Rundschau.
Stuttgart, 27. Okt. Dik Verlegung des Hvflagrrs nach Bebenhausen, wo große Jagden stattfinden werden, erfolgt am 17. November. Am 2. Dezember wird das Königspaar wieder das hiesige Wilhelmspalais über die Wintermonate beziehen.
Maulbronn, 27. Okt. Ein hies. Schuh- machermeistcr erhielt aus Johannisburg in Südafrika den gewiß seltenen Auslrag, für 250 Schuhwaren dorthin zu liefern. Laut übersandter Zahlungsanweisung kann das Geld bei jeder Bank erhoben werden.
— In Freudenstern (Amts Maulbronn) begeht Adlerwirt Hä hule demnächst das öOjähr. Gemeinderats-Jubiläum. Er dürfte wenige Kollegen haben, die in gleicher Lage find.
Vom Remsthal, 28. Okt. „Es ist zwar kein Unglück, ärgert aber einen doch." Dieses Wort läßt sich auch für folgenden Fall an- wenden. Ein Wirt von Stuttgart hat in einem RemSthalorl mehrere Wagen Wein ausgekauft. Ein gedungenerFuhrknecht spannte rasch seine zwei Pferde ein und kommt mit einem Wagen wohlbehalten vor dem Hause des Wirtes an. Als aber der Stadtumgelder den Ladschein mit den Fässern kontrollieren will, da waren diese alle leer; sie waren aber nicht ausgelaufen, vielmehr hatte der Knecht den leeren Wagen cingespannt und den geladenen stehen lassen. An Schmeichelworten seitens des Wirtes und des Fuhr- werkhalicrs hat es nicht gefehlt.
Gerabronn, 27. Oktober. Mit dem Echreinermeister Schön von hier hat es der Storch sehr gut gemeint; er hat ihm drei Buben auf einmal beschert.
— Wie auswärtige Blätter berichten, ist ein Einschreibebrief mit 2000 ^ Inhalt, den daS Bankhaus Erlanger und Söhne in Frankfurt am 18. v. Mts. an eine Bankfirma ln Konstanz zur Post gab, auf dem Wege dorthin abhanden gekommen; ob aus Reichs- oder . württembergischem Postgcbiet ist nicht gesagt. Da nach dem Postgcsetz bei Ersatzleistung für Einschreibbriefe von der Post nur 42 vergütet werden müssen, so ist obiger Firma durch Verlust des betreffenden Einschreibbriefs ein beträchtlicher Schaden entstanden. Vor solchen Schäden schützt man sich, wenn man bei Sendungen mit größerem Wertinhalt stets den vollen Wert deklariert.
Nürnberg, 26. Okt. Der Magistrat hat heute einen für die Mustkverhältnisse unserer Stadt wichtigen Beschluß gefaßt. Um das unter Leitung des auch in Stuttgart wohl- bekannten Musikdirektors Carl stehende Orchester auf seiner jetzigen Höhe zu erhalten, hat der Magistrat beschlossen, einen Zuschuß von 10 000 ^ pro Jahr zu gewähren, wogegen im Winter 10 Vvlkskonzerte sgegen Eintrittsgeld) und in den Monaten Mai bis Sept. jede Woche unentgeltlich 2 Konzerte im Freien veranstaltet werden müssen. Carl ist bekanntlich auch Dirigent der Kgl. Badkapeüe Wildbad.
Nürnberg, 27. Okt. (Vom 12. deutschen DündcSschießen.) Eine von etwa 130—150 Personen besuchte Versammlung von Garan- tiefondSzeichnern für daS 12. deutsche Bun- deSschießen hat gestern eine Resolution angenommen, die erklärt, daß der Zentralausschuß es bei der Ausrichtung des Festes an der nötigen Uebersicht habe fehlen lassen iznd sn> geradezu unverantwortlicher Weise einzelne
EtaiSposttionen in einer Höhe überschreiten ließ, die unbedingt zu einem ungünstigen Abschluß führen mußte. Die Versammlung wählte eine Revisionskommission, die sämtliche Korrespondenzen, Protokolle, Pläne und Rechnungen, sowie die Geschäftsbücher prüfen soll und an eine weitere Versammlung der Garantiefondszeichner Bericht zu erstatten hat. Ein Redner trat dafür ein, wenigstens so viel von den gezeichneten Beträgen einzuzahlen, daß deu auswärtigen Schützen die Preise gezahlt werden könnten. Dies wurde abgelehnt mit der Begründung, ooß das Sache des Zentralausschusses sei.
— Der Schloß-Brunnen Gerolstein — Schutzmarke „Krone" — wurde auf der Weltausstellung in Brüssel für sein ausgezeichnetes natürliches Mineral-Wasser mit der „goldenen Medaille" preisgekrönt.
Es ist dies die dritte höchste Auszeichnung (Düffeldorf, Cassel, Brüssel, welche diesem im In- und Auslande gleich geschätzten natürlichen Mineralwasser im Laufe einer Woche zu Teil wurde.
Würzbnrg, 27. Okt. Ein Soldaten- schindcr stand gestern vor den Militärge- schworenen. Nicht weniger wie 51 Verbrechen waren dem Unteroffizier des 2. Fuß- arlillerie-Regimenls Mathias Eßel, ein Taglöhner aus Freyung, zur Last gelegt. Während der Rekrutenausbildung 1896/97 ließ er je dreimal in der Woche seine ganze Korporalschaft in einen kleinen Verschlag kommen und als alle darin waren, kommandierte er: „Sofort hinaus l" Aus die hinauseilenden schlug er mit einer Klopfpeitsche ein ohne jedwede Rücksicht, nur zu seiner Unterhaltung. Als Unteroffizier vom Dienst ließ er die Rekruten öfter antreten und an sich vor- überparadieren, wobei jeder einen Schlag mit der Klopfpeitsche erhielt. Der Letzte bekam natürlich die meisten Hiebe. Später wurde dem Eßel die Klopfpeitsche zu ungenügend und er schaffte sich deshalb einen daumendicken Rohrstock an und führte damit die Mißhandlungen an den Rekruten aus. Der erste, welcher mit dem Stock bearbeitet wurde, hieß Christian und wurde deshalb der Stock „Christian" getauft. Eines Tags trat er zu den Rekruten hin und schrie sie an : „Wer nicht pariert von Euch, der muß Bekanntschaft mit dem „Christian" machen", welche Aeußerung er auch zur Thal machte. Rekruten , die sich beim Exerzieren etwas zu schulden kommen ließen, versetzte er Schläge auf den Hinterteil. Beim Geschützexerzieren bediente er sich eines Leders und schlug damit auf die armen Burschen ein. Nachts im Bett ließ er sich Geschichten erzählen und wer nichts wußte, den begoß er gehörig mit Wasser. Im Mai ds. Js. ließ er eines Sonntags nachmittags seine Korporalschaft antreten und riß sämtlichen Leuten, damit sie nicht auSgehen konnten, die Knöpfe an den Waffenröcken ab und befahl ihnen, dieselben bis 4 Uhr wieder anzunähen. Ferner verlangte er von den Leuten kleinere Geldbeträge und zahlte sie nicht wieder zurück und ließ sich in Wirtschaften die Zeche bezahlen. Der Staatsanwalt geißelte in scharfen Worten das Gebühren des Angeklagten und erwähnte, daß ein derartiger Fall in diesem Saale noch nicht dagewesen. Die Geschworenen bejahten auch sämtliche Schulbsragen, worauf Eßel drei Jahre Gefängnis erhielt und degradiert wurde.
— Sonderbare Kurgäste. Offenbar hat
Meran in letzter Zeit unter dem Andrang jener galizischen Kurgäste zu leiden, die den Sommer über Karlsbad, Ischl und andere nördlichere Bäder beleben. Anders läßt sich die folgende Verfügung des dortigen Kurvorstandes nicht gut deuten: „Zur Beachtung I Das Betreten der Promenaden, Anlagen und des Kurhauses ist nur in hier üblicher, moderner reinlicher Kleidung und mit gepflegtem Kopf- und Barthaar gestattet; ebenso ist das Reinigen der Nase ohne Taschentuch nicht erlaubt. Das längere Verweilen in den Korridors des Kurhauses, sowie die Benutzung der dort befindlichen Sophas und Fauteuils zum Liegen ist nicht gestattet. Zuwiderhandelnde werden von den Organen der Kurvorstehung unnachsichtlich von den Promenaden und aus dem Kurhause entfernt."
— Warnung für Deutsche und — Cy- linder. Ein unangenehmes Abenteuer erlebte in Prag der Opernsänger des deutschen Landestheaiers Pauli in der Sonntagsnacht auf dem Wenzelplatz. Ein Man redete ihn heftig czcchisch an, und als Pauli, welcher der czechischen Sprache nicht mächtig ist, ruhig weiter schritt, versetzte ihm der Angreifer drei Eto hiebe auf den Kopf, wodurch die Krämpe des Claquehutes abgetrennt wurde und der Künstler eine Kontusion oberhalb des Auges erlitt. Von der auf die Hilferufe herbeigeeilten Wache arretiert, erklärte der Angreifer, der Handlungscommis Svarc, nach der Ursache deS Attentats befragt, czcchisch: „Ich kann Deutsche und Cylinder nicht riechen." Die Strafamtshandlung wurde eingeleitet.
— (Ein Hund mit falschem Gebiß.) Eine sehr interessante Nummer der gegenwärtig im Krhstallpalast zu Sydenham tagenden Hundeausstellung bildet ein kleiner Brüsseler „Schipperke", ein alles, gebrechliches Tier, daS an der Schönheitskonkurrenz sich nicht beteiligen will, aber darum bemerkenswert ist, Weil es der einzige Hund der Welt ist, der ein künstliches Gebiß im „Munde" führt. Sein Besitzer, ein Mr. Mosely, ist Zahnarzt. Als sein kleiner Liebling so alt geworden war, daß er alle Zähne verlor und nicht mehr fressen konnte, nahm sein findiger Herr einen Wachsabdruck von dem Gebiß des Tieres, und verfertigte ihm noch den Regeln der Kunst ein falsches Hundegebiß. Der kleine „Schipperke" kam nun wieder wie in seinen jungen Tagen sich an Knochen-Delikatessen erfreuen und macht nebenbei für seinen Herrn — großartige Reklame.
— Der größte Bahnhof der Welt ist der vor kurzem fertig gestellte Viktoria-Bahnhof zu Bombay in Ost-Indien. Dieser ganz aus Marmor und Granit im altindischen Baustil aufgeführte Prachtbau ist ein Werk des englischen Baumeisters W. Stevens und bildet im Grundriß ein Hufeisen. Großartige, von Kuppeln gekrönte Türme, offene Säulenhallen in der charakteristischen altindischen Gewölbearchitektur bilden die Fassade, welche durch Bildsäulen des Handels ».Verkehrs, Ackerbau und Wissenschaft gekrönt sind. Die Fertigstellung deS in seiner Art einzigen Bauwerks, hinter dem selbst noch die größten europäischen und amerikanischen Bahnhofsanlagen zurückstehen müssen, erforderte nach einer Mitteilung des Patent- und technischen Bureaus von Richard LüderS in Görlitz zehn Jahre, während die Baukosten sich auf ungefähr 50 Millonen Mark nach unserem Gelbe beliefe».