau sich besser fühlt, und schließlich drängt sie mich, allein zu gehen.

Nein, mein Herz, ich bleibe bei Dir und leiste Dir Gesellschaft," erwidere ich und streiche ihr teilnehmend die Stirn.

Damit thust Du mir wirklich keinen Gefallen," spricht sie mit matter Stimme, mir ist Ruhe das Beste, und warum wolltest Du meinetwegen auf das Vergnügen ver­zichten? Nein lieber Oswald, geh, amüstre Dich und erzähle mir morgen recht aus­führlich von Deinen Abenteuern das soll mich dafür trösten, daß ich Dich nicht be­gleiten kann."

Ich wandte noch manches gegen mein Alleingehen ein, schließlich ging ich aber doch, und zwar mit recht widerstreitenden Gefühlen. Doch als ich mich zwischen der bunten Menge bewegte, die ich kannte, und die mir kein Interesse einflößte, da dachte ich voll Be­dauern an meine arme Frau, die krank zu Hause lag und ich beschloß, nureine kurze Zeit zu bleiben und dann zu ihr zurückzukehren. Aber es blieb bei der Absicht. Nach einer kleinen Weile sah ich ein blaues Kostüm durch die Menge huschen, bei dessen Anblick ich wie elektrisiert ward. Ich eilte der Richtung nach, und richtig I nach kurzem

Suchen stehe ich meiner unvergeßlichen blauen Maske wieder gegenüber.

Halt, schöne Maske i" flüsterte ich, indem ich fest ihre zarten Händchen ergriff und sie durch meinen Arm zog;diesmal sollst Du mir gewiß nicht wieder en- schlüpfent"

Wieder schauten mich ein Paar feurige, mutwillig blitzende Augen durch die schwarz« Larve an, dann ließ sie sich ohne Widerstreben von mir weiterführen.

Bald wähnte ich mich auf jenem Balle vom vorigen Jahre, bald vergaß ich auch meine kleine Marie ich Elender, die in­zwischen krank daheim lag; bald hatte ich nur noch einen Gedanken: an die schöne Polin an meiner Seite, deren Arm so ver­trauensvoll auf dem meinigen lag, als habe kein Mensch auf der Welt ein Recht, sie von mir zu treiben.

Als sie nach einer Weile über die große Hitze im Saale klagte, führte ich sie in ein kleines, lauschiges Seitengemach, wo unS ein paar bequeme Sessel, von herrlichen Tropen­pflanzen umgeben, einladend winkten. Das matte Licht, welches eine in der Mitte des Gemaches hängende Ampel ausstrahlte, daS Gemurmel der Gesellschaft und die Musik, die gedämpft zu uns herübertönte, daö alles wirkte auf meine Sinne und versetzte mich in eine ungewöhnliche Aufregung.

Die blaue Maske nahm an meiner Seite Platz, und langsam streifte sie den Hand­schuh von ihrer Rechten, eine zarte, weiße Hand entblößend, die noch kein goldener Reif ziert. Warum ich daö mit einem Gefühl der Freude bemerkte, weiß ich mir selbst nicht zu erklären.

Noch unvermählt?" drängte es sich nach einer minutenlangen Pause von meinen Lippen.

Ja, und Du?" lautet ihre leise gehauchte Antwort.

Ich bin seit zwei Monaten verheiratet."

Aber unglücklich?"

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Berlag von Beruh. Hofwanu in Wildbad.