Durch Kamps zum Glück.
Roman von I. Pia.
(Nachdruck verboten.)
16.
„Dein Sohn Richard hat es gewagt!* stieß dieser leidenschaftlich hervor, indem er heftig aussprang.
Eine Minute lang herrschte tiefes Schweigen, während er zu Rosa trat, seine Hand auf ihre Schulter legte und mit der andern ein Dccument aus der Tasche zog.
„Hier unser Trauschein, den daS Gesetz und die Welt anerkennt und den auch Du anerkennen sollst!"
Bleich, stumm, mit gesenkten Lidern saß Rosa da, mit angstvoll klopfendem Herzen und schwindelndem Kopf; sie sah nicht, sie hörte nicht, was um sie herum vorging. Sic fühlte nur Richards Hand schwer auf ihrer Schulter; sie vernahm nur drohende, trotzige Stimmen, deren Worte sie nicht faßte.
Plötzlich erdröhnte des alten Herrn Donnerstimme, Rosa stand auf, um den heftigen Auftritt zwischen Herrn von Dorncck und Richard nicht sehen zu müssen, und erreichte mit schwankenden Gliedern ihr eigenes Gemach. Halb betäubt, verwirrt sank sie hier auf einen Stuhl, schlug die Hände vor das Gesicht und gab sich einem Sturm wilder Gedanken hin.
Nach einer kleinen Weile öffnete sich die Thüre — ihr Gatte trat ein.
„Wir haben keine Zeit zu verlieren," sagte er in großer Erregung, die trotz seiner Selbstbeherrschung den Sturm, den er soeben mit seinem Vater gehabt hatte, nicht zu Verbergen vermochte. Kannst Du in einer halben Stunde zur Abfahrt bereit sein?"
„O Richard, was ist geschehen? Was hast Du gelhan?" fragte Rosa angsterfüllter Stimme.
„Ich habe mich von einer Tyrannei befreit, die ich nicht mehr ertragen konnte, und Dich, mein Herz, dafür gewonnen," lautete seine Antwort, indem er sie zärilich küßre.
Rosa schien cL, als umfange sic ein schwerer Traum, wie sie eine halbe'Stunde später an Richards Seite die Stufen des Dorneck'tchen Schlosses Hinabstieg. Ter Cor- licor war leer, Niemand ringsum zu sehen. Als sie den unteren Flur erreicht hatten, that sich die Zimnurlhür auf und Karl von Dorneck kam mit verlegenem Gesicht auf sie zu und reichte Beiden zum Abschied herzlich die Hand.
Rosa küßte ihn hastig auf die Stirn, und Karl rief Richard mit einem warmen, innigen Händedruck ein herzliches „Gott schütze Dich, Bruder" zu. Für einen Augenblick traten den Brüdern die Thränen in die Augen.
Ohne ein anderes Wort des Abschieds und des Segens schied der LieblingSsohn und Bruder jetzt unter traurigen Umständen aus dem Elternhaus, wo er stets Liebe und Zärtlichkeit gefunden hatte und jetzt Groll und Bitterkeit zurückließ.
17.
Wochen und Monate schwanden dahin und Richard von Dorncck sinken wir mit seiner jungen Frau in einer fernen Stadt in einem Hotel wieder.
Es war ein trüber, nebliger Tag. Rosa lehnte sinnend in einem Fauteuil zurück;
hin und wieder wandte sie den Blick nach der Uhr, deren Zeiger auf zwölf zeigten. Wie langsam die Zeit doch schlich!
Sie war schon mehrere Stunden allein.
Bold nach dem Frühstück halte Richard sich zurückgezogen, um einige dringende Briefe zu schreiben; alsdann war er ausgegangen. „Möglich, daß ich erst zur Essenszeit wieder zurück bin," hatte er beim Abschied gesagt.
Die junge Frau fühlte sich in dem großen Hotel in der fremden Stadt gar einsam und verlassen. Trotz der Eleganz, die sie umgab, trotz der köstlich duftenden Rosen vor ihr auf dem Tische, trotz dem Körbchen auserwählt schöner Früchte — Beweise von der zärtlichen Aufmerksamkeit ihres Gatten — konnten sie doch das unbehagliche Gefühl, das, je länger sie allein war, sich ihrer um so stärker bemächtigte, nicht unterdrücken.
Sie nahm eine Zeitung zur Hand, um durch Lesen ihre innere Qual zu mildern, aber sie wußte kaum, was sie las. Immer und immer wieder wanderten ihre Augen nach der Uhr auf dem Kamin und von da nach der düsiern trüben Straße.
Drei Monate waren erst vergangen, seit sie Schloß Dorneck verlassen hatte; drei kurze Monate — und wie lang erschien ihr die Zeit! — Doch nein, sie sollte nicht undankbar sein, ihr Gatte war so zärtlich, so aufmerksam gegen sie, wie cs sich eine junge Frau nur wünschen konnte; nie würde sie ihm vergessen, was er ihr alles zum Opfer gebracht hatte, daß er um ihretwillen die teuersten Bande zerrissen, um ihretwillen eine glückliche, sorgenlose Zukunft aufgegeben halte. Und wie sorgte er sich um sie! war er heute beim AuSgchen nicht noch einmal zurückgekehrt, um ihr noch ein Buch zu bringen und sie zu bitten, sie solle sich einen Wagen nehmen und eine Spazierfahrt machen, damit ihr die Zeit bis zu seiner Rückkehr nicht lang werde? Ja, er war heute, wenn möglich, noch zärtlicher gewesen als sonst; er war ein zweites Mal umgekehrt, ihr Adieu zu sagen und halte dann selbst darüber gelacht, daß es ihm so schwer werde, sich auf ein paar Stunden von ihr zu trennen.
Als aber Stunde auf Stunde verstrich und ihr Gatte noch immer nicht zurückkehrte, ward sie nervös und unruhig. Ungeduldig ging sie mehrmals im Zimmer aus und ab, dann trat sie an das Fenster und schaute mit gleichgültigem Auge dem Treiben auf der Straße zu.
Nach einer kleinen Weile folgte Rosas Blick einem mit Koffern beladenen Wagen, derselbe hielt vor dem Hotel und ein Herr stieg aus, dessen Gestalt und Bewegungen ihr so bekannt vorkamen, daß sie, wenn sie nicht den schwarzen Bart und die bräunliche Gesichtsfarbe vermißt hätte, in der Thal hätte glauben können, sie sähe den raffinierten und frechen Schwindler, der sich Baron Hoßseld nannte, wieder vor sich.
Sie bog sich aus dem Fenster, ihn genauer beobachten zu können, und sah ihre Befürchtungen bald bestätigt.
Als er in dem Hause verschwand, steckte eine Dame ihren Kopf aus dem Fenster, bei, deren Anblick Rosa unwillkürlich einen Ausruf der Ueberraschung that, die Dame war keine Andere, als ihre Cousine Röschen.
Eilends öffnete sie das Fenster und rief Jene bei Namen, aber ihr Ruf verhallte in dem Geräusch der Straße. Nach zwei Mi
nuten trat Röschen mit dem Baron aus dem Hause, und beide bestiegen einen Wagen, der schnell davonrollte und bald an der nächsten Straßenecke verschwand.
„Verloren, verloren! Armes Röschen! Arme Cousine! Ist dies das Ende Deiner ehrgeizigen,hochfahrendenTräume u. Pläne?" flüsterte Rosa.
Und ihre eigene traurige Lage vergessend, versank sie in tiefes Sinnen über das unglückselige Loos, das Jener in den Händen dieses Elenden zweifelsohne beschieden war.
Erst ein leises Klopfen an der Thür riß sie aus ihren »üben Gedanken. Es war der Kellner mit einem Briefe, der soeben für Herrn von Dorneck beim Portier unten abgegeben worden sei. Ein Blick auf die Adresse genügte, und Rosa wußte, daß dieser Brief von dem Elenden herrührte, der, falls sie nicht die Seine werden wollte, ihr sicheres Verderben prophezeit hatte.
Ihr Gatte war nicht da — wenn sie ihm den Brief vorenthielt?
Was sollte sie thun? Den Brief den Flammen übergeben? — dann konnte sie wieder frei atmen! Aber wo blieb denn dann die Aufrichtigkeit und Wahrheit? —
Nein, Richard sollte alles erfahren — heute noch, und wenn der Brief sie den letzten Rest von ihrem Glück kosten sollte! — (Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Ein merkwürdiges Fahrrad (Einrad.) Das Rad ist vollständig ohne Speichen konstruiert, besteht also nur aus einem Kranz, der laut Milt. d. Patent- u. techn. Bureaus von Richard Lüders-Görlitz aus zwei sich umeinander drehenden Ringen gebildet wird, von weichen der innere mit dem Nadgestell verbunden ist. Der äußere Ring ist in Form eines doppelten L-Eisens mit corcav gebogenen Grundflächen konstruiert, kessen äußere zur Aufnahme des Pneumatiks, die innere als Laufbahn einer Kugelreihe dient, während in den Steg des Doppel-1-Eisens horizontal einseitig hervorragende Zapfen eingelassen sind. Der innere Ring steht einem einfachen 1 Eisen ähnlich mit ebenfalls geobogener, Grundfläche, in deren Hohlraum eine fortlaufende Reihe von kleinen, auf die Kugeln des äußeren Ringes passende Rollen angeordnet ist. Vermittels der nun am Gestell angebrachten Pedale bringt der Fahrer ein, Kettengetriebe in Umdrehung und hierdurch wiederum ei» in die am äußeren Ringe eingelassenen Zapfen eingreifendes Treibrad. Gesteuert wird das Rad durch Verlegung des Körperschwerpunktes durch den Fahrer, indem derselbe sich entweder nach rechts oder links biegt.
(Nie verlegen.) Hausierer: „Los gefällig? 30 000 Mark Haupttreffer!" — Gast (ungeduldig): „Gehen Sie weiter — ich will nichts gewinnen!" — Hausierer: „Hab' ich auch Los, die nichts gewinnen!"
.'. (Tüchtiger Advokat.) Plankington: „Mußtest Du nicht vor Gericht wegen des Vermögens, das Dir vermacht wurde ? Hattest Du einen tüchtigen Advokaten ?" — Blomm- field: „Das darfst Du glauben: er ist jetzt im Besitz des Vermögens."
(Die Liebe allein!) Er: „Glauben Sie mir, mein Fräulein — die Liebe allein macht glücklich!" — Sie: „Und ich habe immer gehört, die Liebe zu Zweien mache es."
Redaktion, Druck und Verlag von B ern h. Hofmann in Wildb» d.