Um Glanz und Ruhm.
Novelle von F. Sutan.
(Nachdruck verboten.)
27.
Dort hatte ste so süß geträumt, von einem Wiedersehn mit Benno, dort war ihr die Lebenshoffnung von Neuem erblüht'
Jeden kommenden Tag hat ste voll froher Erwartung begrüßt und so fest an Bennos Liebe und Treue geglaubt, an ein endliches Glück für ste beide: und nun sollte ste hier in diesem trauten Raum die bitterste Stunde ihres Lebens durchkämpfen.
So lange der Mensch noch hoffen kann, ist er nicht ganz glück- und freudelos. Die Stunde aber, die in seinem Innern alles Hoffen erloschen läßt, die macht ihn elend. In solcher Stunde, da dünkt uns der milde Sonnenstrahl wie bitterer Hohn, da wenden wir uns scheu hinweg von fröhlichen Menschenstimmen, von Allem, was schön und froh und glücklich ist —
Und in doS kleine Gemach da flutete die Helle Frühlingssonne hinein, durch die geöffneten Fenster schallten jauchzende Kinderstimmen zu Hildegard herauf, und jetzt stimmten die Pensionärinnen nebenan mit Hellen Stimmen ein Frühlingslied an.
„War es denn Frühling, konnte es denn Frühling sein? Hildegard schaute mit trüben Blicken um sich. Ja, vort auf dem Fensterbrett in dem kleinen roten Glase stand ein Veilchen strauß, den hatte der kleine Karl heute früh der lieben Tante als Morgengruß gebracht. — Heute srühl Es war ihr, als wären die Stunden, die dazwischen lagen, zu langen Jahren geworden. Heute früh da hatte aus dem kleinen Toilettenspiegel noch ein glückliches Menschenanllitz ihr entgegengelacht, da harte ste den blauen sonnigen Frühlingshimmel mit strahlenden Blicken gegrüßt, wohl selbst ein Liedchen leise vor sich hingesummt. Und nun war alle Hoffnung dahin.
„Fort, nur fort!" stöhnte sie, die Welt war zu licht und sonnig hier. Mit einem Gefühl der Erleichterung dachte ste daran, daß sie morgen um diese Stunde schon in Waldselde sein könnte. Dort war Alles düster und still, keine fröhliche Menschenstimme würde in ihren Gram hinein klingen. Sie wird ganz allein sein mit ihrem Leid.
Mit fast fieberhafter Hast begann Hildegard ihre Sachen zu packen. Morgen in aller Frühe gedachte ste die Heimreise anzu- trcten; und so öde dieses Heim in Wald- feldr auch war, jetzt empfand ste eS doch alS «ine Wohlthat, diese Zufluchtstälte noch zu haben.
Wie tief ermattet sank sie, als sie ihre wenigen Habseligketten zusammenqepackt, auf einen Stuhl- So saß ste lange Stunden, wie es so oft bei heftigen selischen Erschütterungen der Fall ist, sich die geringste Kleinigkeit ihrer Umgebung tief einprägend: Die verschlungenen Arabesken der einfachen Tapete d«S Zimmer-, die bunten Cattunvorhänge am Fenster, das rote GlaS mit den Veilchen darin, alle diese unbedeutenden Dinge standen noch nach Jahren in fabelhafter Deutlichkeit vor ihren Blicken. Ebenso vermochte ste die Melodie des FrühlingslicdeS, das die jungen Mädchen nebenan gesungen, nie zu vergessen.
Mit leisen Schritten trat jetzt Luise in das Zimmer.
„Du willst fort?" fragteste traurig,als ste den gepackten Koffer erblickte.
Hildegard wandte ihr da« blasse vom Gram zerwühlte Antlitz zu.
,Nie hätte ich gedacht, daß eine Stunde kommen könnte, wo ich mich nach Waldfelde zurücksehnen würde, als wäre eS die einzige Zufluchtsstätte meines zerstörten Lebens*.
Luise legte sanft die Arme um ste. „Ich kenne solche Stunden", sagt« sie, „ich habe ste durchgekämpft mit Gottes Hilfe."
„Du warst nicht ganz verlassen, Du hattest immer noch Dein Kind, aber ich — ich — vor meinem Vater graut mir I — Ich bin ganz vereinsamt.
„Wenn alles Glück und alles Hoffen uns verläßt, kann man immer noch gut sein und die Menschen lieben", sagte Luise einfach.
Hildegard sah sie mit großen Augen an. „Gut sein und die Menschen lieben," widerholte sie leise, — und auch dieses Wort grub sich unauslöschlich ein in ihrem Innern.
Wie ein leiser Mahnruf tönte eS an ihr Ohr auf ihrer traurigen Heimfahrt am nächsten Tag.
Es ist ein eigen Ding um eine solche Fahrt durch eine frühlingsschöne Welt mit totwundem Herzen. All die Schönheit, das Blühen und Werden, ste thut einem fast weh, es ist, als hätte man keinen Teil mehr an der schönen fröhlichen Welt. — Auch Hildegard, wie ste so dahin fuhr, an Wald und Feld, an Städten und Dörfern vorüber, erschien sich wie ein längst von dieser Welt abgeschiedener Geist, den die Sehnsucht nach teuren geliebten Menschen noch einmal dahin zurückgetrieben, um dort die bittere Erfahrung zu machen, daß man ihn längst vergessen.
Es war Nacht, als Hildegard ihr ödes Heim wieder erreicht halte. Wie ein düsteres Geheimnis lag das alte Herrenhaus vor ihr; alle Fenster waren Dunkel, nur aus einem fiel ein matter Lichtschein; dort war das Zimmer ihres Vaters. Der alte General mochte noch wach sein und sein Geld zählen, wie er das oft in stillen Nachtstunden that.
Wie leises Grauen beschlich es Hildegard, als ste nach dem Fenster emporblickte.
Ein verschlafenes Dienstmädchen, das durch das Rollen des Wagens wach geworden, öffnete jetzt die HauSthür.
Hildegard befahl ihr, ihren Koffer in das HauS zu tragen, dann lohnte ste den Kutscher ab, der sein Gefährt nach dem nahen Gasthaus brachte, undjtrat nun in das Haus, ihr Zimmer aufzusuchen. Sie atmete wie erleichtert auf, als sie das Asyl erreicht. Draußen in den alten Bäumen des Parkes, nach welchem die Fenster ihres Zimmers hinausgingen, brauste der Frühlingssturm, diese wilden Stimmen der Natur waren die einzigen, die ihr ein Willkommen zuriefen, ein schaurig wildes Willkommen. Wie die Bäume vraußen sich neigten, wie eS in den dürren Aesten knackte.
Hildegard halte das Fenster geöffnet und schaute hinaus in die Slurmnacht. — Sang und klang das nicht da draußen wie von einer urewigen Kraft, die da« Weltall belebt und erschüttert, vor welche die Menschen nnd ihr Geschick in ein nichts zerstieben, — mag ihr Leben nun in Glück und Freude, mag
eS in Trauer und Kummer dahin fließen! Einst kommt das Ende aller Dinge hier auf Erden und kein Menschenlos ist ewig. — (Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— „Das Neue Blatt" (Verlag von A. H. Payne, Leipzig, Preis pro Quartal 1 Mark 60 Pfg.) ist unstreitig in der Masse illustrierter belletristischer Liltereatur ein Blatt, das sich mit zu einer der ersten Erscheinungen emporgeschwungen hat. Mit alle Zeit regem Interesse für alle Tagesfragen, welche die Gemüter bewegen, versteht es die Redaction vortrefflich, das Interesse in jeder Nummer wachzuerhalten. Spannende größere Novellen und kleinere Erzählungen sind es, die mit sorgfältigst ausgewählten populär wissenschaftlichen und anderen interessanten Artikeln abwechseln, immer in streng sittlicher Haltung. Gewerbe und Industrie, Kunst und Geschichte Hausfrauenfragen und Kochkunst und noch vieles Andere kommt neben größeren Artikeln in vielen kleinen stehenden Rubriken, die eine Spezialität des Neuen Blattes sind, zur vollen Geltung. Und dabei kann sich Jedermann sein Jahresabonnement leicht verdiene», denn in jeder Nummer werden die verschiedensten Preisfragen aufgestellt, für deren Lösung Geldpreise geboten werden. Allmonatlich liegt auch noch eine brillant auS- gestattele Modenummer bei, die gewiß allen Hausfrauen willkommen ist. So sei denn allen Freunden einer in jeder Hinsicht gediegenen Lektüre „Das Neue Blatt" bestens empfohlen.
— Verkiimpfte Hirsche. Aus der Nominier Heide erzählt ein Mitarbeiter von „Wild und Hund" von »erkämpften Hirschen: Ein Kampf zwischen zwei Hirschen — wohl im Scherz begonnen — haue einen traurigen AuSgang genommen. Die Augen- und Eissprossen des einen Hirsches hatten sich unter die Rosen des andern durchgeschoben und dort festgeklemmt, zugleich hatten von jedem Geweih die Mittelsprossen der rechten resp. linken Stange die Stange des Gegners umfaßt und so eine nicht lösbare Verbindung geschaffen. Beim Nachspüren fand sich, daß die beiden Kämpen bei dem Hin- und Herschieben in ein Stubbenloch geraten waren; hier ist der eine derselben wohl zu Fall gekommen, so daß es dem andern Hirsch gelang, dem Gegner das Genick abzudrchen; der überlebende hatte von dort aus den verendeten etwa 150 Meter weit auf eine Wiese hinausgezogen. Nach dem Zustande des verendeten Hirsches mußte der Kampf vor etwa 48 Stunden stattgefundcn haben. Versuche, die Geweihe zu lösen, mißlangen, da einerseits die Hirsche zu fest in einander geraten waren, andererseits der überlebende jeden Menschen bei seiner Annäherung anzunehmen versuchte. Nachdem noch der Maler Max Hünten-Düsseldors die seltene Gelegenheit zur Anfertigung einer Skizze benutzt hatte, wurde der Hirsch von seiner Angst und Qual durch eine gute Kugel schnell erlöst.
(Kindermund.) Reisender: „Nun, mein lieber Herr, wie steht es denn heule mit der Zahlungsbereitschast?' — Kaufmann : „Ich muß diesmal dringend um 14 Tage Stundung bitten". — Reisender: „Ja werden Sie dann zahlen können?" — Der kleine Fritz: „In 14 Tagen sind wir schon in Amerika."
Ar-akiton, Druck und Verlag »«» Beruh. Hsfmaun in Mlhhad,