Durch Kumps zum Glück.
Roman von I Pia.
(Nachdruck verboten.)
1 .
Rosa Waldenau, Lehrerin an der Seben- dorfcr Schule, lebte mit ihrer Cousine, die ebenfalls wie sie Waise war, bei einer allen grämlichen Tante.
Beide „Therese" getauft, wurden sie zum Unterschied „Rosa" und „Röschen* genannt. Elftere, eine hübsche Brünette, mit schlanker Gestalt und lebhaften dunklen Augen, war ein kluges Mädchen, tief in ihrem Gemüt, aber auch leicht verletzbar in ihrem Ehrgefühl und von echt jungfräulichen Stolz. Röschen dagegen war blond, sanft, mädchenhaft, kokett.
So verschieden wie ihr Aeußeres, so verschieden war auch ihr Geschmack, ihre Ansichten.
Eines Nachmittags kehrte Rosa aus der Schule heim; anfangs lugte sie wohl forschend in die Ferne, allmälig aber hing sie ihrem Gedanken nach. Sinnend durchschritt sie das kleine Tannenwäldchen, am Saume desselben bückte sie sich und pflückte einen Strauß großer Sternblumen. Eben hotte sie die kleine Holzbrücke, die über das schäumende Bergwasser führte, überschritte», und in geringer Entfernung tauchte bereits das kleine weiße Haus auf, das ihr seit ihrer frühen Jugend eine zweite Heimat bot, als sie durch einen Schuß erschreckt wurde und heftig zusammenfuhr.
Sie hob de» Kopf und blickte um sich. Keine zwanzig Schritte von ihr stand ein junger Mann, in der einen Hand eine Flinte, während seine andere Röschens Rechte umfaßte.
„Das war als erster Versuch gar nicht schlecht," rief er lachend, „ein zweites Mal wird es schon besser gehen. So müssen Sie die Flinte halten!"
Halb schüchtern sah das junge Mädchen zu ihm auf, bei dem zweiten Schuß, welchen der junge Mann abfeuerle, aber hielt sie sich die Ohren zu und lief eine kleine Strecke davon.
Mit bewunderndem BlE folgte ihr sein Auge. Plötzlich schwand das Lächeln von seinen Zügen, dieselben wurden ernst. Er ließ die Hand mit der Waffe sinken und ging auf Rosa zu, die er soeben bemerkt hatte.
„Sie ließen heute aber lange auf sich warten," Hub er ein wenig verlegen an.
„Ich mußte zwei Schülerinnen zur Strafe zurückbehalten und strafte damit freilich am meisten mich selbst."
„Ob Sie dieser Pflichten nicht schließlich einmal überdrüssig werden?" fiug er fast verdrießlich.
„O nein — nie!" entgegnete Rosa ernst.
„Wenigstens würden Sie es nie einge- stehen," lächelte Robert Karsten. — „Wenn ich diese großen Sternblumen sehe," fuhr er nach kurzem Schweigen mit einem Blick auf den Strauß in ihrer Hand fort, „muß ich immer an das alte rote Dchulhaus denken. Erinnern Sie sich, wie Cie mir auf dem Schulwege aus solchen Blumen mein Schicksal zu prophezeien pfl-glen? — Wollen Sie es jetzt nicht noch einmal versuchen?"
Damit bückte er sich, pflückte eine der
am Wege stehenden Sternblumen und reichte sie ihr.
Einen Moment zögerte Rosa, da aber begegnete ihr Auge Röschens Blick und schnell griff sie nach der Blume.
Jetzt trat auch Röschen dichter heran u»d sah neugierig zu, wie Rosa ein Blatt nach dem anderen auszupfte.
»Nun, schnell — sagen Sie — liebt sie mich?" fragte Robert lebhaft, als das letzte Blättchen zur Erde flatterte.
»Nein," entgegnete Rosa, indem sie den Kopf hob und ihn eine Minute fest anblickte.
„Nein?" wiederholte jener, „das glaube ich nicht — ich möchte wetten, daß sie mich liebt I"
Rosa wurde dunkelt ot, während sic halb abgewendct achselzuckend meinte:
»Sie müssen es ja wissen I Täuschen Sie sich nur nicht I"
„Aber Rosa, was hast Du prophezeit?" mischte sich jetzt Röschen ein, »ich habe genau aufgepaßt —, über alle Maßen verkündete das letzte Blatt. — Kommen Sie, Robert, jetzt werde ich Ihnen ihr Gluck verkünden."
„Recht so," versetzte dieser; „sie ist und bleibt seltsam und eigensinnig wie immer."
Rosa warf ihm einen laugen ernsten Blick zu, dann ging sie ihres Weges weiter.
Röschen folgte ihr erst nach längerer Zeit in das kleine weiße Haus.
2 .
Hell und klar stand die Sonne an dem wolkenlosen Himmel. In Rosas Innern aber sah es trübe aus. Sie wußte, daß Karsten in allernächster Zeit, vielleicht schon heute Sebendorf verlassen mußte, um zu seinem Regiment zurückzukchre», denn er war Offizier und nur auf Urlaub zu Hause.
Dieser Gedanke legte sich wie eine schwere Last auf ihre Brust; nur mit Mühe vermochte sie denselben in der Erfüllung ihrer ernsten Pflichten zu bannen.
Von der Schule heimkehrend überreichte ein kleiner barfüßiger Junge ihr einen Brief. Sie warf einen Blick auf denselben und froh bewegten Herzens eilte sie in ihr Zimmer, um undelauscht lesen zu können, was ihr Freund ihr wohl zu sagen habe.
„Liebe Rosa," schrieb Karsten, „da ich Sie heute Nachmittag doch nicht zu Hause treffen würde, muß ich mich schriftlich an Sie wenden — und das ist vielleicht recht gut. Ist Ihre Antwort auf meine Frage so, wie ich sie wünsche, so ändert das nichts, gleichviel, ob ich sie mündlich oder schriftlich erhalte, hoffe ich aber zu viel, so ist es leichter, mein trauriges Schicksal so hinzunehmen, als wenn ich Ihnen Aug' in Auge gegenüber stände! Jetzt, wo ich von hier scheiden muß, vermag ich nicht ohne meine Antwort von Ihnen zu gehen! — Rosa, ich liebe Sie, liebe Sie aus tiefstem Herzensgründe, das müssen Sie längst erraten haben, müssen Sie längst wissen, obwohl wir uns in letzter Zeit oft seltsam fremd gegenüber standen. Ich lege mein Schicksal in Ihre Hand — darf ich aus Gegenliebe hoffen? — Vertrauen Sie Ihre Antwort unten bei der Brücke dem hohlen Baumstamm an, der uns schon in unseren Kinderjahren gar manches Mal als Briefkasten diente. Wie Ihre Antwort auch lauten möge, so rufe ich doch: „Gott schütze Siel"
Ein tiefer Seufzer der Erleichterung rang
sich von Rosas Lippen. Das Geständnis seiner Liebe erfüllte ihre Brust mit einem so hohen Gefühl des Glücks, wie sie es bisher nie empfunden hatte.
(Fortsetzung folgt.)
V e r^s ch i e d e n e s.
— Heiteres aus dem Gerichtssaal. Eine originelle Gerichtsverhandlung fand dieser Tage bei dem Bezirksgericht in Reichenau in Böhmen statt. Ein dortiger ehrsamer Bürger Namens Peter Kapone legte sich eines Abends mit einem tüchtigen „Affen" zu Bett. Als er morgens mit schwerem Kopf aufwachte, eilfe er schleunigst zum Bezirksgericht und klagte ein Fräulein Votika wegen Ehren- beleidigunz an, wobei er sich auf die Zeugenschaft des Gendarmen Rydak berief. Die Geklagte war sehr erstaunt, als sie die Vorladung erhielt, denn sie wußte sich nicht zu erinnern, daß sie der Ehre des Kapone irgendwie nahegetrcten wäre. Sie konnte sogar Nachweisen, daß sie an jenem Abend, wo sie das Delikt begangen haben soll, gar nicht mit Kapone zusammengekommen war. Aber auch der als Zeuge vorgeführte Gendarm gab an, daß er von alledem nichts wisse. Kapone erinnerte sich nun, daß das alles sich wirklich gar nicht abgespielt, sondern daß er es nur geträumt hatte, und zog, da niemand wegen solcher Ehrenbeleidigungen, die im Traum begangen worden, bestraft werden kann, die Klage zurück. Da er die Gerichts- kosteu zu tragen hat, wird ihm dieser Traum wohl noch recht lange in Erinnerung bleiben.
— Die Einatmung „elektrischer* Luft als Heilmittel. Eine eigenartige Behandlungsmethode empfiehlt der russische Arzt Dr. Wassitiew bei Kranken, welche an Lungenschwindsucht und anderen Erkrankungen der, Atmungsorgane leiden. Der Kranke wird auf einen Jsolierschemel gebracht und dieser mit dem einen Konduktor einer Influenzmaschine verbunden. Ein scharfspitziger Konduktor, welcher mit einem Gummigrisi versehen und zur Erde abgeleitet ist, wird vom Arzte auf etwa ein bis zwei Ceutimeter Entfernung von dem Munde des Patienten gehalten. Der Kranke atmet fünf bis sechs Minuten lang die „elektrische" Luft; bei schwer leidenden herabgekommenen Kranken läßt Dr. Wasstliew sogar Funken in die Brust und in den Rücken überspringen. Er will in einigen Fällen von Lungentuberkulose, Lungenentzündung, chronischem Bronchialkatarrh und Keuchhusten Heilung erzielt haben.
— (Wer ist eigentlich der E> sinder der Ansichtspostkarte ?) In unserer jetzigen Zeit, wo jedermann Ansichtspostkarten versendet, dürste die Beantwortung dieser Frage sicherlich von allgemeinem Interesse sein, umsomehr, als ja schon öfters diese Frage laut geworden ist. Wie das Intern. Palenlbureau von HAmann u, Co. in Oppeln erfährt, ist diese Erfindung eine deutsche und ist Herr Hofbuchhändler Schwarz in Otdenburg der erste gewesen, welcher gedruckte Ansichtspostkarten versandte und zwar im Jahre 1875 aus Anlaß einer mit mehreren Freunden unternommenen Rheinreise. Bald fand die Mode, Grüße aus der Ferne zu senden, allgemeinen Beifall und wie der Ansichispost- kariensport heute getrieben wird und zu welchen Auswüchsen er auch schon gesührd hat, ist ja allgemein bekannt.
AcdaMsn. Druck und Äcrst.L bau Vrrnh. HofWsnu in Wldbch.