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Rundschau.
Stuttgart, 9. Mai. Im „Schw. Merk." lese» wir : Es tritt nicht selten der Fall ein, daß eine kirchliche Trauung aus dem Grunde ve> schoben werden muß, weil ein Nachweis über den Religionsstand der zu trauenden Personen (Taufschein und dergleichen) noch nicht beigebracht ist. Mit Rücksicht hierauf ist der Wunsch geltend gemacht worden, es möchte den Geistlichen die rechtzeitige Ermittlung des Religionsstandes dadurch erleichtert werden, daß sie jeweils schon von dem durch den Standesbeamten angeordneten Aufgebot Kenntnis erlangen. Nach einer Verfügung des Justizministeriums werden die Standesbeamten angewiesen, wofern sie nicht vorziehen, dem Geistlichen von sich aus eine Abschrift des Aufgebots zu übermitteln, bei Anordnung des Aufgebots in den hierzu geeigneten Fällen die Verlobten darüber, ob sie die (kostenfrei) Erteilung einer Bescheinigung über das angcordnete Aufgebot beantragen, ausdrücklich zu befragen und sie zugleich darauf hinzuweisen, datz sie durch rechtzeitige Uebermitilung einer solchen Bescheinigung an den Geistlichen einer unerwünschten Verzögerung der kirchlichen Trauung vorzubeugen vermöchten.
Heilbronn, 11. Mai. In den letzten Tagen kamen einige hier Ihätig gewesene Ladnerinnen, welche immer ziemlich flott auftraten, in den Verdacht des Diebstahls. Eine durch den Polizeiinspektor vorgenommene Durchsuchung förderte eine solche Menge von Waren aller Art zu Tage, daß der Wert derselben wohl annähernd sich auf 900 belaufen dürfte. Mutter und 2 Töchter wurden alsbald in Haft genommen.
Ravensburg, 11. Mai. Schuhmacher Rättich von Herbertingen, der am 22. April d. I. in der Strafkammer einm Stuhl nach dem Vorsitzenden warf, wurde wegen dieses Vergehens zu 1 Jahr Gefängnis verurteilt.
Wcrtheim, 11. Mai. (Das verkohlte Los.) Von der badischen Grenze wird folgender erheiternder Vorfall berichtet. Eine Bauernfrau aus S. hatte bei einem Kaufmann in M. vor einigen Monaten ein Pferde- marktlos gekauft, aber dasselbe später ganz und gar vergessen. Wie erschrak sie, als der Kaufmann, der die Losnummer ausgeschrieben hatte, ihr meldete, daß sie ein Pferd gewon-, neu habe und das Los einsenden soll. Sic konnte es nirgends finden. Endlich entdeckte sie das Papier in der Tasche eines Rockes, der in der Wäsche lag. Um das ganz durchweichte Los zu trocknen, machte sie ein tüchtiges Feuer im großen Kachelofen und le»te das Papier darauf, das natürlich völlig verkohlte. Die Asche brachte sie dem Kaufmann und bat ihn, dafür den Gaul zu besorgen, die Asche sei ganz gewiß vom Lose. Ob der Kaufmann daraufhin aber den Gewinn erhalten wird?
Pforzheim, 11. Mai. In Anwesenheit des Prälaten v. Schmid aus Karlsruhe, als Vertreter des Kirchenregiments, der hiesigen Geistlichkeit, der staatlichen und städtischen Behörden, einer großen Zahl geladener Persönlichkeiten , sowie einer tausendköpfigen Menschenmenge fand gestern Vormittag die Grundsteinlegung zur neuen evang. Kirche statt, welche auf dem sogen. Lindenplatz erbaut wird. Bei prachtvollem Wetter verlief die Feier in eindrucksvoller Weise. Für die Bauzeit der Kirche, welche einen Aufwand
von mehreren hunderttausend Mark erfordert, sind zwei Jahre in Aussicht genommen.
Karlsruhe, l l.Mai. Die II. Kammer nahm heute einstimmig die Gesetzentwürfe betr. die Herstellung der Nebenbahnen Karls- ruhe-Herrenalb, Ettlingen-Pforzheim, Wein- heim-Lampcriheim an.
Karlsruhe, 10. Mai. Die Sammlungen für die Wasserbeschädigten haben jetzt den Gesamtbetrag von 251 555 ^ erreicht, darunter 10 000 von den städtischen Verwaltungen Karlsruhe und Mannheim allein einschließlich der Privatsammlungen 121 260 Mark, Karlsruhe spendete 60 900 Mark.
— Einen teuren Spaß hat sich in Frankfurt a. M. ein Kaffeehausgast gemacht, der einem Kartoffelhändler das anscheinend reich gespickte Portemonnaie mit Inhalt unbesehen für 100 ^ abkaufte, dann aber, als der Kassensturz nur 23 ^ 50 ergab, nicht zahlen wollte. Vor Gericht kam ein Vergleich zu Stande, wonach der Käufer 50 ^ für das Portemonaie und die Kosten zu zahlen hat.
Straßburg i. Eis., 11. Mai. In dem Dorfe Geispolsheim sind 40 Gebäude nieder- gebrannt. Die Futtervorräte sind vernichtet. Eine große Anzahl Vieh ist umgekommen. Man vermutet Brandstifiung.
— Für Freunde schlechter „Scherze" wird die Nachricht von Wichtigkeit sein, daß das Reichsgericht ein Urteil gefällt hat, nach welchem wegen groben Unfugs Derjenige bestraft werden kann, der einem ihm bekannten Berichterstatter einer Zeitung eine nachweislich falsche Nachricht unterbreitet, von welcher er VorauSsetz-n kann, daß sie zur Kenntnis der Leser gebracht wird. Ist mit solcher Veröffentlichung noch der Schaden einer oder mehrerer Personen verbunden, so kann der Ausstreu-r der Nachricht außerdem für den entstandenen Schab-n haftbar gemacht werden.
— Weiter dürfte manchem Leser unbekannt sein, daß derjenige, welcher Inserate oder sonstige Einsendungen mit fingierter gesäsch- ler Unterschrift zur Veröffentlichung an eine Zeitung übergicbt, sich einer Privaturkunden» falschung und zugleich eines BetrugsvergehenS schuldig macht. Der Urheber einer derartigen Einsendung wird nach § 269 u. §263 des Strafg-sctzbuches verfolgt, und kann mit Gefängnis bestraft oder mit einer Geldstrafe bis zu 3000 ^ und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte belegt werden.
— Ein beliebter sozialdemokratischer Trick ist es, bei der Veranstaltung von Versammlungen Sterne erster Größe als Redner anzukündigen, damit der Besuch möglichst günstig sich gestalt-. Sind die „Genossen" dann zahlreich am Platze, so müssen Sie in vielen Fällen die enttäuschende Eiöffnung hinneh- men, daß der angekündigte Stern plötzlich am Erscheinen verhindert wurde. Diesem Schwindel tritt „Genosse" Bebel im „Vorwärts" wieder einmal mit einer Erklärung entgegen, worin er dagegen protestiert, daß er ohne seinen Willen und ohne sein Zu- tbun „als Redner in den Versammlungen öffentlich angezeigt werde." „Es ist dies"
— heißt cs dann weiter — „eine Unsitte, die auch in der Provinz immer weiter um sich greift und mir schon oft und in der letzten Zeit wiederholt Verlegenheiten bereitet hat. Sobald ich künftig wieder von einer ähnlichen mißbräuchlichen Anwendung meines Namens Kenntnis erhalte, werde ich ohne Rücksicht aus die Folgen für die Urheber
öffentlich mich dagegen verwahren." — Un- befangenex als Herr Bebel kann niemand beurkunden, daß es ihm nicht der Sache wegen um die Abstellung dieses „unlautern Wettbewerbs" auf dem Gebiete deS Der- sammlungSwesenS zu thun ist, sondern nur deshalb, weil dadurch seiner eigenen Person Verlegenheiten bereitet worden sind. — Auch ein Beitrag zur sozialdemokratischen Moral I
— Die Gudenauer Burg bei Bonn ist völlig niedcrgebrannt. 20 Stück Hornvieh sind bei dem Brande umgekommen.
— Eine böse Strafe für ein böses Weib. In Sussex in England starb der Gasthofbesitzer Lowe, der seiner Frau ein Vermögen von 60 000 ^ hinterließ. Diese Summe hatte der Verstorbene bei einem seiner Geschäftsfreunde deponiert, zugleich aber auch ein Testament mit der Anweisung, die Zinsen jenes Kapitals nur unter der Bedingung seiner Gattin aulzuzahleu, daß sie einige bestimmt formulierte Vorschriften erfülle. Am Todestage — so heißt es in dem Testament — sollte die Frau barfüßig, eine Kerze in jeder Hand tragend, rings um den Marktplatz von Sussex gehen und hierbei mit lauter Stimme einen Satz von einem Schriftstücke ablesen, in welchem alles das verzeichnet sei, was sie ihrem Manne im Leben Böses an- gethan hatte. Dann sollte sie laut erklären, daß, wenn ihre Zunge kürzer gewesen, ihres Mannes Lebens länger gewesen wäre. Ferner sollte sie alle umstehenden Frauen ermahnen, ihre Eheherren zu ehren, ihnen zu gehorchen, und niemals zu versuchen, sie zu Tode zu peinigen. Wenn die Witwe die Bedingungen nicht erfülle (so schließt das amüsante Testament), so solle sie nur 200 ^ jährlich an Zinsen erhalten, während die übrige Summe an einen Verwandten falle. — Da die Frau sich hartnäckig weigert, den harten Bedingungen Folge zu leisten» so wird sie nur jene 200 -/A Rente erhalten.
— Ein freches Räuberstück. In Chicago traten am 7. d. M. drei Männer in ein großes Modemagazin in der Madison-Street und verlangten Geld von der Kassiererin. Auf deren Weigerung zog einer einen Revolver und feuerte ab. Die Kugel durchbohrte den Kopf des Mädchens, welches tot niedersank. Die Diebe ergriffen die Flucht; der Ladenbesttzrr verfolgte sic, wurde aber niedergeschossen. Zur Zeit war die Straße sehr belebt, sodaß die Diebe in Gefahr waren, festgenommen zu werden. Um nun die Passanten von der Verfolgung abzuschrecken, feuerten die Räuber unausgesetzt Revolverschüsse ab, wobei zwei Personen getötet und mehrere schwer verletzt wurden. Den Verbrechern gelang es, in der Verwirrung zu entkommen.
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(Kindermund.) In einer kleinen Stadt erfreut sich der Bürgermeister einer sehr umfangreichen Nase. „Mutter", sagt da der kleine Hans, „wenn unser Bürgermeister schon solch' eine Nase hat, was muß da erst der in Berlin für eine haben!"
.-. (Liebeserklärung.) „Ich liebe Sic. mein Fräulein, Sie sind meine Göttin! Würden Sie mir nur gestalten, das ö in ein a umwandeln zu dürfen?"
.'. Pechpögel sind Landschaftsmaler, die cs auf keinen grünen Zweig bringen, Marinemaler, die stets auf dem Trockenen sitzen, Por- traitmaler, die kopflos sind, und Tiermaler, um die sich keine Kotze kümmert,