In der neuen Welt.
Roman von P. Olleverio.
(Nachdruck verboten.)
24.
Nur sage Deinem Manne nicht, wenn Du erst verheiratet bist, daß Dein Bruder Dich wie eine Sclavin arbeiten Ueß I"
Das war zu viel. Ich stellte das Bügeleisen nieder, legte meine Hand auf seinen Arm und sagte:
Oscar, Alles, was ich thue, thue ich gern um Fanny'« wie um Deinetwillen. Ich will nicht die feine Dame sein, so lange Ihr Euch mit harter Arbeit quälen müßt. Und sprich nicht vom Heiraten, denn es ist nicht wahrscheinlich, daß ich es jemals thun werde."
Ich dachte wirklich so, wie ich sprach. Arthur war schon mehrere Wochen fort, ohne daß wir von ihm oder Gertraud etwas gehört hätten. Der Winter schritt vorwärts; das Wetter wurde immer feuchter und trostloser. Ich fühlte mich unwohl und nach allen Seiten hin sah es es mehr als traurig aus.
Als Oscar mich verlassen hatte, setzte ich mich in eine Ecke und weinte bitterlich.
15. Kapitel.
Aus Arthur'S Tagebuch.
Ich bin in Mehlbourne gewesen und unverrichteter Sache wieder zurückgekommen. Ich schreibe diese Zeilen in Fernyhurst, am Abend meiner Heimkehr, und habe noch nicht Zeit gehabt, in Erfahrung zu bringen, was während meiner Abwesenheit vorgesallen ist.
Von Richard und Gertraud habe ich nichts entdecken können. Nachdem ich sie mehrere Wochen lang allenthalben gesucht und nach ihnen geforscht habe, bin ich überzeugt, daß sie augenblicklich überhaupt nicht ta Melbourne sind. Irgendwo in Australien mögen sie sich aufhalten, — sogar sehr wahrscheinlich; aber es hat keinen Zweck, noch weiter nach ihnen zu suchen.
So bin ich denn wieder nach Fernyhurst gekommen, um die nächsten Ereignisse ruhig abzuwarten. Meine alten Erfahrungen lassen mich nicht daran zweifeln, daß Richard nur so lange wegbleibt, wie sein Geld langt. Wenn das verjubelt ist, dann kommt er ganz gewiß wieder zu mir.
Ich begriff anfangs nicht, wo er die Mittel zu seinem neuesten Streiche hergenommen hatte, bi- ich entdeckte, daß er das Schloß meiner Cassctte erbrochen und sich auf diese Weise zu einigen Hundertpfundnoten verholfen hatte. Wenn das indessen das einzige Unheil wäre, welches er ange- rtchlcl hat, so ließe es sich verwinden; aber der Mensch ist ein Schurke und stiftet Böses, wohin er kommt.
Ich habe in der ganzen Zeit von Christa nichts gehört, und da ich sie heute Abend nicht gut aufsuchen kann, werde ich Mrs. Barton aussordern, mir eine halbe Stunde Gesellschaft leisten. Vielleicht erfahre ich durch sie, ob sich während meiner Abwesenheit etwas Wichtiges ereignet hat.
* *
»
MrS. Barton war hier. Sie erzählt mir, daß es bei Leonhard's schlecht gehen müsse, daß sie ihr Mädchen entlassen haben und Christa sich mit der vielen Arbeit, die sie übernommen hat, fast zu Grunde gerichtet hat.
„Das liebe Fräulein ist so blaß und
schmal geworden, daß ich es kaum wilderer- kannt habe," sagte sie, „nur die Züge waren noch so lieb und herzig wie immer. Aber sie ist nur noch der Schatten von dem, was sie gewesen, als sie vor zwei oder drei Monaten hier war."
„Hier?" wiederholte ich erstaunt.
Und darauf erzählte sie mir, daß Christa ihr im Herbst einen Besuch gemacht hatte, um ihr für die Blumen und Früchte zu danken. Wenn ich doch an dem Tage zu Hause gewesen wäre!
Seit mich MrS. Barton verlassen hat, bin ich in rastloser Bitterkeit über diese v.r- kehrte Welt im Zimmer auf und ab gelaufen. Hier sitze ich nun mit meinem täglich sich vergrößerndem Reichtum, und dort, nicht weit von mir ist Christa und arbeitet sich krank; und ich bin überzeugt, daß sie nicht einmal ein paar Handschuhe von mir nehmen würde, wenn ich sie ihr anböte. Sie sprach mit eisiger Kälte zu mir, als ich sie das letzte Mal sah. Doch Geduld, ich muß abwarten, was die Zeit mir bringt.
* *
»
Es ist gut, daß Richard mir heute Abend nicht in den Wurf kommen kann. Es würde ganz gewiß heiße Worte zwischen uns geben, vielleicht noch mehr als Worte. Wenn ich bedenke, was er durch seine schändliche Schurkerei Alles angerichtet hat, könnte ich wahnsinnig werden. Ein Glück, daß er nicht da ist I
Noch etwas Anderes macht mich sehr besorgt und unruhig. Leonhard hat sein Haus viel zu tief und der Bucht viel zu nahe gebaut. Der Winter ist so weit, wenn auch kalt, doch ungewöhnlich trocken gewesen. Sollte das Wetter aber Umschlägen, und wir plötzlich Hochwasser bekommen, so schaudert es mich bet dem Gedanken an das, was geschehen könnte. Jedenfalls darf ich augenblicklich die Gegend hier nicht verlassen. Ich muß hier bleiben, den Lauf der Dinge beobachten und bereit fein, zu helfen, sobald es Not thut.
Was Christa anbctriffl, so muß und werde ich sie mir früher oder später gewinnen. Trotz Allem, was vorgesallen ist, nehme ich kein „Nein" an; über kurz oder lang führe ich Dich doch als mein geliebtes Weib heim.
16. Kapitel.
Christa'S Erzählung.
Mitten im traurigsten Winter erfüllte sich endlich, worauf ich so lange gehofft, was ich vom Himmel so inbrünstig erfleht hatte.
An einem stürmischen Nachmittag, als ich eben die Lampe anzündete und das Essen sür Oscar, welcher noch nicht nacht Hause gekommen war, vorrichtete, da that es leise die Küchenthür auf und Gertraud trat auf dir Schwelle.
Ich war nicht überrascht nur im höchsten Grade aufgeregt. Ich glaube, ich habe es stets erwartet.
Ich nahm sie ruhig bei dei der Hand und führte sie wie ein Kind in ihr Zimmer, drückte sie sanft auf das Bett nieder und küßte sie. Es war als wären die alten Zeiten wiedergekehrt, wo ich stets für Gertraud gesorgt hatte.
Sic hob die Hand und strich mir liebkosend die Wange.
„Christa," sprach sie weich, „freust Du Dich, mich wiederzusehen?"
An ihrem Finger glänzte der Trauring,
ein dicker, goldener Reif. Sie war genau so gekleidet, wie an dem Tage, an welchem sie verschwunden war, — dasselbe, schwarz und weiße Wollenkleid, denselben langen Regenmantel. Einen Augenblick lang konnte ich mir einbilden, die ganze trostlose Zeit, welche zwischen damals und jetzt lag, sei nur ein böser Traum gewesen; abrr der Trauring und der Umstand, daß alle ihre Sachen feucht und beschmutzt von der Reise verdorben waren, vertrieben schnell solche Illusionen. Sie trug keine zierlichen Kleinigkeiten an sich, mit denen sie sonst ihre Toilette zu vollenden pflegte, und eine jede, mochte sic noch so einfach sei» , nett zu machen verstand ; ibr schönes Haar war nicht wie sonst künstlich frisiert, sondern glatt z»- rückgestrichen und in ein dichtes, schwarzis Netz gesteckt.
Das Alles sah ich mit einem Blick, und dann erwachte ich plötzlich zu dem Bewußtsein, daß ich Fanny von Gertraud's Rückkehr unterrichten mußte, bevor Oscar nach Hause kam. Ich eilte in das Wohnzimmer, schlang die Arme um Fanny's Hals und flüsterte ihr die Neuigkeit in das Ohr.
Sie fuhr mit einem Schrei in die Höhe und rief: „Wo ist sie?"
Nachdem ich es ihr gesagt hatte, lief sie in mein Zimmer und umschlang Gertraud mit ihren Armen, worauf wir alle weinten, daß es einen Uneingeweihten ernstlich hätte beunruhigen können.
(Fortsetzung folgt.)
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