Durch Kumps zum Gluck.
Roman von I. Pia.
(Nachdruck verboten.)
15.
Frau von Dorneck war vor Schreck und Scham über diese Mitteilung einer Ohnmacht nahe, während die Uebrigen sich im lebhaften Durcheinander über diese sensationelle Nachricht unterhielten. Rosa dagegen saß mit farblosem Gesicht starr wie eine Bildsäule da. Zu Anfang des Berichtes aber hatte sie Karsten einen Dankesblick zugeworfen, denn mit Recht vermutete sie in ihm Den, der jenes Elenden Verschwinden veranlaßt hatte. Bei dem Namen August Rödel aber zuckte sie heftig zusammen — jetzt wußte sie mit einem Male, woher ihr die unheimlich stechenden Augen ihres Verfolgers immer so bekannt vorgekommen waren, woher er ihr gegenüber Dinge erwähnt hatte, von denen sonst Niemand hier etwas wußte — Dinge, die nicht sie, wohl aber ihren Vater und ihre Verwandten bestrafen, und die ihren Namen brandmarkten. — Das war es ja, was ihr solche Furcht vor dem Elenden eingeflößt hatte. — Mit stockendem Atem hörte sie von seiner beabsichtigten nächtlichen Flucht
— unwillkürlich faltete sie die Hände und sandte im stillen ein Dankesgebct zum Himmel
— jener vermeintliche Mitwisser war Nie. mand anders als sie selbst, die er zwingen wollte, die Seine zu werden. Aber wozu? In welcher Absicht? mußte sie sich immer und immer wieder fragen. Sie fand keine Antwort darauf und konnte keine finden — sie ahnte ja nicht, was er wohl wußte: daß ihre alte grämliche Tante nicht die arme Frau war, wofür man sie hielt — daß ihr sowie ihrer Cousine Röschen nach dem Tode jener je ein bedeutendes Kapital zufloß.
16.
Mit der Entdeckung, mit wem man cs in Wahrheit in der Person des vermeintlichen Baron Hoßfeld zu lhun gehabt hatte, waren die Ueberraschungen für die Dorneck- schen Familie noch nicht zu Ende. Es harrten ihrer noch wahre unerwartete Begebenheiten!
Mit Bedauern begrüßte man den elften Januar, mit welchem die frohe vergnügte Zeit, welche bisher in dem Dorneck'tchen Hause geherrscht hatte, für diesmal wenigstens vorüber war — der Sohn des Hauses mußte zurückkehren zu seinem Regtmcnte, und mit ihm schieden auch die übrigen Gäste aus dem gastlichen Dorneck'schen Hause.
Während des Frühstücks, welches vor der Abreise der Gäste eingenommen wurde, ging es ernster, einsilbiger zu, als gewöhnlich. Schweren Herzens fragte Marie von Dorneck sich, wann sie Horst von Malten wohl wieder sehe, und ob auch ihr Bild in seinem Herzen fortleben werde, wie das seine in ihrer Brust. Ihr Bruder Richard schaute düster drein, mit einem Gefühle der Verzweiflung, wie er eine längere Trennung von der ihm angelrauten Rosa wohl ertragen würde, Karsten war auch weniger als sonst aufgelegt, die Unterhaltung zu führen. Stephanie von Clerambeau und Hauptmann Bellot ließen wider ihre Gewohnheit auf sich warten. Da kam die Jungfer und überreichte der Frau vom Hause einen Brief,
den sie, wie sie sagte, in Fräulein Cleram- beaus Zimmer gefunden habe.
Voll Befremden öffnete Frau von Dorneck den Brief und las mit langsam zögernder Stimme:
„Kaum weiß ich, wie ich Ihnen sagen „soll, was ich zu thun im Begriff stehe, „Es thut mir leid, Ihr gastfreies Haus „in dieser Weise verlassen zu müssen, „wenn Sie aber alles wüßten, würden „Sie mir vergeben, würden Sie verstehen, „daß ich alles Andere der Rückkehr in „das Vaterhaus verziehe. Verzeihen Sie „mir, daß ich Ihre große Güte so ver- ,gelte. Stephanie von Clerambeau." Während der kleine Kreis sich noch in Ausrufen des Erstaunens und der Entrüstung erging, wurde ein zweiter Brief von Hauptmann Bellot gebracht, aus dem man ersah, daß dieser es war, der die arme kleine Französin zu dem unseligen Schritte verleitet hatte, denn er hatte Stephanie von Clerambeau, die wider ihren Willen mit einem alten französischen Baron auf Befehl ihrer Eltern verheiratet werden sollte, entführt, wahrscheinlich, um sich mit ihr heimlich in der Schweiz zu vermählen.
Frau von Dorneck war außer sich vor Zorn, Scham und Empörung, daß so eine Entführung in ihrem Hause hatte geschehen können, und ihres Gatten Züge wurden noch um einen Schein finsterer als sonst.
„Wenn ich ihr Vater wäre" stieß er mit zornfunkelnden Augen hervor, „ich würde sie enterben und nicht eher ruhen, bis ich mich an dem Mann, der sie entführte, gerächt hätte!"
„O, Herr von Clerambeau ist ein alter Tyran!" entgegnrte sein Sohn Richard lebhaft; „Fräulein Stephanie hat ganz recht, daß sie nichts von dem alten Baron wissen will, den ihr herzloser Vater ihr ausgesucht hat; Bellot ist bei all seinen Fehlern ein guter Kerl, mit dem sie zehnmal glücklicher werden wird."
„Wenn sie meine Tochter wäre," mischte Frau von Dorneck sich in die Unterhaltung, „dürfte sie meine Schwelle nicht wieder betreten; ich könnte ihr den Mangel an Vertrauen niemals verzeihen."
„Merkt Euch das, Schwestern," meinte Richard mit unbehaglichem Lächeln.
„Ob das Sohn oder Tochter ist, bleibt sich gleich," sprach Herr von Dorneck streng, „ich mache in den Pflichten, die meine Kinder mir schulden, keinen Unterschied."
„Eine ziemlich patriarchalische Ansicht," entgegnete sein Sohn in spöttischem Tone.
„Jedenfalls eine sehr richtige, der ich stets treu bleiben werde," versetzte der alte Herr von Dorneck in steigendem Zorn.
„Gut, daß ich das weiß," sagte Richard erregt.
„Und Dich darnach richtest," meinte der Vater, „ich wiederhole . . ."
„Was willst Du damit sagen, Vater?" fiel der Sohn ihm in trotzigem Tone ins Wort, während er seinen Vater mit herausforderndem Blicke ansah.
Voll Angst und Schrecke» beobachtete Rosa den Sturm, der zwischen Vater und Sohn im Anzuge war.
„Ich wiederhole, daß wenn eins meiner Kinder eS wagen sollte, ohne meine Einwilligung zu heiraten, es auch die Folge einer solchen Handlungsweise in ihrem ganzen
Umfang zu tragen hat, erklärte der alte Herr von Dorneck streng.
„Und diese Folgen?" stieß Richard mit vor unterdrückter Wut bebender Stimme hervor.
„Enterbung und Entziehung aller Rechte und Privilegien meiner Familie; ich möchte keinem meiner Kinder raten, sich meiner Autorität zu entziehen!"
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Ein Spielplatz für Millionärskinder. Den teuersten Spielplatz der Welt werden wohl bald die Vanderbiltschen Kinder haben, er soll drei Millionen Dollars kosten. Dem Banderbilt'schen Palais in der fashionableu fünften Avenue in Newyork gegenüber befindet sich das katholische Waisenhaus, das einen ganzen Block einnimmt. Es war schon ein Lieblingswunsch des verstorbenen Kommodore W. H. Vanderbilt, dieses Grundstück zu erwerben und seinen Enkeln als Spielplatz einzurichten, allein der Plan galt damals als ein nicht ausführbarer, das bezüglich des Waisenhauses Bestimmungen existierten, wonach das betreffende Grundstück, das der katholischen Gemeinde im Jahre 1817 um den Preis von einem Dollar überlassen worden war, nicht verkauft werden durfte. Nunmehr haben die Leiter des Waisenhauses auf den enormem Wert hingewiesen, denn das Grundstück heute repräsentiere drei Millionen Dollars —, mit welcher Summe anderswo ein viel größeres und prächtigeres Waisenhaus aufgebaut werden könnte, wobei der Mehrerlös den Bestand der Anstalt wohl für immer stcherstellen dürste, und die Behörden gaben ihre Zustimmung zum Verkauf. Die jungen Sprößlinge des Vielmillionengeschlechts der Vanderbilts werden bald einen herrlichen Spielpark mit Bäumen, Rasen, Fontaine haben, der mit dem gegenüberliegenden Palais durch einen unterirdischen Gang in Verbindung stehen soll.
— „Mein Schatz is a Reiter..." Der „Hann. Kour." erzählt folgende Episode: Ein Unteroffizier der Garnison Sprvtlau hatte mit einem Mädchen des dortigen Kreises ein Liebesverhältnis angeknüpft. Die Braut, die vermutlich über die Wandelbarkeit jenes bekannten Kehrreims: „Ja, treu ist die Soldatenliebe" bereits Erfahrungen gesammelt zu haben scheint, wollte nun so schnell wie möglich in den unbestrittenen und festen Besitz des Marsjüngers kommen. Ohne Wissen des Bräutigams schrieb sie einen von Liebe zu ihrem Schatz überfließenden Brief an den Kaiser und bat diesen inständigst, ihren Herzallerliebsten zum Wachtmeister befördern und ihm die Heiratserlaubnis senden zu wollen. Dieses Gesuch ist nun aus dem Militärkabinel mit der Randbemerkung zu- rückgckommen, daß der Bitte aus dienstlichen Gründen nicht entsprochen werden könne. Der Unteroffizier, dem von diesem Vorfall von seinem Vorgesetzten Mitteilung gemacht worden ist, soll über den entschlossenen Charakter seiner Braut nicht sonderlich erbaut sein und sich demzufolge mit dem Gedanken des Rücktritts aus diesem zivilen „Dienstverhältnis" tragen.
.'. (Gut gegeben.) Kadett: „Aeh, Kleine, verbitte mir faule Witze über Schnurrbart." — Backstschchen: „Richtig, über Abwesende soll man ja nicht reden,"
Redaktion, Druck und Perlag von demh. H-jmanu in Ml-Had.