R s n d s ch a u.

Wilddad, 23. Jan. (Hirtenbrief.) In sämtlichen katholischen Kirchen des Landes wurde am gestrigen 3. Sonntag nach Epiph. der erste Hirtenbrief des neuen Bischofs Dr. Paulus Wilhelm v. Kcppler zur Verlesung gebracht. Der Brief knüpft an die Worte des Apostel Paulus (des NamenSpatronS des Bischofs) aus seinem Sendschreiben an die Kolosser:Vor allem habet die Liebe, denn das ist das Band der Vollkommenheit" an.

Freudenstadt, 19. Jan. Welchen enormen Schaden die orkanartigen Stürme angerichtet haben, läßt sich erst jetzt immer deutlicher übersehen. In dem Stadt- und StaatS- wald um Freudenstadt sind es über 10 000 Festmcter, die der Sturmwind zusammen­knickte. Manchem Waldbesttzer liegen 500 bis 600 Festmcter am Boden, darunter zum Teil Holländer, die förmlich abgedreht wurden, manche Stämme wurden in halber Höhe, einem Zündhölzchen gleich, abgebrochen.

Ein Unglück kommt selten allein. Am Dienstag starb dem Johann Fritsch in Bräunlingen bei Donaucschingen die 13jährige Tochter an Hirnhautentzündung. Wenige Stunden später brachte man den 17jährigen Sohn als Sterbenden heim. Es waren ihm vom Eisenbahnzuge beide Beine abgefahren worden. Der junge Mann starb in der folgenden Nacht.

Hornberg, 18. Jan. Vorgestern abend kam hier im Gasthaus zum Mohren folgender Kauf zu Stande. Bäckermeister I. Wöhrle hier bot dem Bauern Jakob Maer im be­nachbarten Reichenbach auf dessen Hofgut folgenden Betrag: Für die erste Thür des Hauses 1 Pfennig, für jede weitere Thür jedesmal den doppelten Betrag und erhielt dasselbe zugeschlagen. Nun soll der Bauern­hof 37 Lhüren zählen; mit der 23. Thüre wäre derselbe indessen genügend bezahlt ge­wesen, so kommt er aber nahezu auf 700 Millionen. Den Käufer soll der Kauf be­reits gereut haben; der Verkäufer verlangt aber 5000 Reukauf.

Mosbach, 18. Jan. Einer Blutvergift­ung erlegen ist die Tochter des Geheimen Hofrat Wolf. Mit einer Scheere hatte sie sich vor einigen Tagen eine unbedeutende Ver­letzung zugezogen, der sie keine Bedeutung beilegte. Da ganz unerwartet wurde die Wunde bösartig, und bald wareine so akute Blutvergiftung eingetreten, daßeine Rettung der Patientin nicht mehr möglich war.

Pforzheim, 20. Jan. Gestern Vormit­tag wurde die Aborlgrubc auf der westlichen Seile des Bahnhofs dahier entleert und da wurde ein neugeborenes Kind, als der Abort­wagen auf dem Felde entleert wurde, gefun­den. Daö Nähere wird sich durch die Un­tersuchung ergeben.

Mülheim a. Rh., 19. Jan. Ein Irr- sinniger feuerte einen Revolverschuß aus dem Fenster seiner Wohnung auf einen ahnungs­los die Straße passierenden Familienvater ad. Der Letztere brach tot zusammen.

Auf der Kanzel gestorben ist der katholische Pfarrer Dechaut Trippe in Bigge.

Wenn doppelt genäht gut hält, dann muß ein Ehepaar in Wcinheim sehr glück­lich werden. Vor zwei Jahren wurde die Tochter des Bürgermeisters Helfcrich mit ihrem Geliebten getraut. Jüngst stellte es sich heraus, daß in den Standesamtsakten stber dir Trauung rin Formfehler sich

cingeschlichen hatte. Dadurch war die Ehe ungültig und nun wurde vor einigen Tagen eine neue Trauung vorgenommen.

'In Augsburg tanzte SamSlag nachts in einer Wirtschaft in der Wertachvvrstadt ein junger Bursche denSchuhplattler" und stieß dabei seiner Tänzerin mit den Schuh­spitzen das linke aus.

Der älteste Geistliche Deutschlands ist Kirchearat Dr. Löwe in Rasephas in Tdüringen. Er ist 95 Jahre alt, ist aber so rüstig, daß er noch als Pfarrer wirken kann-

Begnadigung. Nach Verbüßung einer Zuchthausstrafe von nahezu dreißig Jahren ist dieser Tage der Sträfling DuSzinSki vom Kaiser begnadigt und sofort aus der Straf­anstalt in Graudcnz entlassen worden. Dus- zinSki war seinerzeit vom Schwurgericht in Schneidemühl wegen Mordes zum Tode ver­urteilt, dann aber zu lebenslänglicher Zucht­hausstrafe begnadigt worden. Auf Grund seiner vorzüglichen Führung während seiner langen Strafzeit ist ihm die volle Freiheit geschenkt worden. Er wurde vor dreißig Jahren als LOjährigcr junger Mann Ver­urteilt und ist also jetzt etwa 50 Jahre alt.

Berlin, 20. Jan. Eine nicht unbe­deutende Ermäßigung des GülertarifS, die im wesentlichen den landwirtschaftlichen Erzeug­nissen zugute kommen wird, soll am 1. April auf allen deutschen B hnen in Kraft treten. Danach sollen von diesem Zeitpunkte ab But­ler, alle Gartenfrüchte und Gemüse, sowie geräucherte Fische unter Beförderung als Eil­gut zum Frachtgütertarif berechnet werden, was bei gleicher Schnelligkeit der Beförder­ung eine Herabsetzung der Fracht um die Hälfte bedeutet. Es sollen fortan vom diesem Zeitpunkte ab sämtliche Futtermittel (ein­schließlich Kleie) nach Spezialtarif 3 gefahren werden, was für diese Futtermitttel eine rech­nungsmäßige Ermäßigung von 1 500 000 Mark bedeutet.

Die größte Stadt Deutschlands ist nicht mehr Berlin, sondern München. Berlin hat nach dem statistischen Ausweis einen Flächeninhalt von 60 Quadratkilometern. Nachdem kürzlich der Stadt München die Gemeinde Nymphenburg einverleibt worden ist, besitzt nun München eine Größe von 70 Quadratkilometern Flächeninhalt. Berlin ist also von München um 10 Quadratkilometer überflügelt worden.

Oldenburg, 19. Jan. Mittels Einbruchs stahlen unbekannte Diebe dem Uhrmacher LuehrS 200 goldene und silberne Taschen­uhren.

Aufregende Szenen bei einem Be­gräbnis. Auf dem Friedhose in Laibach spielten sich am Montag nachmittag aufreg­ende Szenen beim Begräbnisse des AmtS- dlenerS Andreas Udermann ab, da es hieß, er werde lebendig begraben. Udermann war Freitag nachts plötzlich gestorben. Morgens fand man ihn tot im Bette. Der Toten­wächter hatte den ganzen Tag über kein Le­benszeichen bemerkt. Einige Augenblicke vor dem Begräbnisse kam ein altes Weib, um den Toten zu besprengen. Kaum hatte sie ihn erblickt, so schrie sie den Schrei aus: Er lebt ja, er hat sich gar nicht verändert, die Lippen sind noch rot I" Sofort eilten einige Leute herbei, um dem im Sarge Lieg­enden den Kopf zu schütteln und an den Händen zu reißen und dadurch den Schein­toten zum Leben zn bringen. Mittlerweile

kam die Geistlichkeit; ein Arzt, der zur Kon­statierung des Thatbestandes herbcigebolt wor­den war, verspätete sich. Der Leichenzug hatte sich unterdessen schon nach dem Friedhafe in St. Christoph bewegt. Als die Gebete ge­sprochen waren und man den Sarg versenken wollte, wiedersetzte sich die Menge und rief: Nicht in das Grab, sondern in die Toten­kammerl Man sagt, daß er noch lebt I" Die Behörde entsendete eine Kommission. Alles drängle sich zur Totenkammer, um das Auf­erstehen des Totgeglaubten zu sehen. Erst als die Kommission unzweifelhaft konstatiert hatte, daß der im Sarg Liegende tot sei, be­ruhigte sich die Menge einigermaßen und der Leichnam konnte der Erde übergeben werden. Die Leute, die sich vor dem Begräbnisse beim Leichnam zu schassen gemacht harten, werden sich vor Gericht zu verantworten haben.

Kamps mit einem Hirsch. Dieser Tage kam, wie dasVoralberger Bolksbiatt" erzählt, Herr Dr. Fcöwis von Hittisau auf dem Wege zu einem Patienten nach Stbrals- gsäll in eine fatale Lage. Auf der Grenze von Sausteig nach Kriencgg sprang ein großer Hirsch (Zwölfender) der Straße zu, wurde aber von einem Hunde des Doktors in den Graben gesprengt. Dr. Fröwis trieb den Hund weg. Da stürzte der Hirsch gegen den Doktor und stieß mit dem Geweih auf ihn los. ES folgte nun ein Kampf auf Leben und Tod zwischen dem Doklor und dem Hirsch, doch kam Hilfe durch einige Männer, welche den Hirsch mit Axchieben totschlugen und so Herrn Dr. Fröwis aus seiner ge­fährlichen Lage befreiten.

Eine nette Gattin! Die Gutsbe­sitzerin Rakowska in Bohorodczany übergoß ihren schlafenden Mann mit Petroleum und zündele dasselbe an, wodurch der Mann ver­brannte. Die Mörderin wurde verhaftet.

Von der Hungersnot in Rußland. Wie aus Petersburg gemeldet wird, herrscht unter den Tataren in Rostow am Don fort- gesetzt eine jeder Beschreibung spottende Not. Hunderte halbverhungerter und zum Skelett abgemagerter Gestalten wanken auf den Stra. ßen umher und sind teilweise nicht mehr im­stande, auszustehen. In elenden Kellerwohn­ungen, auf feuchtem Heu, hocken oft 15 und mehr Frauen, Männer und Kinder zusam­men. Brot ist gar nicht vorhanden, und Wasser muß gekauft oder vier Werst wett aus dem Don geholt werden. Ein Augen­zeuge aus jenen Gegenden schildert in den furchtbarsten Farben das Elend dieser Aerm- sten, die ohne jeglichen Verdienst und Hilfe verkommen müssen.

Eine halbe Million im Abzugs- kanal gefunden, hat, wie aus Paris geschrie­ben wird, ein dortiger Kanalisationsarbeiier. Die 600 Tausendfrancsscheine waren inZei- tungpapier verpackt und müssen wohl von Dieben aus Angst vor Entdeckung in den Kanal geworfen worden sein.

Das Einkommen des amerikanischen Petroleumwucherers Rockefeller betrug im

Vorjahre 85 Mill. Mark. Sein Gesamt­vermögen beträgt 1300 Millionen. Auf 40 bis 50 Millionen ab und zv kann er es selbst nicht genau sagen. Rockefeller war einst Buchhalter mil 200 ^Monatsgehalt. Jetzt ist er so reich wie die Astors, Vander- Vitts und Gould zusammengenommen und unnahbarer als der Kaiser von China.