Um Glanz und Ruhm.
Novelle von F. Sutan.
(Nachdruck verboten.)
19.
Ach, die Stimme mußte verklingen, sie durfte ihr nicht folgen; ihr Leben war fortan an das der blinden Mutter gekettet.
„Ich bleibe bei Dir, Mama, nie werde ich Dich verlassen", sagte sie, während heiße Thränen über ihre Wangen strömten. Mit diesen Worten, sie ahnte es, sprach sie das Vernichtungsurteil über ihre Liebe- — Wenn Benno kam und sie folgte ihm nicht, dann kam er schwerlich ,,um zweiten Mal. — Sie kannte feineu Stolz, und Bitten und Flehen war seine Sache eben nicht.
11 .
Zwei Monate sind vergangen, seit man die irdische Hülle Georg von Dahlbergs in die Gruft gesenkt hat. Auf seinem Grabe blüht und duftet em reicher Blumenflor und an jedem Abend da grüßen die letzten Sonnenstrahlen, die sich durch die dichtbelaubten Bäume des stillen Friedhofs brechen, die junge Wittwe am Grabe des heißgeliebten Mannes.
Ob sein Geist aus fernen Weiten sehnend herniederschaut auf die liebliche Fra», oder ob die Erde und alles Gedenken daran für ihn in ewige Nacht versunken, wer weiß es, wer kann es sagen.
Still und klaglos hat sich die junge Wittwe in die neuen traurigen Verhältnisse gefunden, und mit dem ihr eigenen praktischen Sinn hat sie sich sehr bald einen Wirkungskreis zu schaffen gewußt. Ihr Schicksal halte allgemeine Teilnahme in der Stadt erregt und gern stand man ihr mit Rat und Thai zur Seite, als sie nach einigen Wochen eine sogenannte Vorschule errichtete, in welcher sie Kindern den ersten Unterricht erteilte. Die ersten Familien der Stadt schicklen ihre Kinder zu ihr, und außer dem für die damalige Zeit sehr reichlichem Schulgeld, welches monatlich bezahlt wurde, wurde ihr auch noch manche freundliche Gabe an Lebensmitteln in's HauS gesandt, ihre Speisekammer zu versorgen. So gestaltete sich das Leben Luisens bei ihren geringen Bedürfnissen sorgloser und behaglicher, als sie wohl anfangs gedacht. Dabei gedieh ihr kleiner Karl prächtig und war ihres einsamen Herzens ganze Wonne. Waren die Schulstunden vorüber, so war es ihre süßeste Erholung, mit dem Kinde einige Zeit zu vertändeln. So saß sie auch heute, den jauchzenden Kleinen auf dem Schooße, in ihrem sauberen freundlichen Stübchen. Die K>nderschaar, welche sie soeben verlassen, trippelte die stille Straße unten entlang. Ein schwerfälliger Reift- waqen, der jetzt über das holprige Pflaster rasselte, erregte das größte Interesse der kleinen Gesellschaft; neugierig betrachteten sie diese für die kleine Stadt ziemlich auffällige Erscheinung und kehrten dann sämtlich w e- der um, dem Wagen das Geleit zu geben.
Auch Luise war schon Kleinstädterin genug, um auf das Wagengerasftl zu lauschen und vom Fenster aus auf die Straße hin unter zu spähen.
Die alle gelbe Kutsche kam ihr so wunderbar bekannt vor und ließ Erinnerungen ig werden, an einen längst vergangenen Tag, an welchen sich viele Hoffnungen tt, wovon keine sich erfüllt Halle. ES
war der Tag gewesen, an welchem ihr kleiner Karl getauft, wo eben solch Gefährt vor ihrer Hausthür gehalten. Wie lebhaft dieser Tag vor ihre Seele trat I Sie sah Georg strahlenden Gesichts die Treppen herunter eilen, siine Eltern und Hildegard zu empfangen. Ach, er hatte soviel g hofft damals von diesem Wiedersehen und wie bitter war er getäuscht norden. — Und da hielt sie richtig wieder vor ihrem Hause, die alte Kutsche und heraus kletterte ihr Schwiegervater, der General von Dahlberg.
Luise blieb wie erstarrt am Fenster stehen. Sie hörte den gewuchtigen Schritt des alte» Herrn auf der Treppe; dann sein Klopfen an der Thür und nun stand er mitten in d m kleinen, freundlichen Zimmer, sich verwundert darin umschauend. Er hatte vermutet, Luise in Armut und Dürftigkeit zu finden, aber hier schien alles behaglicher und eleganter wie Waldfelde. Blumen dufteten am Fenster, ein Kanarienvogel schmetterte fröhlich in dem Hellen Sonnenschein und in dieser freundlichen Umgebung da stand die blühende junge Frau, im langen schwarzen Trauergewand, auf den Armen ein bildschönes Kind haltend, das wie im plötzlichen Schreck beide Arme r m den Hals der Mutter g schlungcn, und das Köpfchen dicht an ihre weiche Wange gelehnt hatte.
„Ich komme, Euch zu holen", sagte der General nach der ersten Begrüßung. „Du hast meine Bitte, mit meinem Enkelkind nach Waldfelde zu kommen, unberücksichtigt gelassen. Nun bin ich selbst gekommen, Euch gleich in meinem Wagen mi'zunehmen. Denn mein Enkel und Erbe soll unter meinen Augen, in dem Hause seiner Väter aufwochsen."
„Wir können Dir nicht folgen, niemals!" erwiederte Luise mit fester Stimme. „Denn Georgens letzte Worte waren: Geht nicht nach Waldfeldei Und die letzten Worte eines Sterbenden, den man so heiß geliebt, sind heilig."
„Unsinn!" rief der General, „sitzt gilt allein mein Wort! Ich bin das Ode« Haupt dir Familie, mir habt ihr zu folgen I" Er streckte die Arme noch dem Kinde auS. „Nicht wahr, Du gehst mit Deinem Großvater", sagte er mit fast weicher Stimme. Aber dos Kind klammerte sich nur fister an seine Mutier, den fremden Mann mit großen scheuen Augen anstarrend.
„Er müßte seines Vaters Kind nicht sein, wenn er Dir folgen würde I" sagte Luise. „Noch hat er ja kein Verständnis dafür, aber einst wird er es verstehen lernen, an wessen Härte seines Vaters Leben zu Grunde gehen mußte. — Wie hat mein armer Mann von Tag zu Tag auf eine Unterstützung von Dir g hofft, und als ich ihm sagen mußte, daß n chts zu erwarten sei, als ihm der letzte Rest der Hoffnung schwinden mußte, da schwand auch seine Lebenskraft." — Die dunklen Augen der jungen Frau flammten auf. — »Das Alles soll mein Sohn hier einst erfahren! Dann versuche es, ihn nach Waldfelde zu bringen I"
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— El» Iagdstllckchen wird aus einem in der Nähe von Höchst liegenden Orte berichtet. Dort erboste sich die Gattin eines NimmrodS üvcr dessen Jagdleidenschaft neulich derart, daß sie bei der etwas verspäteten Heimkehr des ManncS, nachdem sie ihm zu
erst eine gehörige Gardinenpredigt gehalten, schließlich in Heller Wut die Jagdtasche ergriff und in den geheizten Ofen steckte. Bald darauf knallte aber Schuß auf Schuß, und binnen wenigen Augenblicken war der Oien infolge der Explosion von zwölf Patronen ein Trümmerhaufen; Rauch und Kohlengase, sow e Pulverdampf erfüllten die Luft, ohne daß die geängstigte Frau ungeschehen machen konnte, was sie in ihrer blinden Wut selbst heroufdcschworen. Mit Seelenruhe schaute der Gemahl diesem Vorgang zu, und als das Doppelgewitier ausgetobt, griff er nochmal! zu seiner Jagdmütze und rollte von dan icn, seiner verblüfft dastehenden Frau zurufend: „So nun gehe ich grab' noch einmal zu meinen Jagdgenossen, um zu erzählen, was Du angerichtet I" — und wenige Augenblick: später saß er wieder an der kaum verlassenen Tafelrunde. — Auch in der Nähe von Höchst scheint das Jägerlatein nicht unbekannt zu sein!
— Der Titel Schulmeister ist nach einem richterlichen Erkenntnis eine Beleidigung. I» einer welstfchen Versammlung in Dedensen wurde von einem Redner ausgefühn, daß die Schulmeister des Wahlkreises sich sehr sür die Kompromiß-Kandidatur der Nationalliberalen und Bündler zu interessieren schienen. Der anwesende Lehrer Wühler erstattete darauf Anzeige wegen Beleidigung und erzielte vor dem Schöffengericht die Verurteilung des wklflschen Redners zu 80 ^ Geldstrafe. Die Berufung gegen das Urteil wurde vom Landgericht in Hannover zurnck- gkwicsen, mit der Begründung, daß das Woi l „Schulmeist-r", gleichviel in welchem Zusammenhänge, in öffentlicher Versammlung gebraucht, eine Beleidigung sei, da es verletzend auf den Lehrer wirken müsse, der gewohnt sei, „Herr Lehrer" und nicht „Herr Schulmeister" angeredet zu wer en.
— Die Anzahl der Sprachen auf der Erde wird neuerdings von einem französischen Geographen auf 860 und 5000 Dialekten angegeben. Auf Europa rechnet der Gelehrte 89 v.rschiedene Sprachen, aus Afrika 114, auf Asien 123, auf Amerika 407 und die übrig?» 117 Sprachen aus Spanien.
— In 33 Tage» um die Welt. Wie der russische Minister des Verkehrswesens, Fürst Chilkow, in der Versammlung der inte-nationalen Eisenbahnvcrwallungen erklärte, wird man noch Vollendung der sibi» rischen Bahn in 33 Tagen um die Well reisen können. Fürst Chilkow legt seiner Behauptung folgende Berechnung zu Grunde: Von Bremen nach St. Petcrsdur per Balm 1'/- Tage, von St. Petersburg nach Wladiwostok per Bahn mit einer Geschwindigkeit von 48 Kilometern in der Stunde 10 Tage, von Wladiwostok nach San Francisco über den stillen Ocean 10 Tage, vvn San Fran- ciskn nach New Aork 4P, Tage, von New- yo>l nach Bremen 7 Tage, zusammen also 33 Tage. Gegenwärtig schätzt mandieküi- zeste Zeitdauer zu einer Reise um die Erde wie toigt: Von New Jork nach Southampton 6 Tage, von Southampton nach Brindisi übe- Paris 3 Pr Tage, von Brindisi nach Jokrhama durch den Suezkanal 42 Tage, von Jokohama nach San-FranciSco 10 Tage, von San Fraicisla nach Nw-Aork 4P- Tage, zusammen 66 Tage, also genau die doppelte Zeit.
hte-aktivn, Druck und Verla- von Bern h. Hosamn» in Wildhad.