Rundschau.

Stuttgart, 19. Juni. Heute früh 1'/- Uhr wurde im Femrbacher Tunnel ein Sol­dat (Ulan) aufgesunden, welchem der rechte Fuß oberhalb des Knies vollständig abge­fahren war. Weirere Verletzungen hatte der Verunglückie am linken Fuß und am Kopf. In Feuerbach wurde dem Verletzten ein Nol- verband angelegt. Der Verletzte wollte wahr­scheinlich zuvor mit dem Bahnzug von Feuer­bach hierherfahren und dürfte vom Trittbrett des betr. Wagen« hinuntergefallen sein. Der Soldat ist gegen 10 Uhr seinen Verletzungen erlegen.

Cannstatt, 18. Juni. Das 34. Schwäb. Kreisturnfest, das vom 22. bis 24. Juli hier abgehalten wird, wird seitens der Turn­vereine unseres Landes außerordentlich zahl­reich besucht werden. Bis jetzt haben sich 82 Vereine angemeldet; doch dürfte im Laufe der nächsten Zeir noch mancher Verein dazu kommen, obwohl der Termin zur Anmeldung am 15. Juni abgelaufen ist. Am 2. Fest­tag, Sonntag den 23. Juli, werden Massen­übungen zur Vorführung kommen, woran sich gegen 1800 Turner beteiligen.

Eßlingen, 18. Juni. ^Infolge eines Herzschlags verschied gestern früh plötzlich im Alter von 54 Jahren der in weiten Kreisen bekannte und überall beliebe Ober­lehrer L. Stern vom israelitischen Waisen­haus?Wilhelmöpflege* hier. Derselbe hat über 26 Jahre segensreich in hiesiger Stadt gewirkt.

Besigheim, 17. Juni. In hiesiger Ge­meinde wurden dieses Jahr 6525 Liter Mai­käfer abgcliefert und dafür 227 88 ^

ausbezahll (für je 20 Liter 70 ^f), Dieser Aufwand wird von der Amtspslege ersetzt.

Calw, 20. Juni. Am letzten Sonntag kam es hier unter Pforzheimer Arbeitern zu Streitigkeiten, welche sich auch auf der Heimfahrt im Eisenbahnzuge fortsetzten und damit ihren Abschluß fanden, baß einer der Raufbolde einen andern am Kopfe mit einem Taschenmesser derart verletzte, baß an seinem Aufkommen gezwetfclt wird. Die That ge­schah während des PasstercnS des Weißen- steiner Tunnels.

Wildberg, 17. Juni. In Effringen ist ein seltener Fall von Vergiftung vorgekom­men. Ein l'/r Jahre alles Kind wurde von seinen Ellern mit auf das Feld genom­men und dort im Grase niedergesetzt. Es fand unglücklicherweise eine Herbstzeitlose und von deren Samen, so daß sich alsbald Vergiftscrscheinung (Atemnot, Erbrechen rc.) einstellten. Dem herbeigerufcnen Arzte ge­lang es durch Eingabe von Gegenmitteln, das Kind zu retten. Der Fall möge zur Warnung dienen.

Kirchheim u. T., 18. Juni. Zum letz­tenmal? heute haben sich die Aktionäre der ehemaligen hiesigen Privateisenbabngesellschasl versammelt, um über die Verteilung des Ge­winnes ihrer Bahn zu beraten. Seit 1. Januar d. I. ist ja die Bahn verstaatlicht. Das Ergebnis des Betriebsjahres 1898 ist ein besonders erfreuliches, pro Aktie im Nenn­wert von 800 ^ konnten 140 also 17 '/r */, Dividende verteilt werden. Als Uebernahmspreis für die Aktie wurden schon pro 1. Jan. d. I. 1750 bezahlt und heute konnten weitere 56^ 50 Kapital­nachzahlung angewiesen werden; im ganzen kommt also die Aktie mit 225 Prozent zur Einlösung. Darüber herrschte begreiflicher­

weise große Freude, nur schade, daß das Vergnügen jetzt ein Ende hat.

Schwenningen, 19. Juni. Vorgestern nachmittag wurde der 71 Jahre alte Jakob Benzing, früher Rabenwirt von hier auf dem Marktplatz von einem mit 2 Pferden bespannten Fuhrwerk überfahre» uud am Kopfe derart verletzt, daß er noch am glei­chen Tage starb.

Hall, 19. Juni. (Konkurs Faulhaber.) Der Konkurs des evangel. Pfarrers Faul­haber (Haller Industrie*) hat 400 000 UebersLuldung ergeben. Faulhaber wurde wegen Verfehlung gegen die Konkursordnung in Untersuchung gezogen.

Friedrichshofen, 19. Juni. Wie ver­lautet, soll der Kaiser vom König von Würt­temberg zur Herbstjagd in Friedrichshofen eingeladen worden sein, welche sich an die Kaisermanöver anschließ^n dürfte. Um die­selbe Zeit wird auch der Aufstieg des Zeppe- linschen Luftballons erfolgen, welchem Schau­spiel die Majestäten und die GeneralstabS- osfiziere anwohnen werden.

Pforzheim. Das Gasthaus zum Schützen wurde an Herrn Mürrle, z. Z. im Deut­schen Kaiser hier, um die Summe von 104000 Mk. verkauft.

Pforzheim, 20. Juni. Vorgestern Vor­mittag schlug der Blitz in einen Neubau und einen Baustein, welcher mitten entzwei gerissen wurde. Ein danebenstehender Maurer mußte bewußtlos vom Platz getragen werden.

In der Grube Nordfeld bei Kaisers­lautern ging ein Sprengschuß verspätet los. Zwei Bergleute wurden sofort gelötet, ein Bergmann lebensgefährlich, 2 leichter verletzt.

Kehl, 18. Juni. (Eine neue Rede des GroßberzogS von Baden.) Bei der Ent­hüllung des Kriegerdenkmals in Dorf Kehl hielt der Großherzog von Baden in Erwide­rung auf die Festrede eine Ansprache, in der er folgendes auSführte:Da dies Denkmal auch die werten Erinnerungen an Kaiser Wilhelm den Großen in sich schließt, will ich auch in wenigen Worten von ihm sprechen. Ihm sei zu verdanken, waS die Armee ge­leistet hat, denn seit dem er ihr oberster Führer war, lag eS ihm immer nur allein daran, die Armee zu stärken und so auSzu- bilden, daß sie im stände sei, für die Kraft uud Macht Deutschlands einzutreten. Ihm verdanken wir den Geist, der die Armee er­füllte, ihm verdanken wir alles, waS die Führung des Heeres anging. Insofern sei es besonders wertvoll, daß man auch des Kaisers gedenke, denn ohne das Heer würde das, was wir erreicht haben, nicht zu stände gekommen sein. Nur der Sieg der Waffen habe es ermöglicht, daß wir heute alle das deutsche Kaiserreich feiern können." Der Großherzog schloß daran eine Ermahnung an die Väter, die Jugend in dem Sinne zu erziehen, daß der Geist nationaler Gesinnung in ihr lebendig bleibt.

Ein Zigeuner-Begräbnis. Aus Ber­lin berichten dortige Blätter: DaS Begräb­nis deS Zigeunerhauptmanns Bursoviar, zur Petermannschen Bande gesörig, hat am Montag Nachmittag unter ungeheurem Zu­lauf von Neugierigen aus allen Gesellschafts­klaffen in Neuendorf bei Potsdam stattge­funden. Im Garten des Kerkow'schen Lokals war der 65 Jahre alt gewordene Zigeuner seit Freitag aufgebahrt. Dorthin waren schon am Sonnabend und Sonntag ungezählte Menjchenmaffen gepilgert, die Mitglieder der

Zigeunerbande machten dabei ihr Geschäft, denn eS wurde für den Zutritt zur Leiche zehn Pfennig Eintrittsgeld erhoben; außer­dem verdienten die Zigeunerwctder aber durch Wahrsagen viel Geld. Dem Verstorbenen hat man Tinte, Feder und Papier mit in den Sarg gegeben,damit er, wenn er ein­mal Nachricht von sich geben wolle, alles Nötige vorfände.* Außerdem erhielt er ein Portemonnaie mit Geld,damit er nicht in Verlegenheit käme". DaS Gesicht de« Toten bedeckte ein gelber Schleier, seine Füße steckten in hohen gelben Stiefeln. Die Zigeu­ner halten zum ehrenvollen Grabgeleit ihres Häuptling« alles aufgeboten, während sie selber in den zerrissensten Kleidern dem Sarge folgten, wurde dieser auf einem Leichenwagen erster Klaffe gefahren. Er wies keinen Kranz­schmuck auf. Ein MufikkorpS eröffnet- den Leichenzug, dann folgten im vollen Ornat der karelische Pfarrer Jende aus Potsdam und mit dem Kruzifix der Meßner und die Chorknaben. Hinter dem Leichenwagen her schritten heulend und schreiend die Zigeuner. Die Töchter des Verstorbenen hatten sich zum Zeichen ihres Leids die Gesichter blutig gekratzt. Die Zigeuner mußten schon eine Stunde nach dem Begräbnis mit ihren Wagen den Ort verlassen.

Eineu Monat im Keller. Aus Warschau wird ein wahrhaft rührender Vor­fall berichtet:Ein 22jähriger Wahnsinniger Namens Heinrich Szlojewskt war hier einen ganzen Monat hindurch in einen Keller ein­gesperrt. Vor einem halben Jahre schon war er wahnsinnig geworden, aber erst vor einem Monat ging der Irrsinn in die Raserei über. Die Eltern des jungen Menschen wohnten im dritten Stock und fürchteten, daß er während eines Wahnsinns-Anfalls durchs Fenster hinabspringen werde. Sie sperrten ihn deshalb im Keller ein, der nur ein kleines Fenster auf die Straße hinaus hat. Bei dem Wahnsinnigen saß da im Keller feine Mutter, die ihn fortwährend bewachte, obwohl sie öfters während der Tob- suchtsansälle von ihrem Sohne geschlagen wurde. Sic liebte ihn aber dermaßen, daß sie ihn auf keinen Fall in ein Sanatorium abgeben wollte. Erst in den letzten Tagen kam der Kreisarzt mit Polizei und führte den Szlajewski in ein Krankenhaus ab."

Paris, 18. Juni. Der Eifelturm wird bekanntlich für die Weltausstellung von oben bis unten neu angestrichen, sodaß er mit Abstufungen oben in goldigem Schimmer er­strahlen soll. Mit dem Aufträgen der ersten Schicht ist man nun fertig. 60 Arbeiter waren dabei zwei Monate beschäftigt und verwendeten 50 Tonnen gelber Farbe. Mit der zweiten Schicht wird man im September beginnen.

Einen Berg aus Gold senden die Grubenbesitzer Colorados zur französischen Ausstellung. Er soll ein Modell von Colo­rados berühmten Pikely Peak sein und 1*/, Tonnen reinen Goldes enthalten. Der Roh­wert dieses GoldklnmpenS wird auf fünf Millionen Mark geschätzt.

Ein Angebot für den Hut LoubetS. Ein Amerikaner hat dem Präsidenten Loubet 2720 Dollars für seinen Hut, der in Au- teutl von dem Stocke Christianis beschädigt wurde, anbieten lassen. Im Elysöe-Palaste fand man daS so unverschämt, daß der Aankee nicht einmal einer Antwort gewürdigt wurde.