Rundschau.

Stuttgart, 18. Okt. Die Verlegung des Hoflagers nach Bebenhausen soll neuesten Be­stimmungen zufolge am 17. November er­folgen. Während des dortigen Jagdavfent- halteS wird der Besuch mehrerer Fürstlich­keiten erwartet. Am 2. Dezember überstedelt der Hof nach Stuttgart.

Heilbronn, 19. Okt. Der Optiker L. Oechsle, der die Weinwagc konstruierte, nach welcher fast überall der Gehalt des Weines beurteilt wird, ist gestern im 84. Lebensjahr in Pforzheim gestorben.

Murrhardt, 17. Okt. Welch bedeutende Anziehungskraft der Opferstock der hiesigen WalderichSkirche, an den sich besondere Wun­dersagen anknüpfen, weshalb zu ihm auch namentlich am Karfreitag gewallfahrtet wird, heutzutage noch besitzt, davon gibt das einen Beweis, daß in diesen Opferstock letzten Frei­tag von einem Fremden das reichliche Opfer von 1000 Mark niedergelegt wurde. Der Unbekannte machte selbst auf sein außer­ordentliches Opfer aufmerksam, ohne jedoch die Höhe der Summe, bestehend in 20 Stücken, gefunden wurde. Ein Zettel, der dabei lag, enthielt die Bemerkung, daß das Geld für die hiesigen Armen bestimmt sein solle. Der Fremde, ein älterer Herr, ließ während seines kurzen Aufenthalts hier noch verlauten, daß ihm «in früheres Opfer hier großes Glück brachte, weshalb er sich veran­laßt sah, eine weitere Spende darzubringen.

Nagold, 18. Okt. Dem Kirchengemeinde­rat wurde dieser Tage durch Herrn Dekan Römer die erfreuliche Mitteilung gemacht, daß Herr Privatier Gottlob Knödel die reiche Gabe von 300 ^ zur Beschaffung eines Kronleuchters für die Stadtkirche gespendet hat.

Nagold, 19. Okt. Die Stadt verpachtete ein seither 32 ^ eintragendes Fischwasser i» der Nagold um 300 ein schöner

Mehrertrag für die Stodikasse.

Ravensburg, 18. Okt. Gestern abend traf mit dem Eilzuge der Staatsminister der Justiz Dr. v. Breitling hier ein. Derselbe- wohnte mit Kanzleidirektor v. Weizsäcker den Verhandlungen der Strafkammer heute vor­mittag an. Im Hotel Hildcnbrand fand heute vormittag Diner statt, an welchem die Beamten teilnahmen. Mit dem Mittags- schnellzug verließ der Minister wider unsere Stadt.

Ravensburg, 19. Okt. Gestern vormit­tag fiel das 1'/»jährige Kind des Fabrikar­beiters Wegele in Hatzenrhurm Gmde. Wol- perswende in eine von einem Nachbar wäh­rend deS Bauens als Wasserbehälter benützte Grube und ertrank. Der Unfall dürfte für den Bauherrn noch ein Nachspiel haben, da die Grube weder umzäunt noch zugedeckt und auch niemand zur Beaufsichtigung aufgestellt war.

Schnsfenried, 18. Okt. DemS. M." wird vom 16. d. M. gemeldet: Heute abend ereignete sich auf dem hiesigen Bahnhof ein schwerer Unfall, indem dem Weichenwärter Reiser das link« Bein abgefahren wurde. Der Verunglückte steht schon beinahe 30 Jahre lang im Bahndienste der Station.

Herrenberg, 17. Okt. In vergangener Nacht brach Großfeuer in dem benachbarten Bondorf aus. 6 Wohnhäuser und 5 Scheuern nebst 10 kleinere» Schuppen liegen in Asche. Durch einen Kaminbrand im Gemcindeback- hauS, das wegen der Kirchweihe in den letz»

ten Tagen besonders stark in Anspruch ge­nommen worden, soll das Feuer entstanden sein.

Pforzheim, 19. Okt. In der Linden­straße verunglückte gestern nachmittag der 47 Jahre alte Straßenwarl Wülherich. Auf der beschotterten Straße war ein Kohlenfuhrwerk stecken geblieben, welches durch die zurzeit die Lindenstraße befahrende Dampfwalze wieder flottgemacht werden sollte. Der hiebei mit­helfende Mann geriet zwischen den Kohlen­wagen und die Dampfwalze und wurde jäm­merlich zerdrückt, so daß der Tod alsbald cintrat.

Pforzheim, 15. Okt. Der Privatmann Karl Friedrich Ungerer hier, bekannt durch seinenDiamanten-Prozeß* mit dem hiesigen Millionär und Bankdirektor Aug. Kayser, hat gegen letzteren bereits unterm 18. Mai ds. Js. Anzeige wegen Meineids bei der Hits. Staatsanwaltschaft erstattet, ist aber ab­lehnend beschieden worden. Seiner Beschwerde hiergegen hat auch die Oberstaatsanwaltschaft in Karlsruhe keine Folge gegeben u. Ungerer hat deshalb bei dem Obeclandesgericht in Karlsruhe auf gerichtliche Entscheidung an­getragen, sich zugleich auch als Zeuge in dem ev. Strafverfahren gegen Kaiser erboten. Nunmehr hat das Oberlandesgericht ent­schieden, daß der Anzeige nicht stattzugeben sei, weil in diesem Falle eigentlich doch nur Eid gegen Eid stehen wurde und anderweitige Beweismittel nicht beizubringen seien.

Mühlacker, 19. Okt. In Niesern Bez. Pforzheim hantierten vorgestern junge Bur- schen mit einer alten Pistole, welche nicht losgehen wollte. Der 15jährige Jakob Schäfer richtete dieselbe im Scherz auf seine Brust, plötzlich krachte der Schuß und Schäfer war alsbald eine Leiche.

Karlsruhe, 18. Okt. Hente, am Ge­burtslage deS sel. Kaiser Friedrich fand bei herrlichstem Wetter die Enthüllung des Kaiser Wilhelm Denkmals statt.

Sigmaringen, 16 Okt. Heute vormit­tag fand die feierliche Enthüllung deS von dem Fürsten von Hohenzollern errichteten Denkmals Kaiser Wilhelms des Großen statt.

München, 19. Okt. Der Abg. Grillen­berger, welcher heute Morgen in der Kam­mer der Abgeordneten noch eine fast ein- stündige Rede gehalten hatte, wurde heute Nachmittag gegen 2 Uhr auf dem Nachhause, wege vom Mittagessen vom Schlage gerührt und bewußtlos ins Krankenhaus verbracht, woselbst er abends 6'/» Uhr gestorben ist.

Nürnberg, 18. Okt. In der heutigen Schlußsitzung des Ausschusses des 12. deut­schen Bundesschießrns wurde ein Defizit von etwas über 100 000 ^ festgestellt. Vom Garantiefonds wurden 25 pCt. eingefordert.

Unter den in diesem Jahr eingestell- ten Rekruten der preußischen Armee befan­den sich nur 250, das sind 0,16 Prozent, die nicht lesen und nicht schreiben konnten. Vor zehn Jahren waren noch 1116, das sind 1,14 Prozent ohne Schulbildung.

Gefangene Kinder. Aus Berlin wird vom 16. Oktober berichtet: Vier Kin­der in furchtbar verwahrlostem Zustande sind durch den Kirchen- und Waisenrat Richter in einem Hause der Anklammerstraße im Nor­den der Stadt aufgefunden und dem Waisen­hause zugeführt worden. Die Einzelheiten über die Leidensgeschichte dieser Kinder sind geradezu grauenhaft. DaS Ehepaar Behrendt, welches in der genannten Straße seit langen

Jahren eine Wohnung im vierten Stocke inn'ehatte, ließ die Kinder im Alter von 8, 7, 2'/» und 1'is Jahren in dem größten Schmutze verkommen. Als der älteste Knabe schulpflichtig geworden war, wurde Herrn Richter ein Zeugnis des Armenarztes zuge­mittelt, wonach der krankhafte Zustand des KindeS ihm den Schulbesuch noch nicht ge­stattete. Das Zeugnis wurde wieder ausge­stellt, als das zweite Kind in das schul­pflichtige Alter gekommen war. Dies er­regte Aufmerksamkeit und um 6 Uhr wurde also heute mit polizeilicher Hilfe der Eintritt in die Wohnung erzwungen. Den Beamten bot sich ein entsetzliches Bild. In einem pestilenzialisch stinkenden Zimmer hockten auf der Erde vier kleine Kinder in Lumpen ge­hüllt, die abgezehrten Glieder von Schmutz, Koth, Ungeziefer, eiternden Wunden, Schwie­len und Beulen bedeckt. Die Kinder konnten vor Schwäche nicht stehen. Die Unglück­lichen hatten ununterbrochen und ohne je­mals auch nur eine Straße gesehen zu ha­ben, in diesem scheußlichen, niemals gelüfte­ten Raume gesessen, dessen Atmosphäre der Geruch von etwa fünfzig zahlreich bevölkerten und nie gereinigten Vogelbauern noch mehr verpestete. Als die Kinder auf den Armen der Schutzleute auf die Straße getragen wur­den, war ihr Erstaunen über den nie ge» sehenen Anblick grenzenlos. Im Waisen- hausc eilte daö ganze Personal zusammen, erschüttert von dem unbeschreiblichen Bilde, lieber die Gründe, warum die Eltern die Kinder derartig Verkommen ließen, wird wohl die angestellle Untersuchung Licht verbreiten.

Enzheim i. Elf-, 15. Okt. Die Kar­toffelernte fällt vorzüglich aus. Jeden Tag werden große Wagenladungen davon ver­sendet, von welchen nach der Schweiz gehen. Für den Doppelzentner werden 2^L40^f, bezahlt.

Brüssel, 19. Okt. Hier wurde eine Frau verhafte:, welche 8 kleine Kinder lebendig ver­brannt haben soll.

Die glückliche Hamburger Gartenbau- Ausstellung, die 300 000 Überschuß brachte, wird bei ihren Leitern in gutem Ge­denken bleiben. Der Ueberschuß wird an die Leute verteilt, die ihn Furch ihren Eifer und ihre Umsicht verdient haben. Der tech­nische und der geschäftliche Leiter erhallen je 30 000 , der Erbauer tec Festhalte

25 000 ^ Entsprechend werden auch alle anderen Beamten bedacht und auch die unter­geordnetsten erhalten noch je 80

Krupp hat die Kieler Germaniawerft angekauft und läßt sie bedeutend vergrößern. Nach der Fertigstellung der Neubauten sollen 2000 Arbeiter neu angestellt und im Dorfe Gaarden am Kieler Busen angestedelt werden.

Der belgische Grundbesitzer Vande- nabeele wurde auf seinem Gute von einer Räuberbande überfallen und ermordet. ES wurden 70,000 Frcs. Bargeld geraubt.

Wem gebührt der Finderlohn ? Ein bemerkenswerter Rechtsstreit wurde vom Landgericht in Duisburg in zweiter Instanz entschieden. Ein reicher Metzgermeister ließ in einem Eisenbahnwagen 3. Klaffe eine größere Geldsumme liegen. Ein Mann sah das zurückgebliebene Packet, nahm es an sich und lieferte es im Fundbureau ab, indem er gleichzeitig Anspruch auf den gesetzlichen Fin­derlohn , in diesem Falle auf 200 Mark, machte. Der Verlierer verweigerte die Zahl­ung und machte geltend, daß das Packet jA