Gin Schlaukopf.

Humoreske aus dem amerikanischen Gold- gräberleden.

Von Walther Starkmann.

(Nachdruck verboten.)

1.

Im VIrginia-DistrIctr, einem der Gold­gräber-Bezirke des westlichen Montana, waren endlich bessere Verhältnisse eingetreten. Eine Zeit lang schienen die Mörder, Straßen­räuber, falschen Spieler und sonstigen Schufte fast die Oberhand über die Behörden und den ehrlichen Teil der Minerschaft gewonnen zu haben, aber die Herrlichkeit derDespe­rados" nahm schließlich einEnde mitSchrecken. Aus den besseren Elementen der Goldgräber bildeten sich Vigilanz- oder Stcherheitsaus- schüsse, welche ollen Districtsbewohnern, die bei einem Verbrechen wider Leben und Eigen­tum Anderer ertappt worden waren oder die sich sonstwielästig" gemacht hatten, un­barmherzig auf den Leib rückten. Nach einem höchst summarischen Gerichtsverfahren wur­den die Malefikanten vonVigilanzern" ge­wöhnlich verurteilt, so langeam Halse ge­hangen zu werden, bis sie tot seien," und stets wurde das Urteil des freiwilligen Ge­richtshofes von seinen Beisitzern selber in promptester Weise ausgeführt, die hohe Obrig­keit aber drückte zu solchen Acten der bürger­lichen Selbsthilfe stillschweigend ein Auge zu.

Die Konsequenz in diesem Verfahren ver­fehlte seine Wirkung nicht, und die frag­würdigen Gentlemen, die bislang zum Schre­cken und zur Entrüstung aller ehrlichen und fleißigen Miner ihr Unwesen im County ge­trieben hatten, zogen es allmählich vor, andere Gegenden mit ihrer Anwesenheit zu beglücken. Indessen, so ganz und gar kam trotzdem noch nicht Alles gleich ins rechte Geleise, hin und wider ereignete eS sich, daß kleine Prügeleien mit den obligaten Revolverschieße­reien stattfanden, daß dem Zelte dieses oder jenes Miners ein nächtlicher Besuch abge­stattet wurde, und was dergleichen Scherze mehr waren. Da war es denn ganz gut, daß auchMeister und Lynch" auf seine Thätigkeit noch nicht völlig verzichtet hatte. Wohl gab eS die Sicherheitsausschüsse nickt mehr, dafür existierte jedoch der Sheriff Flattcher, ein alter, würdiger Herr, welcher zur Bestrafung der Missethäler ein ganz eigenartiges Verfahren in seine richterliche Praxis einsührte. Es war dies nämlich da» sogenannteZaunreiten", bei welchem der Delinquent voruw puklioo auf einen Holzbock mit ziemlich spitz zulausendem Rücken gesetzt wurde und in dieser höchst fatalen und zugleich schmerzhaften Silualion eine Stunde und wohl auch noch länger vor versammeltem Kriegsvolk" ansharren mußte. Selbstverständlich mußte es sich der arme Sünder hierbei gefallen lassen, von der Menge mit allerlei recht angenehmen und schmeichelhaften Redensarten unterhalten zu werden, welche die übele Laune des auf solche Weise an den Pranger Gestellten keineswegs zu verbessern pflegten. Daher war das Zaunreilen" bei gewissen Leuten im Vir­ginia-County ebenso gehaßt wie gefürchtet, weshalb es denn auch verschiedene in irgend ein«Unannehmlichkeit" verwickelte Gentle­men schon vorgezogen hatten, dieser ihnen drohenden Prozedur durch zeitweiliges Ver­schwinden aus dem Distrikt zu entgehen.

Eines Tages verbreitete sich in Norris- town, dem Hauptorte des Bezirks und zu­gleich Amtssitze des Sheriffs Flatcher, das Gerücht, daß Tom O'Moore, ein durch mehrfache Streiche im Couaty schon bekannt gewordener Sohn dergrünen Insel", in der Kneipe von Mr. Bottle, eine kleine Hauerei mit ein paar andern Gästen gehabt und dieselben nebst dem Wirte selber mit seinen kräftigen Fäusten tüchtiggezeichnet" habe. Das Gerückt erwies sich sehr bald als ein unstreitbares Factum, von dem auch Mr. Flatcher vernahm, und sofort beschloß der würdige oberste Vertreter der heiligen Hermandad im Virginia-District, mittels des Zaunreitens ein Exempel an dem streitbaren Iren zu statuieren, und zwar dies um so mehr, als Freund Tom schon verschiedene Dinge auf dem Kerbholze hatte.

Tom O'Moore, der nun einmal leider eine Schwäche für gebrannte Flüssigkeiten besaß, hatte es nach der Affaire im Bottle'- schen Lokale vorgezogen, im Branntweinzelte des dicken Mr. Smith sich von der voran­gegangenen Aufregung zu erholen. Hier war der Ire gerade im Begriff, sich einen mächtigen Becher voll goldgelben Mononga- hela, dem nach Norristown importierten köst­lichen Tranke vom Staate Virginia, zu ver­tiefen, als ein bekannter Toms hereintrat und beim Anblicke des Zechers ausrief:

Holla, Tom, alte Seele, rechne, Ihr thätet bester 'n bischen außerhalb der Stadt spazieren zu gehen, der Sheriff will Euch zaunreiten lassen, ich glaub', wegen der Ge­schichte, die Ihr soeben drüben bei Bottle gehabt haben sollt!"

Tom stürzte zuerst den Inhalt des Bechers in einem einzigen Zuge hinunter, ehe er, mit der Rechten krachend aus die Bar (Schenk- tffch) schlagend mit lauter Stimme Antwort gab.Was", brüllte er,dieser verd.... Lump von einem Sheriff will es wagen, meiner Mutter Sohn auf dem Zaune reiten zu lasten, blos, weil ich den Gentlemen drüben bei Bottle mit den Fingern ein bis­chen über die Fratzen gefahren bin? Bei St. Patrick, denkt der Sheriff etwa, er hat 'nen Strolch vor sich, und nicht Tom O'­Moore, der sich seinen Unterhalt redlich mit der Minerhacke verdient? GoltS Wetter, der Bursche soll die Hände von mir lassen l"

Hm," meinte der andere ruhig, und ließ sich vom Barkeeper ein Glas Gin ein­schenken,rechne, 's wäre doch das Ge- scheideste von Euch, wenn Ihr Euch ver­zögert, könnt doch nichts ausrichten, wenn der Sheriff mit seinen Constablern kommt."

Das ganze Lumpenpack mag zu Grase gehen," brüllte jedoch der Ire, wiederum mit seiner gewaltigen Faust auf den Schanktisch schlagend, daß Flaschen und Gläser förmlich in die Höhe sprangen,sollen nur kommen, die Schufte, Tom O'Moore schlägt Ihnen allen die faulen Knochen entzwei I"

Bin aber trotzdem der Meinung, Tom," sagte dessen Bekannter, mit sichtlichem Be­hagen ein paar Schlucke Gin nehmend,daß Ihr besser Euch trolltet, Ihr würdet schmäh­lich in Teufels Küche geraten, wolltet Ihr wirklich den Sheriff und seine Leute ver- klopfen, Mr. Flatcher hätte dann das Recht, sofort alle Bürger gegen Euch aufzurufen. Außerdem wißt Ihr aber so gut, wie ick, daß die Constabler in solchen Fällen mit ihren Hickoryknüppeln vorzugehen pflegen und

ich wette 'n Faß voll alten Monongahela gegen 'nen Fingerhut schlechten Brandy, daß der lange Harvey Euch mit seinem Hickory über den Schädel geschlagen hat, ehe Ihr ihm die Faust unter dis Nase gebracht habt I"

Namentlich dieses letztere Argument schien auch Tom einzuleichten, nachdenklich stierte er vor sich, murmelte dann etwas Unver­ständliches in seinen struppigen roten Bart hinein und verließ hierauf, nachdem er dem Barkecper das Geld für den Monongahela- Schnops hingeworsen, die lustige Localität deS Mr- John Smith. Draußen auf der Straße blieb der Ire einige Augenblicke un­schlüssig stehen da sah er zufällig nach dem einen Ende der langen Straße hinunter, aus welcher im Grunde genommen ganz Norristown bestand und es zuckte ganz eigen­artig über sein verwittertes, pockennarbiges Gesicht. Denn dort unten tauchte eine Schaar von Männern auf, an deren Spitze er den Sheriff erkannte, und sofort war eS dem guten Tom klar, daß er gesucht wurde, um nachher vor der Bewohnerschaft von Norris­town alsZaunreiter" zu figurieren. Tom stieß einen lästerlichen Fluch aus, zugleich schien er aber auch einen Entschluß gefaßt zu haben. Er steuerte, ein grimmiges Lächeln auf dem nichts weniger als schönen Antlitze, auf ein ziemlich primitives einstöckiges Wohn­haus zu, welches ein Schild mit der Auf­schrift aufwies:Kramladen und Spirituo- senausschank von Norbert MuSgrave", und trat eiligen Schrittes in die niedere Laden- thüre ein.

(Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

(Die Macht schöner Frauenaugen.)

In Newyork erregt gegenwärtig ein Prozeß, der gegen das Ehepaar Moore anhängig ge­macht wurde» bedeutendes Aussehen. Herr Moore wird beschuldigt, mit Hilfe seiner Gattin von einem reichen Hotelbesitzer Geld erpreßt zu haben. Der Thatbcstand ist ein­fach: Eines Abends spielte Frau Moore mit dem Hotelbesitzer Karten. Aus dem Karten­spiel wurde schließlich ein Liebesspiel. Plötz­lich tauchte Herr Moore auf und ließ sich, mit dem Revolver in der Faust, von dem Hotelbesitzer einen Check über 5000 Dollars geben. Das Charakteristische des Prozesses liegt in der ganz ungewöhnlichen Schönheit der Frau Moore. Aus Furcht, daß ihre märchenhaft schönen Augen die Geschworenen hypnotisieren und die Justiz vom rechten Wege ablenken könnten" hat der Richter an­geordnet, daß die Angeklagte während der ganzen Verhandlung der Jury den Rücken zu kehren muß. Ein englisches Blatt hat übrigens das Geheimnis dieser wunderbaren Augen entdeckt: Frau Moore hat im Cent­rum der Pupille einen kleinen Fleck, der ihr eine außerordentliche Gewalt über Herz und Börse der Männer verleiht.

.'. (Kleiner Irrtum) Ein Notar wird auf's Land gerufen, um ein Testament auf­zunehmen. Der im Bett liegende Bauer diktiert, und als alles fertig, erhebt sich der Notar, um zu gehen. In demselben Augen­blicke richtet sich auch der robuste Landmann auf seinem Lager in die Höhe und fragt: Kann ich nun auch aufsteh'n ?"Notar: Ja, sind Eie denn nicht krank ?" Bauer: Mir fehlt nix! I' Hab' nur 'glaubt, beim Testament machen muß ma' im Bett liegen I"

Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofmann in Wildb a d.