Der Kaiser befahl die sofortige Rückkehr nach Deutschland und trifft Montag abend in Kiel ein.
Friedrichsruh, 31. Zull. 4'/- Uhr nachmittags trafen Graf von Posadowski und zwei Geheime Räte hier ein. Dieselben reisten um 6 Uhr nach Hamburg weiter. Es verlautet, die Leiche soll noch heule einbalsamiert werden und im Schlosse bis zur Fertigstellung des Mausoleums verbleiben. Vor dem Schloßportal, wo die Kondolenzlisten aus- liegen, herrscht großes Gedränge. Die letzte Nacht hielten die Totenwache der Leibkulscher deS Fürsten und ein Förster. Für die folgenden Nächte halten Förster die Totenwache
Berlin, 1. Aug. Der schwarzumränderte »Reichsanzeiger" teilt das Telegramm mit, das der Kaiser gestern an den Grafen Herbert Bismarck gesandt hat. Dasselbe lautet:
„In tiefer Trauer, teilnehmend an dem Schmerz, der Sie alle um den teuren großen Toten erfaßt, beklage ich den Verlust von Deutschlands großem Sohne, dessen treue Mitarbeit an dem Werke der Wiedervereinigung des Vaterlandes, ihm die Freundschaft meines in Gott ruhenden Großvaters, deS großen Kaisers Majestät fürs Leben erwarb
und den unauslöschlichen Dank deS ganzen deutschen Volkes für alle Zeiten. Ich werde seiner Hülle in Berlin im Dom an der Seite meiner Vorfahren die letzte Stätte bereiten." (Wie von anderer Seite berichtet wird, erfolgt die Beisetzung aber bestimmt in Fried- rlchsruhe an dem Punkte, den Fürst Bismark sich selbst ausersehen hat. Er hat auch seine Grabschrift bestimmt. Dieselbe lautet: „Hier ruhet Fürst Bismarck, ein treuer Diener Kaiser Wilhelms I." Bis zur Fertigstellung des Mausoleums erfolgt vorläufige Beisetzung in einem Raume des Schlosses.)
Der Kaiser ordnete eine lOtägige Hoftrauer, sowie eine 8tägige Armeetrauer an.
Berlin, 1. Aug. Ein langer Artikel des „ReichSanz." würdigt die unsterblichen Verdienste Bismarcks, in dem das Vaterland seinen größten Sohn verloren habe.
Hamburg, 1. Aug. Die „Hamburger Nachr." melden aus Friedrichsruh: Zie Züge des verewigten Fürsten tragen den Ausdruck vollkommenen Friedens.
Werschetz, 31. Juli. Gestern abend wütete hur ein heftiger Sturm mit Hagel. Durch den Drkan wurde eine Wand der Honved- Kaserne umgeworfen. Infolgedessen stürzte
das Dach ein. Ein Hauptmann wurde schwer verletzt. 3 HonvedS wurden gelötet, 2 wurden Mich verletzt und mehrere schwer verwundet.
— Tod durch Elektrizität. In einer Kautschukfabrik bei Paris brach Donnerstag Morgens ein Dachfeuer aus. Ein Balken, der niederstürzte, riß die daran befestigten elektrischen Drähte, die einen sehr starken Strom leiten, mit. Ein Arbeiter, der von den Drähten berührt wurde, sank sofort tot nieder, ebenso ein zweiter Arbeiter, welcher ihm Hilfe leisten wollte. Als auf den ersten Alarmruf der Fabriksingenieur von der Straße mit einem unbekannten Passanten herbeieilte und auch der Letztere, der sich den beiden Verunglückten zuerst genähert hatte, wie vom Blitz getroffen tot hinsank, erkannte der Ingenieur den Zusammenhang. Er traf sogleich Anstalten die Stromleitung zu unterbrechen. Hätte der Ingenieur das Leben eingebüßt, so wäre das Unglück ein unabsehbares geworden, da sich mittlerweile eine große Menge angesammelt hatte, die zur Hilfeleistung ein- dringen wollte.
— Je leichter ein Mädchen ist, desto schwerer heiratet es.
Dev rechte Hvbe.
Novelle von A. Nikola.
(Nachdruck verboten.)
4.
Als Herr Walcker mit einem Briefchen von Doctor Sinklar kommt, findet er die entthronte Herrin von Lorringshöh' in der Milchkammer zwischen Töpfen und Schüsseln voll gelblicher Milch und goldgelber Butter.
„Ich betrachte meine verlorenen Schätze," begrüßte sie ihn, und reichte ihm mit trübem Lächeln die Hand. „Es ist hart, an diesem ollen hier kein Recht mehr zu haben."
Einen Moment ruht des Gastes Blick fest auf ihr, und die Röte steigt ihm in die Stirn.
„Darf ich fragen, was Sie zu thun gedenken?" hebt er nach kurzem Schweigen an.
„Wir gehen nach Wallstadt," entgegnete sie und blickt mit offenem Auge zu ihm auf; „dort hoffe ich irgend welche Beschäftigung zu bekommen. Meine Schwester kann ich natürlich nicht verlassen; sie wäre auch zu unglücklich ohne mich."
„Ich gehe auch nach Wallstadt."
„Sie auch? Ich glaubte, Sie blieben bei Doctor Sinklar?" entgegnete Röschen ruhig. Doch im Stillen freut sie sich, daß sie in der fremden Stadt wenigstens eine befreundete Seele bisweilen sehen wird.
„Ich bin nur für kurze Zeit bei Doctor Sinklar; ich gedenke sehr bald, vielleicht schon in nächster Woche, nach Wallstadt zurückzu- kehren."
„Ich habe gestern bereits wegen einer Wohnung geschrieben," erzählt Röschen und plauderte weiter von ihren Plänen; das unverkennbare Interesse, das der junge Mann zeigt, ist ihr ein großer Trost.
Am Abend kommt Doctor Sinklar mit einem Vorschlag von Humdert Lorrtng, ob die Damen nicht aus Lorringshöh' bleiben wollen, so lange eS ihnen behagt.
Röschens Wangen färben sich dunkelrot.
„Wie geduldet aus Barmherzigkeit sollen wir hier bleibenl" ruft sie in stolzem Tone; dann plötzlich verläßt sie das Zimmer.
Während Doctor Sinklar sich zu Lucy wendet, ist Walckcr's Blick mit tiefernstem Ausdruck fest auf die offene Thür gerichtet, durch welche Röschen verschwunden ist.
„Wenn Ihre Schwester doch vernünftig sein wollte," spricht der alte Herr fast ärgerlich; „ich bin überzeugt, der junge Lorring ist ein ganz guter Mensch, mit dem sich wohl reden ließe."
„Röschen ist stolz," erwiderte Lucy, indem sie mit feuchtem Auge zu ihrem väterlichen Freunde aufblickt. „Wie ich sie kenne, wird sie nie von eines Mensche» Güte leben; ich glaube, wir thun gut, ihr ihren Willen zu lassen."
„Nein, nein, das ist mehr Eigensinn als Stolz," erwidert Doctor Sinklar und seine Stimme klingt um so rauher, je mehr sein Herz für Röschen miifühlt, die bis heute noch keine Sorge kannte. Walcker, nicht im Stande, mit anzusehen, wie heiße Thränen des Kummers über Lucy's bleiche Wangen herabfließen, steht auf und verläßt das Zimmer. Draußen im Garten findet er Röschen, hingesunkcn auf eine Bank, und, das Gesicht in den Händen verborgen, weinend, als wollte das Herz ihr brechen. Stumm betrachtete er sie eine kleine Weile; als er aber ihren Schmerz nicht länger anzusehen vermag, tritt er näher
„Wie Sie Ihren Vetter hassen müssen!" ist alles, was er sagt. Röschen schaut, noch schluchzend, mit ihränenseuchten Augen und mit vor Beschämung dunkelroten Wangen, schüchtern zu ihm auf.
„O nein," erwidert sie mit noch bebender Stimme, „ich hasse ihn nicht; ich dachte nur daran, daß wir Lorringshöh' verlassen müssen. Ich werde den Mut nicht sinken lassen; ich bin heute nur müde und erschöpft."
Walcker tritt noch einen Schrit näher an Sie heran.
„Aber vielleicht thun S>e Ihrem Vetter unrecht; thälen Sie nicht besser, ihn erst zu sehen, bevor Sie über ihre Zukunft entscheiden ?"
Röschen schüttelte ernst den Kopf.
„Nein, nie mag ich ihn sehen; auch bin ich fest in meinem Entschluß Vielleicht," fährt sie, durch ihre Thränen lächelnd fort, „wenn wir Sie später in Wallstadt treffen, stehen Sie mir bisweilen mit gutem Rate bei. Habe ich bisher doch stets nur auf dem Lande gelebt; ich spüre ein wenig Furcht vor diesem neuen Leben in der Stadt."
So sprechen und beraten sic zusammen ihre Pläne, ihre Zukunft.
„Wenn Sie eines Fremdes bedürfen," spricht er beim Abschied, so kommen zu mir."
Röschen blickt offenen Auges zu ihm auf und entgegnete einfach: „Gern."
»- *
In des Sommers Hellem Sonnenschein treibt Röschen ein letztes Mal ihre Ponies durch die Thore von Lorringshöh'.
„Leb' wohl, mein geliebtes Heim, mein teures Lorringshöh', leb' wohll" schluchzte Lucy, als sie die schattige Lindenallee hinabfahren. Röschen aber spricht kein Wort, auch schaut sie nicht zurück; ihre Lippen beben — daS ist alles.
Als sie, auf dem Bahnhof angelangt, der armen L»cy zu einem bequemen Platz verholfen hat, kehrt sie noch einmal zurück und küßt die beiden Ponies mit inniger Zärtlichkeit. Dann wendet sie den Kopf und steht sich Auge in Auge mit Walcker. Tiefe Trauer spricht aus seinen Zügen; doch seine Lippen blieben stumm.
„Abschied nehmen ist stets schmerzlich," bebt Röschen endlich mit unsicherer Stimme an, — „besonders von allen lebenden Wesen. Mein armer Hans und Life — was mag aus ihnen wohl werden?" fügte sie hinzu, während ihr Auge den grauen Ponies folgt, wie sie dahintraden im Hellen Sonnenschein. Dann wendete sie sich ab, um ihre Thränen zu verbergen.
„Wie stark Sie sind I" spricht er. „Der Schmerz, von Lorringshöh' zu scheiden, bricht Ihnen fast das Herz, und doch wollen Sie es nicht lingestehen."
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion Druck und Verlag von Beruh. Hosma»« in Wildbad.