Lübeck, 31. Jan. Hier herrscht orkanartiger Sturm, »er erheblichen Schaden an den Häusern angerichtet. Hochwassergefahr liegt vor.
Odessa, 1. Febr. Infolge des heftigen Sturmes in den letzten Tagen gingen auf dem Schwarzen Meere sieben Schiffe mit 200 Mann zu Grunde.
Venedig, 1. Fedr. Durch eine FenerS- brunst wurde die Kavalleriekaserne in Padua vollständig zerstört. Die Regimentsfahne konnte nur mit Mühe gerettet werden.
Rom, 1. Febr. Infolge des stürmischen Wetters sind heute in der Umgebung zwei Spinnereien eingestürzt. Beim Einsturz der einen in Oggiono wurden 8 Arbeiter getötet, auch sollen noch mehrere unter Trümmern begraben liegen, während bei der zweiten Spinnerei in Cesana di Brianza 2 Arbeiter ums Leben kamen. Nach beiden Orten ist Hilfe abgegangen.
Newyork, 2. Februar. Ein entsetzlicher Schneesturm, der dem orkanartigen Sturm am 12. März 1888 außerordentlich ähnlich ist, tobte in New-Iork und Neu-England. Die Straßen und Bahnlinien sind unpassierbar. Viele Bahnzüge wurden unter dem
Schnee förmlich begraben. Boston ist vollständig vom Verkehr abgeschnitten. Gestern wurden gegen 200 Pferde in den Straßen unter dem Schnee begraben, in dem sie über die abgerissenen LeitungS-Drähte der Straßenbahn stürzten und liegen blieben.
Vermischter.
— Weibliche Detektivs. In einzelnen großen BazareGcschäften, in denen nachweislich viel gestohlen wird, haben, der „Beil. Pr." zufolge, die Unternehmer weibliche Detektivs angestellt. Die Ladcndiebinnen werden leichter abgefaßt, wenn sie von Damen beobachtet werden, weil sie in ihnen gewöhnlich keine Detektiv vermuten, dann aber gestehen Damen, die das erstemal der Sucht nicht wiederstehen konnten, sich Sachen anzueignen, die sie nicht bezahlen können, was meistens aus Putzsucht u. s. w. geschieht, ihren Fehltritt weiblichen Detektivs gegenüber viel leichter ein und gestatten eher eine körperliche Durchsuchung. Man entläßt sie fast immer mit einer Verwarnung, nur im Wiederholungsfälle werden sie dem Gerichte zur Bestrafung übergeben.
Eine heitere Schmuggelgeschichte wird aus Sosnowice mitgeteilt. Eine junge Dame, welche in der Zollkammer zu SoSnowice wohlbekannt ist, kam am 24. Januar aus Katiowitz dort an. Sie war sehr elegant gekleidet und trug auch ein extrafeines Plüsch- jakett. Im Wiederspruch mit dieser eleganten Kleidung stand es, daß das Fräulein eine Schürze auf ihrem Kleide trug. Bei der Revision vor der Zollkammer wurde zunächst nichts Steuerbares vorgefunden. Beim AuS- treten aus der Revisionshalle meinte indes einer der Beamten, daß er die übrigens völlig neue Schürze als einen geschmuggelten Gegenstand betrachte, denn eine Dame mit Plüsch- jaketl gehe nicht mit umgebundener Schürze auf Reisen. Aller Protest half nichts, und so mußte sich die junge Dame bequemen, an Zoll und Strafe 7 Rubel zu hinterlegen.
(Ein eifriger Bewerber.) „Was, Sie sind der einzige Hausknecht, der sich auf meine Annonce gemeldet hat?" — „O nein, eS waren noch zwanzig hier I Die Hab ich aber gleich alle die Treppe hinuntergeworfen I" (Annonce.) Ei» junger Mann wünscht sich zu verheiraten. Es wird mehr aus gute Behandlung als auf Vermögen gesehen.
*
Kerzenswege.
Novelle von F. Stockerl.
(Nachdruck verboten.)
12.
Emmy schwingelte den Kops bei diesen Reden. War das wirklich dieselbe Sidonie Welten, die einst Fritz Schmit mit solcher Schwärmerei geliebt und beinahe an dieser Liebe zu Grunde gegangen war?
„Und Du bist nun ganz gesund wieder ?" fragte sie jetzt, um nur etwas zu sagen.
„Nur noch ein wenig nervös bin ich," erwiderte die junge Frau, „wir wollen darum nach Scheveningen, und wenn Du meine Gesellschafterin wirst, kannst Du mich ja begleiten. Aber sag doch, wie kommt es eigentlich, daß Du eine derartige Stelle suchst? Du hattest doch Vermögen l"
Emmy wurde der Antwort überhoben. Ein kleiner dicker Mann, mit spärlichem Haarwuchs und nichts sagenden gewöhnlichen Zügen, trat plötzlich in das Zimmer und wurde ihr von Sidonie als deren Gemahl vorgestellt.
Die junge Frau errötete ein wenig, als sie in Emmy verblüfftes Gesicht blickte, worin deutlich die Frage stand: Wie ist eS nur möglich ? Wie kann man seine Jugendideale so mit Füßen treten? Sie gewann jedoch vollständig ihre Haltung wieder, als ihr Mann sie fragte, ob sie in dem Landauer zu fahren wünsche.
Sie war die reiche, beneidenswerte Frau» die im Landauer spazieren fuhr, während hier die schwärmerische Freundin es glücklich so weit gebracht, eine Stelle als Gesellschafterin zu suchen.
„Herr Doktor Schmit", meldete der Diener jetzt. „Er sucht, glaube ich, das Fräulein Gesellschafterin," setzte mit .einem verschmitzten Lächeln hinzu.
Emmy wurde dunkelrot, und Sidoniens Gesicht verfärbte sich etwas. „Sehr angenehm", stotterte ste und dann stürmte er auch schon herein, leidenschaftlich erregt, mit strahlenden Augen, erhitztem Gesicht.
Er sah nichts von all dem Luxus des
eleganten Salons, schien weder den Banquier noch dessen Gattin zu bemerken. Seine Blicke suchten nur das geliebte Mädchen.
„Emmy I Gott sei gelobt, daß ich Dich gefunden l" rief er ihre beiden Hände ergreifend. Ich betrat Deine Wohnung, als Du sie eben verlassen. Zum Glück konnte mir Deine Wirtin die Straße nennen» wohin Du gewandert. Ich folgte Dir von weitem, sah Dich dann hier verschwinden. — Sie verzeihen, daß ich hier so hereingestürmt," wendete er sich endlich an Herrn und Frau Fernau, und als er letztere erkannte, zuckte cS gar eigen über sein erregtes Gesicht. „Stdoniel Siel Sie leben also, sind nicht gestorben vor Liebesleid, wie eine gewisse junge Dame behaupten wollte? Nun wird mir großem Sünder jawohl gnädig Absolution erteilt werden?" Schalkhaft lächelnd sah er Emmy an.
„Ich möchte aber doch um einige Aufklärungen bitten !" rief da Herr Fernau etwas gereizt, und blickte mit seinen runden Augen von einem zum andern. Die Art und Weise, wie der im gänzlich fremde Herr Doktor Schmit seine angebetete Gemahlin begrüßte, hatte ihn doch etwas frappiert.
„Es ist nur Schlußact einer kleinen Liebeskomödie, den der große Weltenordner da droben hierher verlegte," erwicderte dieser, „Fräulein Sidonie —"
„Bitte, meine Gemahlin, Frau Banu ier Fernau," fiel der glückliche Gatte ein.
„Ah, um so besser, die gnädige Frau wird Ihnen gewiß gern die gewünschte Aufklärung geben. Ich bitte noch einmal um Verzeihung." Er griff nach seinem Hut. „Sie begleiten mich doch, gnädiges Fräulein?" wandte er sich dann an Emmy, jetzt erst die richtige Anrede ihr gegenüber findend.
„Aber Sie werden doch nicht so wieder fortstürmen wollen, wie Siegekommen sind, Herr Doctor I" nahm Frau Sidonie jetzt das Wort. „Ich bitte sehr, daß Sie und Emmy das Diner bei unseinnehmen; beim Srct können wir ja meinem Gatten die Geschichte in oller Gemütlichkeit erzählen, und
nachher machen wir vielleicht eine Spazierfahrt im Landauer."
Wie sie es verstand, die reiche, vornehme Dame zu spielen, als wäre sie aufgewachsen in solchem Luxus, wie er ste hier umgab, als hätte ste nie einen dürftig ausgestatteten Salon mit verblichenen grünen Möbelbezügen bewohnt. Natürlich wollte sie dem einstigen Geliebten imponieren, ihm zeigen, was aus ihr geworden, wie klug sie mit ihren paar Pfunden gewuchert. Es war wirklich zu beklagen, daß dieser so gar keinen Sinn für solche Dinge jetzt hatte. Er empfand nur, daß er die schwüle Luft hier nicht mehr zu atmen vermochte, und zwei Menschen Wie Emmy und er nicht hierher gehörten in diese Welt des Luxus, des Reichtums und der inneren Leere. Als ste gegangen, da sah sich Frau Sidonie betroffen in ihrem Salon um, wie öde, wie nüchtern erschien ihr derselbe trotz aller seiner Pracht, etwas fehlte darin was diesen beiden glücklichen, hinter denen sich soeben die Thüren schlossen, überall hin trugen, mochte ihr Lebensweg über Klippen und Abgründe oder blumige Pfade führen, die Poesie des Daseins.
Noch betroffener war Herr Fernau. „Dos ist ja eine ganz sonderbar« Geschichte I" meinte er. „Warum bleiben solche Leute nicht hier, wenn man ste zum Diner einladet, das möchte ich wissen I Uebrigens werde ich den Wagen nun bestellen, ich denke, wir können noch eine Spazierfahrt machen vor dem Essen."
Sidonie gab herablassend ihre Zustimmung, und manch neidischer Blick folgte ihnen, als sie in dem eleganten Landauer durch die Straßen fuhren. — Emmy und dem Doktor Schmit hingegen folgte kein einziger solcher Blicke, als sie Arm in Arm nach dem Tiergarten eilten, um dort auf irgend einem lauschigen Plätzchen sich immer wieder von neuem zu versichern, daß ste sich liebten, immer geliebl hätten und nie aufhören würden, sich zu lieben.
— Ende. —
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Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hosmgnn in Wildbad,