Eine sonderbare Geschichte, die sich in Newyork zugelragen haben soll, erzählt das „Newhork Journal", eines der gelbsten Blätter Amerikas. Hier ist sie in ihrer ganzen Schöne: Albert Waugh, Angestellter in einem Seidenwarenhaus, wollte seinem GeschäftSkollegeu Watkins einen Streich spielen, indem er ihm einen glühenden Liebesbrief schrieb, den er samt der Photographie eines hübschen Mädchens in Watkins Rocktasche besörderte. Waugh freute sich im stillen über seinen Geniestreich und sah im Geiste Watkins in Begeisterung geraten bei dem Gedanken an die heiße Liebesleidenschaft der jungen Dame. Aber cS kam anders. WatkinS legte zu Hause denRock ab, und sein Weib, sein echtes ihm angetrautes Weib fand den Brief. Häusliche Scene — Peripetie — Katastrophe I Der arme Watkins schwört mit tausend Eiden, daß er von sämtlichen amerikanischen Ehemännern der treueste sei, aber seine Gattin will nicht- hören, fällt aus einer Ohnmacht in die andere, verläßt dann tragischen Schrittes das eheliche Gemach und — kehrt zu ihrer Mutter zurück. Jetzt fühlt Albert Waugh ein menschliches Rühren und Gewissensbisse. Er gesteht seine Schuld ein, aber nicht seinem Freunde Watkins, sondern der Frau.
Die blaue Maske.
Humoreske von I. Piorkowska.
(Nachdruck verboten.)
Bor einiger Zeit hatte ich mich in Loßendorf als junger Arzt niedergelassen, hatte auch die Freude, mich bald einer ganz guten Praxis rühmen z» können. Nur war ich des Abends dann müde und abgespannt, daß mir die Lust fehlte, noch auSzugehen und mir Zerstreuung und Unterhaltung zu juchen; so blieb ich meist zu Haus, mir die Zeit mit Lektüre oder dergleichen zu vertreiben. Eines Abends aber, als ich meinen Gedanken nachhing, als ich zurückblickle auf das letzte Vierteljahr und mir überlegte, wie philisterhaft ich dasselbe verbracht hatte, da ärgerte ich mich über mich selbst. „Oswald, Oswald I" dachte ich, „was ist aus Dir geworden, daß du, der du doch sonst heiteren Sinn und muntere Gesellschaft liebst, mit sechsunzwanzig Jahren ein Leben führst, wie ein alter, siebzigjähriger Hagestolz I — Nein, das muß anders werden. Ja aber wie?"
Die Loßendorfer Gesellschaft war mir, abgesehen von meiner Berussthättgkeit, noch vollständig fremd. „Doch," denke ich, „ein junger Mann braucht nur den Anfang zu machen, er braucht nur den ersten Anlauf zu nehmen, und cs fällt ihm sicher nicht schwer, sich einzuführen.
Gedacht, gethanl Ich greife nach der Zeitung, lasse mein Auge über die Kolumnen der Vergnügungen gleiten, und endlich bleibt mein Blick auf einer Anzeige hasten; dieselbe betrifft einen Maskenball, der nächsten Mittwoch in den Räumen der „Harmonie" stattfinden soll. Die „Harmonie" ist die erste Gesellschaft in Loßenvors; nur alljährlich einmal, und zwar am Fastnachtsabend, ist Nichtmitglicdcrn und Fremden der Zutritt gestattet. „Das ist eine guie Gelegenheit mal wieder lustig sein zu können; gefällt Mir die Gesellschaft, so kann ich mich event.
Das Ehepaar versöhnt sich und cS beginn! als Epilog der Tragödie das Satyrspiel. Die Walkins beschließen eine fürchterliche Rache gegen Waugh. Watkins führt ihn eines Abends an einen abgelegenen Ort, nimmt den Liebesbrief und die Photographie aus einer Tasche, aus einer andern einen Revolver und befiehlt Waugh, sofort das „oorpus äoiioti" aufzu . . . essen, sonst . . Der Revolver sagt das übrige. Armer Waughl Bleich und zitternd zerkaut er seine heißen Liebensworte. In kurzer Zeit hat er die vier Seiten verzehrt. Die Photographie zu essen, bringt er aber nicht fertig, der Magen dreht sich ihm im Leibe um, — lieber läßt er sich erschießen. Nun zeigt ihm Watkins lachend, daß sein Revolver überhaupt nicht geladen war und verfitzte ihm zum Abschied noch einige freundschaftliche Rippenstöße. Waugh aber ging zum Kadi und klagte.
„Die Jagd nach dem Mann." Die Stadt Neu-Braunschweig, Neu-Jersey, war vor einiger Zeit der Schauplatz eines absonderlichen Radfahr-RennenS. Teilnehmer waren zwei Fabrikmädchen, und sie fuhren um nichts weniger als einen Liebhaber, dem sie beide ihre Gunst zugewendet hatten; der Preis war eben dieser junge Mann selbst.
späier als Mitglied aufnehmen lassen," denke ich, und ohne mich lange zu besinnen, gehe ich Tags darauf mir einen eleganten Ritteranzug bestellen.
-st *
Es ist schon ziemlich spät, als ich am nächsten Mittwoch mit meinen Krankenbesuchen fertig bin. Ich eile nach Hause, werfe mich in mein Kostüm, betrachte mich noch eine Minute mit zufriedenem Blick im Spiegel und fahre nach der „Harmonie." Dort ist die Gesellschaft schon im besten Gange. In den eleganten, im hellsten Lichterglanz prangenden Räumen bewegt sich eine heitere Menge in buntem Durcheinander. Ohne Ansehen der Person geht eine vornehme Marquise mit einer allerliebsten Vierländerin Arm in Arm; dort erlaubt sich ein junger Tyroler mit einer „Königin der Nach!" zu scherzen, ohne daß deren Begleiter ihn zurechtwiese. Zwischendurch bewcgt sich gravitätisch ein alter, korpulenter Her. mit weißer Zopfperrücke, Kniehosen, feinen Schnallenschuhen und langem, weißem, mit bunten Blumen gesticktem Rock, wie sie Anfang des vorigen Jahrhunderts getragen wurden.
Ich lehne gegen einen Pfeiler und schaue eine Weile dem bunten Bilde vor mir zu, bis plötzlich eine schöne, schlanke Neapolitanerin vor mir steht, mit einem zierlichen Korb voll Südfrüchten auf dem Kopfe, den sie mit der linken emporgehobenen Hand hält, während sie die rechte graziös in die Hüfte stemmt. Sie rief mir in der wohlklingenden italienischen Sprache zu:
„OruwAl, LiZnoro, oranZi, non no «ompiruto? soiio Kollo, Kollo oomo vostru LoeolloiiLLrl" (Apfelsinen mein Herr, Apfelsinen, kaufen Sie keine? Sie sind so schön wie ihre Excellenz!)
Die hellblauen Augen, die munter unter der Maske hervorlugten, waren zwar echt deutsch, aber ihre Worte erinnerten mich an vielleicht schönste Zeit meines Lebens, die ich
DaS Rennen ging über zwei Meilen, und beide Nebenbuhlerinnen thaten ihr äußerstes um zu gewinnen. Publikum war zahlreich vertreten und verfolgte zum Teil das Rennen auf Ein- und Zweisitzern. Nellie Donnely nennt sich die glückliche Gewinnerin, die in 4fi, Minuten die Strecke zurücklegtc. Der „Preis" des Rennens erwartete den Ausgang am Ende der Strecke und zog sofort mit der Siegerin durch die Menge zu einem Geistlichen, der vorher bestellt war und in Anwesenheit einer vielhundertköpfigen Menge den Ehebund schloß. Echt amerikanisch!
Der Daumen als Wahrsager. Ein neuer Berufszweig ist in dem Daumenlesen entdeckt worden. Wünscht man zu erfahren, was der Daumen sagt, so hat man sich nur zu einem Professor der Daumcnkunde zu begeben, die Hand zu ballen und einen Daumenabdruck machen zu lassen. Aus diesem Abdruck wird einem nun mindestens '/« Stunde lang über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft berichtet. Der Daumen zeigt aber auch die geistigen Fähigkeiten, Tugenden und Schwächen,wenigstens behaupten dies die Daumenlefer.
vor einem ku-zen Jahre im schönen Italien zugebracht hatte, um mich nach einer anstrengenden Studienzeit ein wenig zu erholen und noch etwas von der Weit zu sehen, bevor ich mich als praktischer Arzt in Loßendorf niederließ.
Der italienischen Sprache vollkommen mächtig, erwiderte ich verschönen Neapolitanerin in ihrer Landessprache, und wie cs kam, ich wußte es selbst kaum, genug, nach kaum fünf Minuten schritt ich an ihrer Seite in lebhafter Unterhaltung über „das Land, wo die Cürouen blühen." Erst als uns ein junger italienischer Fischer entgcgenkam uns meine liebenswürdige Begleiterin mir entführte, ward ich wieder daran erinnert, daß ich mich hier unter lauter Masken befand und eigentlich zu anderem Zwecke gekommen war, als mich über Italien zu unterhalten. So streifte ich allein weiter, ging hier auf -inen Scherz ein, schüttelte dort energisch mit c-em Kopfe, als eine alte weißgepuderte Oame mir ohne Zögern ein R. in die Hand schrieb; aber sie schien mir nicht zu glauben, denn mich scharf mit ihrer Lorgnette prüfend, meinte sie: „Ron pus wou wovon Livkarä?" Ich verneinte und wollte lachend weitergehen, als mich eine kleine weißdehand- schuhte Hand gefangen hielt.
Ich wende mich um und sehe vor mir eine reizende kleine Polin in hellblauem Atlaskostüm, auf dem leicht gelockten schwarzen Haar sitzt schief kokett das eckige Posin- mützchen unter der schwarzen Larve schauen mich ein Paar blitzende Augen an. Ohne Zögern schrieb sie mir meinen vollen Namen ln die Hand; „vr. Oswald Scndig." Ich stutzte — woher wußte sie meinen Namen so genau? Schnell gehe ich im Geiste all die Familien durch, bei denen ich Hausarzt bin, aber ich entsinne mich nicht unter diesen allen eine junge Dame von so graziöser Gestalt zu kennen, wie sie in diesem Augenblicke vor mir stand. Fräulein Thekla Oldenburg wäre die einzige.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofmaun in Wtldbad.