Stationen der Seligkeit.
Novelle von F. Stöckert.
(Nachdruck ve boten.)
12 .
Der Herbst war mit aller Macht in's Land gezogen, wilde Stürme brausten durch d u Thüringer Wald, die im Sommer so bunt bevölkerten Badeörter waren verödet, auch auf dem Gute Lichtenos herrschte tiefe Einsamkeit. Wie ein Gruß ans einer andern Welt flog eines Tages ein Bri-fcouvert in diese Stille, daß die VermShlungsanzeige Ellinor Stratens und Kosezs enthielt. Vor den Augen Lichtenos war es, während sie auf dieser Anzeige ruhten, als ginge ein Vorhang auf, der ihm, dem Einsamen einen Blick gestattete ein volles reiches Leben. Natürlich würde das junge Paar in Haus machen, die eiste Gesellschaft, die Korphäen der Künste und Wiffenschaft würden bet ihnen ein und ausgehen, Ellinor und ihre Mutter verstanden es ja so meisterhaft, es jedem behaglich lei sich zu machen, er, Koier, wird dann die Funken seines Geistes sprühen lassen.
,Der Viehhändler ist gekommen, er möchte die gefleckte Kuh behandeln," mit diesen Worten störte ihn ein Knecht in seinen Gedanken. O wie öde, wie öde, wie grenzenlos prosaifch war doch sein Dasein, und doch hatte er dasselbe einst für ein glückliches gehalten, sich zu den Bevorzugten gezählt, in Hinblick auf feen reiches, schönes Besitztum.
Ziemlich zerstreut schloß er das Geschäft mit dem Viehhändler ab, dann trieb es ihn hinaus in die Berge, hinaus nach der Station der Seligkeit. Die hehre Sprache der Natur beruhigte nach und nach sein Gemüt, und wer dafür noch Verständnis hat, der kann, der wird sich nie ganz unglücklich fühlen. Lichteno war von Jugend auf vertraut mit dieser Sprache, Lenzes- und Herbstesstürme hatten ihm im Kindesalter ihre Wiegenlieder gesungen, und heute da wiegte der Herbststurm, der durch die buntgefärbten Wälder brauste, sein Herz zur Ruhe. Die lockenden Bilder der großen Stadt verblaßten vor dem Zauber der Natur, und als er heimkehrle, da war Friede in seinem Innern. Den Platz ganz ausfüllen, wohin Gott ihn gestellt, das wollte und konnte er, und mehr kann schließlich der Mensch nicht thun. In strenger Pflichterfüllung seines prosaischen Tagewerks vernahm er nur noch bisweilen aus weiter Ferne den Sirenengesang von Poesie, Liebe und Romantik, aber er beherrschte sein Inneres nicht mehr wie in den Tagen da Ellinor noch in der Nähe weilte. Mehr und mehr verblaßte ihr Bild, und er begann sich unter den Töchtern des Landes nach einer Hausfrau umzuschauen, denn das Geschlecht der Lichteno, dessen einziger Stammhalter er war, durfte einer unglücklichen Liebe wegen wahrlich nicht ouSsterbcn.
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Das junge Ehepaar Koser hatte soeben Und zwar zu ziemlich später Stunde gefrüh- stückt. Wie gewöhnlich war man Abend vorher sehr spät zur Ruhe gekommen. Das gesellschaftliche Leben der Residenz ging in Hetzen Wogen, die halben Nächte muhten schon geopfert werden, um allen Anforder, ungen der auf der Höhe stehenden Saison gerecht zu werden.
Koser sah etwas blaß und überwacht
aus, seine junge Frau hingegen frisch und rosig, Helles Glück strahlte aus ihren Augen. Sie war schon in vollständiger Toilette, da sie zur Malstunde gehen wollte. Seit Koser das Bildchen, was sie ihm aus Thüringen mitgebracht, für ein wahres kleines Kunstwerk erklärt, und ihm einen Platz auf seinem Schreibtisch angewiesen, damit er es immer vor Augen habe, war sie von einem heiligen Eifer für die Malerei beseelt.
„Welche Hingabe für die Kunst," sagte Koser lächelnd, als sie sich von ihm verabschiedete. „Das ist der Zug der Zeit jetzt, auf irgend einem Gebiete der Kunst etwas zu erreichen, womöglich Unsterbliches zu schaffen."
„Nun, so hoch geht mein Streben wohl noch nicht," versetzte Ellinor, „aber große Freude habe ich jetzt am Malen, wie überhaupt am ganzen Leben, ach, es ist doch zu schön auf der Welt I"
Gerührt blickte ihr Mann ihr nach, als sie hinter dem Thürvorhange verschwand.
„Glücklich habe ich sie wenigstens gemacht," sagte er sich, „und das ist ja schließlich auch etwas wert. Freilich, ich wäre ein Schuft, wenn ich es nicht thäte, danke ich ihr doch Alles, dieses herrliche, sorglose Leben, wie ich es bisher nie gekannt." Befriedigt schweifte sein Blick über die elegante Einrichtung des Eßzimmers, und dann erhob er sich, um sein Zimmer aufzusuchen; auch hier war Alles aufs luxuriöseste auSgestattet. Oelgemälde berühmter Künstler zierten die Wände, auf welchen, wenn er ermüdet von seiner Geistesarbeit, das Auge konnte ruhen lassen. Freilich bis jetzt war eine solche Ermüdung kaum eingetreten, da er feit seiner Verheiratung noch nicht anhaltend gearbeitet. Auch heute fühlte er sich nicht aufgelegt dazu, draußen lockte die Helle Februarsonne, ein Spazierritt würde ihm gut thun nach der durchschwärmten Nacht.
Man fand sicher schon Bekannte draußen im Tiergarten, heitere Unterhaltung, wenn auch nicht gerade allzu geistreiche, die war in der Millionenstadt immerhin selten und wenigstens nicht auf der großen Heerstraße zu finden. Schöngeistige und geistreich sein sollende Reden, o ja, die vernahm man wohl, schön klingende Worte, ohne Tiefe und Inhalt, aber nie jenes Ueberschäumen von Geist und Witz, wie er es in seiner elenden Junggesellenwohnung vier Treppen hoch so manchmal erlebt, wenn da einzelne seiner Freunde sich um den wackligen Tisch mit der verblichenen grünen R'psdecke beim Bier oder Punsch versammelt. ES waren doch oft köstliche Stunden gewesen, diese Stunden geistigen Gedankenaustausches und oft ziemlich wilden Humors, freilich die bittern Zeiten der Sorgen, der Enttäuschungen, die so ein Schriftstellerleben mit sich bringt, halten sie nicht ausgewogen, und darum war es denn doch tausendmal bester wie jetzt nur der glücklichen, sorglosen Gegenwart zu leben, denn was hilft schließlich aller Geist, Witz und Humor, wenn man doch damit die Sorgen nur aus Stunden zu bannen vermag. So ritt er denn hinaus in den frischen Morgen, sich seines Daseins freuend. Bekannte begrüßten ihn, einige Reiter schloßsn sich ihm an, und bald war eine lebhafte Unterhaltung über Pferde, Welten, Theater und leichtern Tagesklatsch im Gange. Manch düsterer Blick sorgenbelasteter Menschen streifte die
heitere Cavalcade; ein wüst auösehender Mensch ballte die Faust, als sie an ihm vorbeiritten und fluchte über die Ungerechtigkeit der Weltordnung, die ihn dazu verdammt hatte, den Staub zu schlucken, den diese vom Schicksal Begünstigten auswirbellen. Die kleine Scene wnrde von einem Spaziergänger beobachtet, der langsam des Weges daher kam.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Kaiser Wilhelm I. und die Wahrsagerin. Dieser Tage ging ein merkwürdiges Zahlcnspiel über die Geburts- und Sterbedaten des Fürsten Bismarck durch die Presse. Dies erinnert an eine ähnliche Anekdote, die man sich von unserm alten Kaiser Wilhelm erzählt. Der Kaiser, damalige Prinz von Preußen, soll sich während seines Aufenthaltes in England auus 1849 erstmals zu einer Wahrsagerin begeben haben. Sinnend betrachtete die Alte die Linien in seiner Hand, und dann in die prophetischen Worte auszubrechen : „Du wirst die Krone tragen, nicht nur Deines Stammes, sondern aller Stämme Deines Volkes." Auf die erstaunte Frage, wann denn das sein sollte, erwiderte sie: „Zähle zu der Jahreszahl dieses Jahres nochmals die gleiche Zahl hinzu I"
1849
1
8
4
9
1871
Der Prinz wandte darauf ein: „DaS wird wohl schwerlich in Erfüllung gehen, da würde ich ja schon sehr alt sein." „Oh, Du wirst dann noch lange leben," war die Antwort, und auf die weitere Frage: „Wie lange?" „Verfahre mit der zweiten Zahl also wie mit der ersten l"
1871
1
8
7
1
1888
Und so, wie sie prophezeit, ist es auch eingetroffen. 8s uou s vsro, dsu trvvuto.
— Kork als Pflastermaterial ist in den letzten Jahren in England einer ziemlich eingehenden Prüfung unterzogen worden und hat sich auch ganz gut dabei bewährt. Der Kork wird zu einer grobkörnigen Masse zer- r eben, mit Asphalt und irgend einem Faserstoff innig zusammengemengt und unter hohem Druck zu Blöcken geformt. Der so erhaltene Pflasterstein ist zähe und dabei doch elastisch, ohne aber auch wieder zu leicht zusammen« gedrückt zu werden. Die Oberfläche bleibt immer etwas rauh, giebt also den Pferden besseren Halt; Feuchtigkeit hat keinen Einfluß auf derartige Steine, die auch das Geräusch auf ein Minimum reduzieren. Die Verlegung erfolgt ähnlich wie bei Holzpflaster auf einer Betonschicht; die Fugen zwischen den Blöcken werden mit Asphalt ausgegossen.
.-. (Eine Aufgeklärte.) Hausfrau: „Au- guste, daß Sie mir keinen Soldaten in die Küche einlaffen, der Herr duldet's nicht." — Köchin: „Ich weiß schon aus der Zeitung, daß der gnädige Herr in Militärsachen mit der Opposition geht.
Redaktion, Druck und Verlag von B « r n h. H o sm » nn in Wildb » d.