Rundschau.
Stuttgart, 3. Juni. Gütern abend ist >n einem Hause der Böblingerstraße ein 3jähr. Mädchen vom 2. Stock zum Fenster herausgefallen und hat sich hiebei am linken Ober, schenket einen Knochenbruch und an anderen Körperteilen leichtere Verletzungen zugezogen. Die Mutter des Kindes war zur kritischen Zeit im Zimmer anwesend.
Calw, 31. Mai. Die Vorbereitungen zu dem am 4. und 5. Juli stattfindenden Hauptfest des württb. Gustav Adols-VereinS werden aufs eifrigste betrieben; die Kommissionen sind in voller Thätigkeit. Bei dem bekannten kirchlichen und opferwilligen Sinn der hiesigen Bewohner dürfen die Fest- päste auf herzliche Aufnoha e hoffen. Die Beratungen der Delegierten staken im Ver- einShauS, die gesellige Unterhaltung in der Turnhalle und der Festgottesdienst in der Stadtkirche statt. Gesangsvorträge bietet der Kirchengesangvercin und der Liederkranz. Die Festpredigt hat Prälat Weitbrecht in Ulm (ein geborener Calwer) übernommen. Zu Ehren der Festgäste wird die auf der Nagoldbrücke stehende uralte NikolauSkapclle beleuchtet werden. Am Haupttag ist ein Ausflug nach Hirsau zur Besichtigung der Klosterruine geplant.
Tübingen, 4. Juni. Gestern mittag
12 Uhr fuhren die Kgl. Majestäten durch unsere Stadt nach Bebenhausen zu sechs- wöchentlichem Aufenhalt. Das zahlreiche Publikum bereitete den Majestäten eine lebhafte Ovation.
Tübingen, 3. Juni. Wie verlautet, hat die Frequenz der Universität sogar die höchsten Erwartungen übertroffen, denn es sollen sich die Frequenzziffern zwischen 1520 bis 1540 bewegen.
Gmünd, 3. Juni. Heute früh v run- glückte der Lehrling Sch. aus Wetßenstein bei Mechaniker Netzer dadurch, daß er bei dem Transport einer schweren Presse ausglilt. Die Presse fiel um und zerschmetterte dem bedauernswerten Jungen den Kopf. Sch. war sofort tot.
Aalen, 31. Mai. Ein hoffnungsvolles Früchtchen wurde gestern in der Person des
13 Jahre alten Sohnes des Schuhmachers Riek von Mögglingen verhasst und anS Amtsgericht Gmünd eingeliefert. Schon geraume Zeit wurden die Opfcrstöcke Mögg- lingens und der näheren Umgebung schonungslos ihres Inhaltes beraubt. Endlich gelang es, den Langfinger auf frischer Thal zu ertappen und steht derselbe, da ihm Diebstahl in ca. 20 Fällen zur Last gelegt wird, einer empfindliche» Strafe entgegen.
Tuttlingen, 3. Juni. Das 10jährige Mädchen Emilie Kaufmann ist gestern nachmittag beim Baden in der Donau ertrunken.
Schwenningen, 2. Juni. Einer hiesigen Mutter, welche gestern drei ihrer Kinder mit auf das Feld nahm, entlief in einem unbewachten Augenblick ein Knabe im Alter von 6 Jahren in den nahe gelegenen Wald und kam nicht mehr zurück. Bis spät in die Nacht hinein mit Unterstützung der Ortsbewohner wurde nach dem Kinde Vergeblichst gesucht, bis schließlich die fast zur Verzweiflung geratene Mutter in Erfahrung brachte, daß der Knabe in Gewahrsam des Herrn Bürgermeisters von Dürrheim (Baden) sich befindet. Der Knabe hatte sich im Walde Verirrt, wurde von einem badischen Gendar»
men angetroffen und dem Bürgermeister übergeben.
Schrözingen, 3. Juni. Ein schauerlicher Anblick bot sich gestern nacht dem Bahnwart Stapf, der auf der Lokalbahnhaltrstelle Brühl stationiert ist. Derselbe ging gegen 1 Uhr die Strecke ab und stieß dabei auf eine Leiche, die er er nach ihrer Besichtigung, als die seines 24 Jahre alten Sohnes erkennen mußte. Der Verunglückte war abends auf der Rheinau und ging von da der Bahn entlang nach Hause, wobei er ca. 150 Meter von seiner elterlichen Wohnung von einem Zuge erfaßt und überfahren wurde.
Pforzheim, 4. Juni. Am Fronleichnamsfeste fuhr ein Radfahrer von hier, namens Fischer, 32 Jahre alt und verheiratet, auf der Landstraße von Würm nach hier. Ur-terwegS begegneten ihm zwei neben einander fahrende Kmschen ohne Licht. An einer Biegung der Straße erfolgte ein Zusammenstoß, wobei der Radfahrer schwere innere Verletzungen erlitt, denen er gestern erlag.
Ettlingen, 1. Juni. Gestern mittag verunglückte ein Zögling des Lehrerseminars Ettlingen beim Radfahren derart, daß er nach mehreren qualvollen Stunden verschied. Er stieß, als er aus einem Hofe fuhr auf daS Hinterrad eines vorbeifahrenden mit Steinen beladenen Wagens, dessen ungeheure Last dem Unglücklichen Rippen, Lungen und Herz zermalmte. Die Augen waren aus ihren Höhlen getreten, während beide Augenlider gespalten waren. Der Verunglückte ist der Sohn des Hauptlehrers Manuwald von Jmpfingen.
— Glückliche Gewinner gesucht. Nicht weniger als elf Pferde sind von den 27 Hauptgewinnen der letztgezogenen Königsberger Pferdelotterie durch die Gewinner nicht reklamiert worden. Die Tiere sind daher öffentlich versteigert worden: die sich legitimierenden Losinhaber können die erzielten Geldbeträge bei der Lotteriekommisston in Königsberg i. Pr. in Empfang nehmen, natürlich abzüglich der Kosten für die bis zur Auktion erfolgte Verpflegung und Installierung der edlen Renner.
Mannheim, 1. Juni. Acht in der Unterstadt wohnende unbemittelte Leute haben mit einem Los der Braunschweiger Klassenlotterie, das sie zusammen spielten, den hübschen Betrag von 100 000 ^ gewonnen.
— 30 Meter weit geschleift. Am Don- nerstag abend entgleiste vor der Station Kiostergrab der letzte Wagen des Prager Personenzugs, stürzte um und wurde 30 m weit geschleift. Die darin befindlichen 15 Passagiere wurden leicht verletzt.
— Blutiger Kamps unter Zigeunern Eine furchtbare Zigeunerfchlacht wurde in unmittelbarer Nähe von Aurich zwischen zwei dort zusammenqetrvffenen größeren Banden geliefert. Messer, Säbel, Dolch, Gewehr und Revolver spielten hierbei eine gefährliche Nolle. Wie berichtet wird, waren die Parteien schon seit Jahren gegenseitig verfeindet, und bet dem nunmehr erfolgten Zusammenstoß wurde die alte Fehde zum Austrag ge- bracht. Männer, Frauen, Jünglinge und Greise beteiligten sich mit Messern und Dolchen an dem Kampfe. Später griff man zu den Schußwaffen. Drei Schwerverletzte, eine Frau — dieselbe ist mittlerweile verstorben — und zwei Männer muhten sofort ins Krankenhaus verbracht werden. Eine andere
Person erhielt einen Schuß durch die Lunge; einem Manne wurde ein Auge auSgeschossen, einem anderen der linke Arm zerschmettert. Außerdem .haben zahlzeiche Personen noch Streifschüsse und Stichwunden aufzuweisen. Ueberall zeigten große Blutlachen, mit welcher Erbitterung der Kampf geführt worden ist. Es wurden mehrere Verhaftungen vorgenommen.
Christburg Westpreußcn, 1. Juni. Die hiesige Dampsschneidemühle ist niedergebrannt, 1 Nachtwächter kam dabei umS Leben.
Smolensk, 1. Juni. In der Nähe der Ortschaft Snrokt ist bei der Ueberfahrt über den Dniepr eine Fähre mit 50 Personen versunken. 44 davon fanden den Tod in den Fluten, und nur 6 konnten durch ein herangekommenes Boot gerettet werden.
— Ein taubstummes Mädchen aus dem Dorfe Plennin bei Marlow hatte nach seiner Ausbildung in einer Taubstummenanstalt die Schneiderei erlernt, um sich künftig damit den Lebensunterhalt zu verdienen. Da eS blutarm ist und ihm die Mittel zur Anschaffung der für seinen Beruf so notwendigen Nähmaschine fehlten, wandte es sich vertrauensvoll mit der Bitte, ihr doch die Maschine zu schenken, an den Kaiser. Dieser Tage traf nun zur größten Freude des Mädchens und seiner Eltern wirklich eine prachtvolle Nähmaschine als Geschenk des Kaisers für die Taubstumme ein.
Verschiedenes.
— Ein Idyll von der Kleinbahn. Folgendes Gcschichtchen wird vom «Hoy. Wochenblatt" erzählt: Kommt da vor einigen Tagen eine Frau vom Lande mit ihrem noch nicht ein Jahr alten Jungen zum Bahnhof in U., um von dort nach M. zum guten Onkel zu reisen, der den kleinen Stammhalter doch auch mal sehen sollte. Mit dem Inhalt einer Milchflasche stillt sie den Durst deS Sprößlings, während eine zweite gefüllte Milchflasche auf dem Tisch im Wartesaal steht. Beim Abfahrtssignal steigt die glückliche Mutter rasch ein und der Zug setzt sich in Bewegung. Er rollte aber nicht lange, plötzlich bleibt er, durch eine Notbremse fest- gehalten, stehen. Der erschreckte Schaffner, ein Unglück fürchtend, schaut in die CoupeS und fragt auch die junge Mutter, ob sie an der Notleine gezogen habe. Die Frau bejaht daS. »Aber warum denn, was ist denn pafstrt?* „O, min gode Herr, ick hebb' up'n Bahnhof den tweeten Buddel för min'n Lültjen stahn laten, den mutt ick wedder hebben; holen Se man eben beten stille, ick will em Halen I" Al- der verdutzte Schaffner der Frau begreiflich machte, daß man die Notlnne nur im Falle der höchsten Gefahr für ein Menschenleben ziehen dürfe, bemerkte die junge Mutter: ,,Na, is denn min Lütjer keen Minsch un is dat keen Gefohr für't Leben, wenn he keene Melk hett?" — Nach kurzem Wortwechsel sah man den braven Schaffner nach dem Bahnhofe rennen, um den „Melkbbuddel" zu holen und rasch zurückkehren. Die Sache war in Ordnung und der Zug rollte dem braven Onkel in M. entgegen.
— Der waschecht gefärbte Leutnant. Unter diesem Titel erzählt das „Neue Wiener Journal" das folgende, wahrscheinlich „gut erfundene" Geschichtchen: Ein junger rnsst- scher Leutnant wurde unlängst der Held eines sehr eigentümlichen Abenteuers. Per junge