Verschiedenes.
— Treue eines Hundes. Aus Barmen, 22. Juli wird berichtet: „Die unerschütterliche Treue des Hundes zeigte sich in ergreifender Weise gestern Nachmittag bei einem Leichenbegängnis. Zahlreiche Leidtragende geleiteten die Leiche des einer tükischen Krankheit erlegenen Prokuristen einer hiesigen bedeutenden Firma zur letzten Ruhe. Hinter dem Leichenwagen schritten der Vater des Verstorbenen, der seinen einzigen Sohn verloren hatte, die nächsten Anverwandten und — er hatte sich irgendwie die Freiheit zu verschaffen gewußt — der Jagdhund des Toten, ein „Docken". Alle Bemühungen, das Tier zur Umkehr zu bewegen, waren vergeblich, und als, auf dem Friedhofe angekommen, der Sarg dann aus dem Leichenwagen gehoben und zur Gruft getragen wurde, lief das treue Tier hinterher, fortgesetzt an dem Sarge emporspringend, und blieb schließlich lange Zeit noch an dem zngefchülteten Grab allein zurück."
— Der bekannte Naturprediger Johannes Guttzeit, ein ehemaliger Offizier, der mit seiner Frau in einer Hütte bei Berlin lebt, ist der von ihm bisher mit Feuereifer ver
tretenen Sache des Vegetarianismus untreu geworden. Er erklärt öffentlich, daß er, „um neue Kräfte zu gewinnen", sich entschlossen habe, wieder Fleisch zu genießen. In Vege- tarierkreisen erregt der Abfall des langjährigen Vorkämpfers der natürlichen Lebensweise und fleischlosen Kost unliebsames Aufsehen.
— 889 Hühner erstickt. Am Mittwoch Morgen um 9 Ubr 40 Minuten traf am Westbahnhof in Verviers ein Wagen mit 1500 jungen Hühnern aus Aachen ein, die für Abnehmer in Verviers bestimmt waren. Wegen der Zollabfertigung blieb der Wagen bis gegen 11 Uhr geschloffen, und als man ihn daraus öffnete, waren 889 der Tiere wegen Luftmangels verendet. Die Hühner- Hekatombe wurde verscharrt.
— Wie gleich jeder Mensch im Besitz feiner Gesundheit sein kann, wenn er auch nicht die geringste Anlage zum Millionär hat, beweist wieder einmal ein Fall in New- Jork, der augenblicklich nicht geringes Aufsehen verursacht. Mr. Charles Rouß, der viele Millionen sein eigen nennt, würde diese freudig hingeben, wenn er dafür sein Augenlicht, das er seit kurzem verloren hat, wiedererlangen könnte. Eine Million Dollars
hatte er Anfangs demjenigen Arzt ausge« setzt, dem es gelingen würde, ihn von seiner Blindheit, die infolge von Lähmung des Sehnervs eingetreten ist, zu heilen. Natürlich haben sich viele Aerzte aus allen Welt- gegenden gemeldet, doch ist bis jetzt nur wenig Hoffnung vorhanden. Ein junger Arzt aus Georgia, der den Erblindeten zuletzt untersucht hat, glaubt zwar ziemlich gewiß zu sein, in den Besitz der Belohnung, die der verzweifelte Mr. Rouß bereits auf zehn Millionen Dollars erhöht hat, zu gelangen. Der unglückliche Millionär verspricht sogar jedem, der ihm das Augenlicht auch nur auf Minuten widergeben würde, einen Teil seiner ihm jetzt völlig wertlos erscheinenden Millionen.
.'. (Schwerenöter.) Junge Dame: „Leider habe ich kein LoS mehr erhalten könnenI" — Junger Mann: „O gnädiges Fräulein, ich würde mich unsagbar glücklich schätzen, wenn Sie mein LoS mit mir teilen wollten!"
.-. (Aus dem Gerichtssaal ) Richter: „Sie haben einen schweren Einbruch verübt! Wissen Sie denn nicht, welche Strafe darauf steht?" — Angeklagter: „Nee I — Bitte, sehen Se mol nach I"
Im Strome -es Mens.
Roman von Jenny Piorkowska.
(Nachdruck verboten.)
17.
„So sollen Sie auch heute von mir hören, — etwas aus meiner Vergangenheit, eine traurige Episode, die mir mein ganzes Leben getrübt hat — etwas, das ich noch Niemand erzählt habe."
Und er erzählte mir von seiner schönen Schwester, wie dieselbe sich hatte verführen lasser, und Schmach und Schande über ihre ganze Familie gebracht hatte. Und er erzählte Alles in so rührender, einfacher zu Herzen gehender Weise, daß meine Augen sich mit Thränen füllten und ich trotz allem Weh, das ich selbst in meiner Brust verborgen trug, dieses Mitleid mit dem Manne empfand, dessen Leben durch de» Fehltritt seiner Schwester sich so trübe, so ernst, so vertrauensvoll gestaltet hatte.
„Ich habe Ihre Aufmerksamkeit lange genug in Anspruch genommen," sagte er mit plötzlich veränderter Stimme, „und danke Ihnen, daß Sie der Erzählung eines fast Fremden — wie Sie kürzlich meinten — mit so viel Interesse gefolgt sind."
«O, das sagte ich neulich nur in der Aufwallung des Augenblicks und bereute es schon in der nächsten Minute, wie so Manches, so Vieles, was ohne meinen falschen Stolz, ohne meine Heftigkeit nie über meine Lippen gekommen wäre. Aber nicht wahr Sie verzeihen mir, wenn ich Ihnen versichere, daß es mir leid thut, Sie gekränkt zu haben ?"
Er lehnte sich über den Tisch, beschattete das Gesicht mir der Hand und schaute mich eine Minute lang mit traurigem Ausdruck an.
„Ihnen Verzeihen?" sprach er sinnend, „nein, verlangen Sie das jetzt nicht! Wenn ich meinen Siolz, meine Leidenschaft besiegt haben werde, dann bin ich vielleicht im Stande, Ihnen zu verzeihen, aber nicht jetzt — nicht jetzt!"
„Es ist wohl Zeit aufzubrechen," erklang da Tante Aurelies Stimme, — sie hatte nur
im Auge, unser tots-ü-tots zu unterbrechen, ohne zu wissen, wie sie meinem Wunsche damit entgegenkam.
XII.
„Wie steht's — wie geht es ihm?" fragte ich Lisette, sobald wir heimgekehrt waren und diese mir in mein Zimmer folgte.
„Gut," crwiederte sie, wenigstens ist nichts Außergewöhnliches vorgefallen. Der arme Herr Blanchard sieht aber so blaß und angegriffen aus ; ein Wunder ist es freilich nicht, so tagelang allein eingeschlosfen sein in dem melancholischen Zimmer mit all den halb verwitterten Sachen, Büchern und Bildern, die noch von Fräulein Mariane da sind."
„Davon aber weiß Herr Blanchard doch nichts" sprach ich; „Sie haben ihm doch nichts von dem traurigen Geheimnis erzählt, das über diesem Hause schwebt?" setzte ich schnell hinzu, als ich den halb verlegenen Blick auf Lisettes Gesicht bemerkte.
„Es war nicht meine Absichtversetzte sie, „aber er ließ mir nicht Ruhe, bis ich ihm Alles erzählte, was ich von der ganzen Sache wußte. — Ich weiß nicht recht, wie er überhaupt darauf gekommen sein mußte. — Ich weiß nicht recht, wie. er überhaupt darauf gekommen sein mußte — ich glaube, durch einen Zettel, den er in einem Buche fand, in dem er wohl gelesen hatte. — Als ich gestern mit dem Essen bei ihm eintrat, starrte er mit so totenbleichem Gesicht und so seltsamem Ausdruck auf den Zettel, daß ich fast vor ihm erschrak. Dann bestürmte er mich mit einer Menge Frage», und dabei sah er mich mit seinen schwarzen Augen so durchdringend an, daß ich nicht wagte, ihm etwas zu verschweigen. Dann fragte er mich, ob Rodegg seine Schwester wirklich lieb gehabt, ob er sich um sie gehärmt und ob er nichts versucht hätte, ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Und als ich ihm sagte, ihr Name hätte niemals wieder genannt werden dürfen, Alles, was ihr einst gehört habe, sei in ihrem einstigen Zimmer verschlossen worden, er lhue Alles, sie zu vergessen, da wich die letzte Spur von Farbe aus seinem
Gesicht, und die Hände ballend stieß er die Worte hervor: „Aber er soll sie nicht vergessen !"
So sehr es mich darnach verlangte, Victor zu sehen, war eS mir an dem Abende doch unmöglich, unbemerkt zu ihm zu gelängen. Gleichsam, als hätte sie eine Ahnung von dem, was im Hause vorging, Giachte Fräulein Altener sich so permanent etwas auf dem oberen Corridor zu schaffen, daß ich meine Ungeduld zügeln und bis zum nächsten Morgen warten mußte. Aber auch da schien mir jede Möglichkeit, ihn zu sehen, verschlossen zu werden.
Unsere Abreise war für den folgenden Tag festgesetzt, und Josephine sowohl wie Martha halten ihre Koffer auf den Corridor gestellt, um bequemer packen zu können. So mußte ich mich wieder zu Tische setzen, ohne ihn vorher gesehen zu haben.
„Wie schade, daß es morgen schon sort- geht!" meinte Martha. „Mir ist gar nicht, als wären wir fast vierzehn Tage hier gewesen."
„Vierzehn Tage? Mir kommt es wie ein Jahr vor," rief ich unwillkürlich aus.
„Das spricht wenig für Dein Amüsement," bemerkte Josephine, „da wird Herr Rodegg Dich wohl sobald nicht wieder ein- laden, nicht wahr?" setzte sie, zu diesem ge- wendet hinzu.
Leider werde ich auf das Vergnügen, so werte Gäste wieder bei mir begrüßen zu dürfen, auf lange verzichten zu müssen. Ich gedenke, in den nächsten Wochen wieder einmal nach Amerika zu reisen."
Allgemeine Verwunderung, während Josephine sichtlich die Farbe wechselte.
„Gedenken Sie länger wegzubleiben?" fragte Tante Aurelia anscheinend ruhig; ich aber wußte, daß eS in ihrem Innern ganz anders aussah.
„Das ist noch ganz unbestimmt. Jedenfalls werde ich meine Angelegenheiten so ordnen, daß ich zwei Jahre wegblciben kann."
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hosmann in Wildbad.