von den Abgeordneten, die Millionen stehlen. Spuck' aus, wa«Du hast, sonst laß ich Dir nicht einmal Zeit, eine Ave Maria zu beten." Der Herr Abgeordnete beeilte sich, «herauszuspucken," was seine Brieftasche enthielt, worauf er sich entfernen durfte. So holte sich der Brigant die Herren Kommissionsmitglieder einen nach dem anderen vor den Flintenlauf und zwang sie zur Herausgabe ihres Gelbes. Die Arbeiter verschonte er. Einige Hundert Meter weiter rückwärts sammelten sich die Dreizehn und sahen mit großen Augen und langen Gesichten zu, wie der Brigant ihre Brieftaschen leerte und das Geld zählte. „Lumpengesindel!" rief der Räuber zu den Dreizehn hinüber, als er das Geld eingesteckt hatte. „Nicht einmal 1000 Lire hat dieses Pack bei sich. Kaum 750 I Mit Euch mag ich nichts wieder zu thun haben." Sprachs, wandte sich und verschwand in dem Gebüsch der Maremma. Die KommisstonSmiiglieder eigneten sich ihre leeren Brieftaschen wieder an und kehrten nach Grossste zurück, um sich telegraphisch neues Geld zu beschaffen. Einige von ihnen wollen aber von einer neuen Besichtigung des Aquäduktes nichts mehr hören.
— (Das schönste Mädchen von Sprottau.)
Beim Abschiedskommers der Abiturienten des Johannes-Gymnasiums zu Breslau beschlossen einige der angehenden Mussnsövne, an das schönste Mädchen einer schlesischen Stadt eine sogenannte „Bierkarte" zu schreiben. Bei der Wahl des Ortes verfiel manaufEprot- tau. Die Karte, adressiert „An das schönste Mädchen in Sprottau", Halle folgenden Inhalt: «Auf das Wohl dis schönsten Mädchens von Sprottau, der weithin bekannten, herrlichen Stadt, reiben wir einen donnernden Salamander." Dann folgten die Unterschriften. Einige darauf kam die Karte an einen der fidelen Kommersbrüder mit folgendem postalischen Vermerk zurück: „Es giebt in Sprottau viele schöne Mädchen; welches das schönste ist, kann nicht festgestellt werden, da dies Geschmacksache ist; daher unbestellbar."
— Das Milchmädchen mit dem Harmonium ist die neueste Erscheinung aus dem Dienstbotenmarkte in Dänemark. In der Gegend von Viborg in Jütland, so wird von dort geschrieben, hat ein größerer Hofbesitzer ein Dienstmädchen, das am Melken teilnehmen sollte, nur nach Erfüllung der
von ihr gestellte Bedingungen mieten können, daß sie Platz zur Aufstellung eines Harmoniums erhält und die Erlaubnis, darauf in ihrer freien Zeit zu spielen. — Vielleicht ist das musikalische Dienstmädchen das Erzeugnis einer der vielen Volkshochschulen in Dänemark in welchen praktische hauswirtschaftliche Kenntnisse zugleich mit schöngeistigen Dingen den Zöglingen beigebracht werden.
— Vergnügte Kinder in ganz reizenden Frühlingskleidern sieht man auf dem Titelblatt der „K i n d e r g a r d er o b e", Verlag John Henry Schwerin, Berlin, dem einzig dastehenden illustrierten Spezialblatt für Kindergarderobe, dessen Prinzip praktisch ist, indem Selbstansertigung und dadurch Ersparnisse im Haushalt die leitenden Grundgedanken sind. Spiele im Freien, Sport etc. sind Folien für die Entfaltung der Kinder- garderobe in reizenden Genrebildern. Der Selbstanfertigung derselben dient sowohl der Schnittmusterbogen, wie auch die Lieferung von Gratisschnitten zu den minimalen Selbstkosten zu jedem Modenbild. Aerztliche und häusliche Winke, illustrierte Märchen, Spielzeuge zum Selbstanfertigen aus Resten und Abfällen, Spiele etc. machen „Kindergarderobe" zu einem der populärsten und prak- tischten Spezialdlätter. Für 60 Psg. pro Quartal nehmen alle Buchhandlungen und Postanstalten Abonnements entgegen. Gratis-Probenummern durch erstere und den Verlag John Henry Schwerin, Berlin 35, Steglitzerstraße 11.
In der: neuen Well.
Roman von P. Ollevrrio.
(Nachdruck verboten.)
2 .
Etwas interessierte mich gleich bei unserem ersten Beisammensein an ihm, — das war der traurige Ausdruck seiner großen, grauen Augen. Sie besaßen für mich etwas rührend Melancholisches, das nur verschwand, wenn ihr Eigentümer lächelte, und das geschah selten genug. Im Ganzen machte Herr Ausbach auf mich den Eindruck eines ruhigen, zurückhaltenden Mannes, dem nichts ferner lag, al« uns zu «überlaufen," wie Gertraud vorausgesetzt hatte.
„Wir glaubten bereits, Sie wollten uns überhaupt nicht kennen lernen, Herr Ausbach," meinte Oskar in seiner herzlichen, gutmütigen Art, die man hier zu Lande so hoch zu schätzen weiß. „Wir wohnen schon über einen Monat in diesem Hause, und der ganze Distrikt hat uns lange seinen Besuch gemacht, nur Sic nicht — und Sie sind doch fast unser nächster Nachbar."
„Und Ihre Schwester, Herr Ausbach," fiel Gertraud ein, — wird sie sich überhaupt nicht herablassen, uns zu besuchen?"
Mir schien es, al« ob der Gefragte bei diesen Worten leicht zusammenfuhr, als ob er dieselben nicht erwartet hätte und nun nicht recht wußte, was er darauf antworten sollte.
Die Tycetasse, welche ich ihm eben reichte, entglitt beinahe seiner Hand, und er bat mich seiner Ungeschicklichkeit wegen um Entschuldigung, bevor er Gertrauds Frage beantwortete. Dann sagte er:
„Meine Schwester wird sich außerordentlich freuen, recht bald Ihre Bekanntschaft zu machen;" woraus er mit einer gewissen Hast zu mir gewendet fortsuhr; „Reiten Sie gern, Fräulein Christa?"
Er lächelte, während er so sprach. Er hatte ein angenehmes, mildes Lächeln.
Ich erzählte ihm darauf, daß mir der Gedanke, hier reiten zu können, derjenige gewesen sei, welcher mich am meisten nach der neuen Welt gelockt Halle.
Das gab unserer Unterhaltung eine andere Wendung, so daß Herrn Ausbach'S Schwester, von welcher wir hin und wieder als von einem hübschen Mädchen und einer besonders kühnen Reiterin hatten reden hören, an jenem Abend nicht mehr erwähnt wurde.
Zwei Tage darauf aber kam sie zu uns, und der Eindruck, weichen sie bei ihrer ersten Einführung aus mich machte, war ein ziemlich unangenehmer.
Gertraud und ich waren sehr neugierig auf Fräulein Ausbach gewesen; — im Umkreis von sieben bis acht englischen war sie das einzige junge Mädchen, welches auf gleicher Bildungsstufe mit uns stand. Wir hatten jedes über sie hingeworfene Wort gesammelt, und unsere daraus gebildeten Meinungen gingen einigermaßen auseinander. Als daher Gertraud plötzlich in das Zimmer her- eingcstürzt kam, in welchem ich ruhig lesend saß und rief: „Christa, Herr Ausvach mit seiner Schwester!" da war es kein Wunder, daß ich mein Buch auf die Erde fallen ließ und mir das Herz heftig klopfte.
Im nächsten Moment hob Herr Ausbach das Buch aus und seine Schwester schüttelte mir die Hand so kräftig, daß meine Finger davon schmerzten.
Sie war nicht gerade hübsch, aber auch nicht häßlich» und hatte volles, dunkles Haar, welches sie in einem Chignon und einer um dieses herumgeiegien Flechte trug, die gewiß nicht auf ihrem Kopf gewachsen war. Ihre Augen besaßen viel Feuer, ihr Mund war klein und hübsch geformt, ihre Zähne wie die Perlen. Aber in ihrer ganzen Erscheinung lag etwas, was mich vom ersten Augenblicke an zurückstieß, und dies Gesüht habe ich nie verloren. Sie sprach viel und mitunter so seltsam, wie mich dünkte. Zum Beispiel bat sie uns, als sie sich fünf Minuten im Zimmer befand, sie Magdalenezu nennen, und riet, uns von ihrer Schwägerin nicht kurz halten zu lassen, sondern uns zu amüsieren, so oft sich Gelegenheit dazu böte.
Ihr Bruder sprach kein Wort mit ihr, auch nahm er nicht die geringste Notiz von dem, was sie sagte. Nur ein oder zwei Mal,
wenn sie in ihrer Redeweise besonders un- weiblich war, schien es mir, als ob er leicht erbebte; doch wenn er sich wirklich darüber ärgerte, so zeigte er das in keiner anderen Weise.
Er halte sich an meine Seite gesetzt unv unterhielt mich lebhaft, während Gertraud und Fräulein AuSbach auf dem Sopha unS gegenüber Platz genommen hatten, und bald in ihr eigenes Gespräch vertieft waren. Unser Thema bildete zunächst das heruntcrgefallene Buch. Es war „Die ägyptische Königstochter".
„Haben Sie Eber's „Kaiser" schon gelesen?" frug er.
„Nein, noch nicht."
O, dann wollte er eS mir die folgenden Tage schicken.
Ich war von jeher eine Freundin vom Lesen und nahm sein Anerbieten dankend an.
Es entstand eine kleine Pause, und Beide lauschten wir dem Gespräch unseres Gegenübers.
„Was für ein reizendes Kleid Sie tragen?" sagte Magbalene Ausbach. „Ist das Pique?"
„Satin!" entgegne» Gertraud in fast entsetztem Ton über solche Unwissenheit.
„Natürlich Satin I" wiederholte die Erstere, sich sichtlich ihres Irrtums schämend. „Ich bin so thöricht, und vergesse dergleichen immer, ich lasse mir. alle meine Sachen von Paris kommen uvd da schickt man mir, was man für gut befindet. Die Namen der Stoffe sind mir seilen bekannt."
Die Pariser Schneiderin klang uns im» ponierend. Gertraud warf einen Blick auf MagdalknenS graues Reitkteid, weiches allerdings tadellos saß.
Hier wendete sich Ausbach mir wieder zu und zwar mit bei Frage, wie mir die Reise gefallen habe.
Damit war rin weites Feld für unsere Unlerhaliung eröffnet und wir verplauderten die Zeit angenehm, bis wir merkten, daß auch Magdalene von ihrer Reise sprach und Gertraud seltsame Geschichten vom Schiff erzählte.
(Fortsetzung folgt.)
Rebaktivn, Druck und Verlag von Beruh. Ho fl» »NN i« Mldbgd.