Me Weakistin.

Humoreske von A Fischer.

(Nachdruck verboten.)

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Er brauchte eine Frau und sie brauchte einen Mann. Er war Oberlehrer am Real­gymnasium zu Frankfurt und sie war schon fast dreißig Jahre alt und eine ehrbare Bür- gerStochter.

Gute Freunde und Bekannte hatten die Sache eingefädelt. Zuerst durch ein gemäßig­tes Lob und die Beleuchtung der anständigen Lebenslagen beiderseits. Dann war man mit Bernunftgründen ins Feld gerückt, zwi­schendurch mit kleinen Notlügen, die sich wie Peletonfeuer gegen das grobe Geschütz der Gründe auSnahmcn.

Durch alle diese in Scene gesetzten An­strengungen war das Interesse der betreffen­den beiden Menschen geweckt worden und aus dem Hintergründe löste sich für einen erfahrenen Beobachter schon deutlich der weiße Schein einer goldgeränderten Verlcbungs- kartc ab, als der Beschluß gefaßt wurde, in Begleitung mehrerer Kollegenfamilien eine Nheintour während der Ferien zu unter­nehmen, um sich näher kennen zu lernen, wie es Eva Tornow vor einer erklärten Nerlobung nach notwendig erschien.

Dieses Kennenlcrnen war anscheinend in vollem Gange, als die Gesellschaft auf der Nheinreisr bis zum Drachensels vvrgedrungrn war.

Der Heiratskandidat Oberlehrer Hugo Weber stand weit abseits der ausruhenden Kollegen und deren Frauen vor Eva Tornow und zog es vor, dieser lieber in das stim­mungsvolle Antlitz z» blicken, als die Aus­sicht deS Drachensels zu genießen.

Was er ihr eben zugeflüstcrt hatte, war eine deutliche Liebeserklärung. Nicht schwär­merisch beredt, aber auch nicht pädagogisch trocken, sondern einfach klar und erschöpfend.

Fräulein Evchen, ich habe Sie sehr lieb. Ich wünschte, Sie würden meine liebe kleine Frau/ hatte er gesagt.

Eva Tornow rieb sich mit der flachen Hand ein Käferche» von der Wange fort. Es war ein Manöver, um die fühlbar auf- steigende Röte der inneren Erregung zu be­mänteln, die sie nicht verhindern konnte.

Also so klang das Wort von Männer­lippen, das sie wie jedes Mädchen, ganz seltsam erregte, trotz ihrer dreißig Jahre.

Doch im nächsten Moment ärgerte sie sich über sich selbst. Was war das für eine Thorheit, eine tiefere Empfindung bei den eben gehörten Worten herauSzukramen als von der sie diktiert worden waren. Die Heirat zwischen ihr und dem Oberlehrer war eine abgemachte Sache, wenn sie sich gegenseitig nicht positiv in ihren Naturen zuwieder waren. Lieben und geliebt werden war ein anderes Ding, und die Werbung, wie sie dieselbe so­eben gehört hatte, muhte nun einmal sein. ES ging nicht gut anders.

Eva Tornow halte sich stets mit Stolz eine moderne Realistin genannt. Sie baute ihr Denken und Empfinden auf das Ge­gebene, das Sachliche auf. Alles Konkrete und Schlichte war ihr stets sympathischer ge­wesen, als daS Abstrachtc und Schillernde. Selbst ihre Ansicht von Freundschaft, Treue und Liebe V-rlor sie nicht in ideale Begriffe von traumhaft sehnsuchtsvoller Form ohne

Wesenheit, welche wie wallender Nebel die Gebüsche, das krause Netzwerk der Adern durchzog, sondern sie war klar, bestimmt und wurzelte in ihatsächlichen Beweisen, in der Ausübung.

Sie hatte im Alter von siebz-hn Jahren selbst weder das Geseufze im Mondschein ausstehen können, noch je ein ahnungsvolles Gedicht geleistet. Die eigene Erhebung ge­wann sie nur in einigen Klassikern. Den Ausdruck ihrer seelischen Stimmung gaben sie ihr vollkommen wieder, und im übrigen fand sie sich unausgesprochen zurecht in ihren Gefühlen, sobald sie die Natur auf sich wirken ließ auf ihren Streifereien durch die­selbe, die sie unendlich liebte. Sie hatte Freundinnen an allen Ecken und Enden. Man schwärmte weder für sie noch mit ihr, aber man hing sich an sie, weil man sich in allen Stücken auf sie verlassen konnte.

Für die Männer lag in ihrem Wesen weit weniger Anziehendes. Sie besaß nichts von dem weichen Zauber, dem sinnlich Reiz­vollen einer schwärmerischen, schmiegsamen Mädchenseele. Nicht Unklares, was sich er- forchen ließ, nichts Begehrliches, was Be­gehre» erweckte, besaß sie. Außer normaler Tüchtigkeit in allen ihren Leistungen und einem leidlich hübschen Gesicht besaß sie keine hervorragenden oder bestechenden Eigenschaften, auch nicht einmal eine nennenswerte Mit gift. Man plauderte gern mit ihr und nannte sie einen guten Kameraden. Aber eS hatte sic noch keiner ersehnt zu heiraten, ja nur heiraten gewollt, bis zu ihrem dreißigsten Jahre, bis zu dem Augenblicke, wo deS Ober­lehrers Werbung in ihr Ohr klang.

Nun war sie zu alt geworden, um schöne Worte für baare Münze zu nehmen. Das Bewußtsein der Absichtlichkeit, die von An­fang an ihren Verkehr mit dem Oberlehrer beeinflußt hatte, wirkte verzweifelt ernüchternd in die augenblickliche Stimmung hinein. Naiürlich nahm Eva Tornow an, daß ein gewisses Gernhaben zwischen ihnen beiden herrschte, und daß ihre Naturen zusammen den Einklang ergaben, der für eine Ehe- Harmonie notwendig war. Bei ihrer realisti­schen Anschauung genügte dies auch für eine verständige Ehe. Und doch und dock I Eva fühlte ihr Herz heftig llopf n! Wo blieb alle Vernunft angesichts der sonnenge- tränktcn, grünen Rheir-wellen tief unten zu ihren Füßen, die von tausendjähriger Liebes- tust und Leid schwatzten.

Eva's realistische Weltordnung bekam auf einmal eine blasse Schattierung und verlor an Deutlichkeit. Dafür schlich sich ganz gegen ihren Willen ein Verlangen in ihr Herz, ein heißer Wunsch nach schwärmerischer und doch naturnotwendigem Lieben und Geliebt­werden.

War in des Oberlehrers Werbung am Ende doch etwas, was einen Such ins Ro­mantische hinein annnahml

Eva's Augen suchten eine Sekunde for­schend nach einem derartigen Ausdruck in ihres FreierS Gesicht.

Mit leiser Enttäuschung wendete sie wie­der das Gesicht herum.

Nun, erhalte ich gar keine Antwort," begann nach kurzer Pause Weber noch ein­mal, ohne einen Blick von Eva zu wenden.

Sie reichte ihm stumm die Hand, die er galant an seine Lippen zog. Das war nun doch recht hübsch, dachte sie, besonders da

alles, waS gesellschaftlicher Umgang mit dem schönen Geschlecht anbetraf, dem Oberlehrer ziemlich unbekannt war. Seine einzige drasti­sche Beziehung zu diesem beschränkte sich auf ein gelegentlich notwendiges Tischgespräch ui d auf Unterredungen mit einigen rabitcn Müt­tern, deren Söhne nicht aus seiner Tertia herauskommen konnten.

Eva wollte ihm gerade einen vielsagen­den Blick gönnen, als Weber wieder anhob :

Fräulein Evchen, ich bildete mir wirk­lich ein, Sie wären mir auch gut."

Das bin ich auch," cntgegnete sieschneller, als sie eigentlich wollte.

(Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

Ein lustiger Akademikerstreich wur e in der Nacht zum Sonntag in Düsseldorf verübt. Es ist bekannt, daß r e Stadtver­ordneten dem Denkmai für He mich Heine einen Platz verweigert haben. A u Sonntag Morgen nun bemerkten Spaziergänger im runden Weiher an der Jägerho'atiee, in dessen Mitte sich eine Grotte mit einer Fontaine b - sindet, daß dort eine Lebensgroße männliche Puppe aufgestellt war, die ein Schild mit folgender Inschrift zu Fußen hatte:Dem großen Heinrich Heine das dankbare Düssel­dorf l" Da die Polizei der Puppe nicht be­kommen konnte, wurde die Feuerwehr geholt, welche die Fontaine aufdrehte und so das Denkmal" in die Luft sprengte. Die Affaire wird in Düsseldorf viel belacht.

Aus Versehen mit der Schwägerin verheiratet. Vor einigen Wochen sand u, Enghien eine Hochzeit statt- Gestern blätterte die junge Frau zufällig in ihrem Heirms- düchetchen, als sie zu ihrem Entsetzen >e- merkle, daß darin nicht sie, sondern ihre zwei Jahre ältere Schwester als Gattin ihres Mannes verzeichnet stand. Nachforschungen ergaben, daß alle ans die Heirat bezüglichen standesamtlichen und kirchlichen Urkunden den- setben Jrrthum enthalten. Tie Sache ist auf eine Verwechslung durch den Standesbe­amten zurückzuführen. Die Staalsanwatt- schasl wird über die Sache zu entscheiden haben. Vorläufig ist der junge Ehemann auf dem Pavier der Galle seiner Schwägerin.

Wien, 1. Juli. Eine ganz besondere Ansicht von einer Anfichskarte hatte ein hies. Kutscher. DasNeue W. Tagbt." berichtet darüber: Ein Kutscher hatte seinem früheren Herrn auf einer offenen Korrespondenzkarte geschrieben: fein a Affenschädei, daß öS wissen."Wie kamen Sie dazu, der­gleichen auf eine offene Karte zu schreiben?" fragte der RichterNa, i Hab'm'r benki: schreibst eahm a Ansichtskarten; das is hiozt so Brauch." Der Richter hielt dem Geklag­ten das oorxus äslioti, eine gewöhnliche Kor­respondenzkarte, hin.Wieso Ansichtskarte? Na ja, was denn? was da auf der« Karlen steht, is mein Ansicht öber eahm, dös därj'a S' m'r glaub'n." Diese neueste An­sichtskarte erzielte einen Preis von 5 Gulden."

Japan beabsichtigt ein sechseckiges, völlig ans Porzellan hergeslellteS HauS auf die Pariser Weltausstellung zu schicken. Es mißt mehrere Ellen im Umfang und wiegt etwa 1400 Zentner. Vom künstlerischen Standtpunk: aus betrachtet, soll es eine her­vorragende Leistung sein. Die Anfertigung wird 40 000 Mark kosten.

Redaktion, Druck und Verlag von B ernh. H » fm » nn in Wildh » d.