Rundschau.
Ludwlgsburg. 12. März. Der Bäckerlehrling M. des hies. Bäckermeisters O- machte sich vorgestern abend in der Backstube seines Lehrherrn das Vergnügen, sich an seinem Taschentuch aus Scherz aufzuhängen, um seine Nebenarbeiter zu ängstigen, was mehrfach schon vorgekommen sein soll. Einerder Lehrlinge trat in die Backstube ein, und sagte zu M., daß er noch so lange hängen bleiben soll, bis er den Schießer zur Arbeit aufgeweckt und ihn herbeigeholt habe, daß dnser auch recht erschrecke. Als jene aber zum Gehängten herbeikamen, war derselbe eine Leiche.
Trochtelfingen, 10. März. Schon ver- schiedenemale wurde dem Brauereibesttzer Sch. hier ein bedeutender Schaden dadurch zugefügt, daß ihm von bubenhafter Hand Seife in das Kühlschiff geworfen und so das Bier, erzeugnis unbrauchbar gemacht wurde. Der Verdacht blieb aus einem Dienstboten des Besitzers haften und ergab eine Visitation seiner Habe, daß ein gleiches Stück Seife, wie solches in dem Bier gesunden wurde, in seinem Besitz war; ja man konnte sogar sehen, daß erst neulich ein Stück frisch davon abgeschnitten worden war. Nach langem beharrlichen Leugnen gestand er endlich die Sache ein, worauf er an das Amtsgericht Gammertinge» zu weiterer Untersuchung abgeführt wurde. Wäre da eine Prügelstrafe nicht gut angebracht ?
Ulm Ü. D-, 11. März. Der evangel. Kirchengemeinderat hat gestern beschlossen, zum Andenken an Kaiser Wilhelm 1. und zur dankbaren Würdigung der großen und unvergeßlichen Verdienste, welche sich derselbe um das Ulmer Münster erworben, aus den Mitteln der Münster-Baukasss ein gemaltes Kaiser-Wilhelms-GedächtniSfenster z» stiften. Das Fenster wird über dem neugebauten westlichen Seitenportal eingesetzt und wird die Kaiserproklamation in Versailles, sowie den Besuch Kaiser Friedrichs HI. als Kronprinz in Ulm (1872) zur Darstellung bringen.
Ulm, 14. März. Infolge heftige Schnee- falleS und des starken Schnecdrucks sind heute nacht zwischen hier und Friedrichshafen sämtliche Telegraphenleitungen gebrochen. Mittags war der Verkehr zum Teil wieder hergestellt.
— Vom 96er Wein. Ueber die Frage, ob der 96er besser oder schlechter als der 94er ist, oder ob beide Jahrgänge etwa gleichwertig sind, veröffentlicht Prof. Dr. Behrend- Hohrnheim im neuest. Landwirtschaftl. Wochenblatt einen längeren Artikel, welcher zu dem Schluß kommt, daß der 96er besser ist als sein Ruf, und dem 94er bei weitem überlegen, mit alleiniger Ausnahme der „Säure."
— Goldene Fünsmarkstücke in Pfannkuchen gebacken hat am Fastnachlstage ein Bäckermeister im Südwester, der Stadt Berlin. Der Bäckermeister machte bekannt, daß er in hundert Dutzend Pfannkuchen vier Goldstücke zu 5 ^ eingebacken habe. Das Publikum ließ sich durch diese Reklame verlocken und der Bäckermeister wurde seine Pfannkuchen reißend loö. Wie erzählt wird, soll ein Schuhmachermeister bei diesem Psann- kuchen-Preisessen unter 2 Dutzend Pfannkuchen, die er kaufte, 2 goldene Fünfmarkstücke gefunden haben. Die Bäckermeister jener Gegend sind von dieser neuesten Konkurrenzblüte sehr erbaut.
Aus Mecklenburg, 10. Mä,z. (Eine
Verzweisiungsthat.) Auf dem bei Laage gelegenen Gute Teschen führte eine Taglöhnerfrau, die mit ihrem Manne in Unfriede lebte, ihre 4 Kinder im Alter von 2 Monaten bis zu 6 Jahren an den Dorfteich, nähte die drei älteren Knaben zusammen und warf sie in den Teich. Darauf nahm sie den Säugling i» die Schürze und sprang den Knaben nach. Einem auf das Geschrei der Kinder herbeieilenden Schäfer gelang es, die Frau mit dem Säugling zu retten, die drei Knaben waren bereits ertrunken, auch wird der Säugling wohl schwerlich am Leben erhalten bleiben.
Graudenz, 8. März. Eine grausige Fahrt auf einer Eisscholle machten zwei Knaben während des Eisgangs der Weichsel. Der „Gesellige" berichtet darüber: Am Freitag nachmittag gegen 2'/» Uhr kam im Strom von der Fischerei her eine Eisscholle ange- tr^xben, auf welcher der 12jährige Knabe Zarski und der 10jährige Schlewe saßen. Sie hatten vorher in grenzenlosem Leichtsinn auf den Schollen am Ufer gespielt und waren plötzlich aus einer etwa 1h', Meter im Geviert großen Scholle vom Strome fortgerissen worden. Angst und Schrecken prägten sich auf den blassen Gesichtern der Kinder aus und jämmerliches Schreien ertönte von ihren Lippen, als ihre Scholle durch heftigen Zusammenstoß mit anderen Schollen gerade vor dem Fährplatz in bedenkliches Schwanken geriet; für die Zuschauer, die wegen der Entfernung nicht helfen konnten, war dies ein erschütternder Anblick. Doch versuchte Bademeister Czaika, der bei der Bergung der Fährprähme beschäftigt war, das Rettungswerk, indem er sich in einem Kahn den treibenden Schollen entgegenwarf. Ganz nahe dem Ziel, entwich ihm die Scholle mit den Knaben. Er suchte sie einzuholen, was ihm aber trotz übermenschlicher Anstrengung, da er nur mit einem Schiffshaken ausgerüstet war, nicht gelang. Deshalb arbeitete er sich wieder ans Ufer, nahm noch den mit einem Ruder versehenen ArbeitSburschen AnaSzkowSki auf und nun galt es mit voller Kraft, die Knaben, welche inzwischen bis zum Schloßberg getrieben waren, dem reißenden Strom abzuringen. Und es gelang den Männern mit fast übermenschlicher Anstrengung, sich durch das Chaos der treibenden Schollen durchzuringen, die Knaben hinter demSchloß- berg, nachdem sie auf ihrer grausigen Fahrt mehr als 1000 Meter zurückgelegt halten, zu erreichen und in ihr Fahrzeug aufzunehmen. Dann ging die Reilungsfahrt, wieder mit äußerster Kraftanstrrngung, gegen den treibenden Strom und die Eisschollen an ihren Ausgangspunkt, den Fährplatz, zurück, wo die Knaben glücklich gelandet wurden. Die Landung war sehr schwierig und gelang erst, nachdem den Männern eine Leine zugeworfen war, an der dann der Kahn ans Land gezogen wurde. Erst gegen 4 Uhr war das Rettungswerk, das die Knaben vom sicheren Tode entriß, vollbracht-
— Ein Kind von einem Schwein auf gefressen. Aus Pau wird berichtet: Eine Frau Tuha aus La Bastide-ViUefranche hatte unvorsichtiger Weise die Thüre ihres Hauses offen gelassen, als sie sich zu ihrer Arbeit in den Garten begab. Ein Schwein, das nach der häßlichen Gewohnheit, die die süd- französischen Bauern angenommen haben, die Tiere frei und unbeaufsichtigt umhergehen zu
lasten, im Hof umherirrte, trat inbaSHauS und warf sich auf ein drei Wochen altes Kind, das in seiner Wiege schlummerte. Die Mutter eilte auf die SchmerzenSrufe des unglücklichen kleine» Wesens herbei, sein Unterleib und seine Wangen waren bereits von dem Schwein aufgesresscn, ehe die Mutter es demselben zu entreißen vermochte.
Paris, 10. März. Dr. Fritz Frikdmann hat sich hier als „internationaler Rechtsanwalt" niedergelassen. In den Zirkularen, durch die er seine Niederlassung anzeigt, gibt er bekannt, daß er auch die „gesamte Tätigkeit von Detektivs" und das „Inkasso von Forderungen" besorge.
— Ein kroatisches Liebesdrama. Aus Agram wird geschrieben: Der Witwer Luka Tschubrilo in Radutsch (Kroatien) verliebte sich in seine hübsche Nachbarin Marija Tschud- riko. Diese scheint Anfangs seine Liebe erwidert zu haben, plötzlich jedoch wollte sie von ihrem Nachbar nichts mehr wissen. Nun sann Luka auf Rache und faßte einen teuflischen Plan. Er verbarg sich dieser Tage in der Nähe des Dorsbrunnens und wartete, im Gebüsche verborgen, ab, bis Marija um Wasser kam. Als sie sich über den Rand des offenen Cisternebrunnens neigte, sprang Luka aus dem Hinterhalt, faßte die Ahnungslose an den Füßen und stürzte sie kopfüber in den fünsMeter tiefen Schacht. Das arme Weib hatte noch die Kraft, sich im Brunnen umzuwenden und um Hilfe zu rufen, weshalb Luka ihr in den Brunnen nachsprang. Eine Nachbarin hatte die schreckliche Szene gesehen und rief Leute herbei. Unterdessen entspann sich im Wasser unten ein Kampf auf Leben und Tod. Die Kämpfenden hörten die herbeieilenden Leute, Luka ließ von seinem Opfer ab, kletterte zum Brunnen heraus und entlief in den nahen Wald. Marija wurde noch lebend aus dem Brunnen gezogen, erlangte das Bewußtsein wieder und erzählte den ganzen Hergang ; bald darauf aber erlag sie den schrecklichen Verletzungen. Den Mörder fand man im Walde — an einem Baume hängend.
— (Die Erbschaft des Hingerichteten.) Man schreibt der „N. Fr. Pr." aus Mainz: Am 16. Februar d. I. wurde in einem amerikanischen Orte der Millionär Arthur Düstrow, dessen Großvater vor seiner Auswanderung nach Amerika hier in Mainz eine Wirtschaft betrieben hatte, gehenkt. Düstrow hatte seine Frau und sein Kind ermordet, weshalb ihn die Jury zum Tode verurteilte. Vergeblich waren alle Bemühungen der Advokaten, die eigens nach Deutschland reisten, um Material über angeblichen Jrrstn tn der Familie Düstrow's zu sammeln, den Verurteilten zu retten. Nun beginnt, wie' die hiesige Presse mitteilt, nach dem Kampf um das Leben des Genannten, der Kampf um sein Erbe. Nach den testamentarischen Bestimmungen des Vaters Düstrow's, dessen jährliches Einkommen einst 126,000 Mark beiragen haben, bann aber auf jährlich 84,000 Mark gesunken sein soll, sind die Kinder der Schwester des Gehenkten die Erben. Nun hat sich aber die Schwester des Hingerichteten an die Gerichte gewendet, um nicht nur ihre Ansprüche an die Hinterlassenschaft zu verfechten, sondern auch um die Ansprüche der Anwälte Düstrow's, die Tausende von Dollars für ihre Dienste verlangen, prüfen zu lassen.
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Redaktion, Druck >»' Verlag von Bern h. Hosmanu in Wtldbad.