Dünkte Mächte.
Novelle von H. von Limpurg.
Nachdruck verboten.
21 .
Die Krankheit des Fürsten wurde immer schlimmer, der A>zt gab die Hoffnung fast ganz auf, und versuchte als letztes Mittel eine Luftveränderung vorzujchlagen. Man sollte den Kranken nach Schloß Weilern bringen I
Therese widersprach nicht, sie traf mit liebevoller Umsicht und treuem Pflichteifer die nötigen Vorbereitungen und an einem schönen Septembertage ward die Reise angc- treten.
An der letzten Bahnstation empfing Graf Weilern die Tochter und den Schwiegersohn und selbst sein oberflächliches Gemüt erschrack beim Anblick beider. War das sein Kind? Kaum zwanzig Jahre alt zogen sich bereits einzelne weiße Fäden durch das dunkelblonde Haar und die schönen Augen lagen lief in den dnnkeiumränderten Höhlen. Und das war seine Schuld ganz allein!
Langsam fuhr der Wagen durch die sich herbstlich färbende Landschaft.
Vor einem Jahre hatte dort im Walde Therese zum letzten Male den Geliebten getroffen. Der G danke stieg heiß auf m ihre Seele, doch sie schüttelte ihn ab, nur dem sterbenden Manne an ihrer Seite, der ihre Hand nicht loslassen wollte, durfte ihr Sinnen und Denken gewidmet sein!
Das schwere Wiedersehen Theresens mit der völlig gebrochenen Mutter war vorbei. Erschöpft ruhte Fürst Sereco im weichen Lehnstuhl aus und Therese ordnete still sorgend wie es ihre Art war, die Sachen im Zimmer, welche er bedurfte.
Da rief er mit einem Male ihren Namen, so angstvoll wie noch nie zuvor. „Schicke
— nach dem Pfarrer — und dem Notar
— ich — ich sterbe."
Der Pastor kam sogleich, auch der Amtsvorsteher, der den mit rauher, halbgebrochener Stimme hervorgestoßenen letzten Willen des sterbenden Fürsten zu Protokoll nehmen mußte; dann ward der Fürst ruhig. „Laßt mich allein — allein mit meiner Frau I" stöhnte er und man willfahrte schweigend seinem Wunsche.
„Therese," stammelte er mühsam, „nimm mich in — Deine Arme! Wenn Du mich
— auch nicht — lieben kannst — ich habe es in diesen schweren Tagen gelernt, Dich, Du Gute, aus vollem Herzen zu lieben und hoch zu schätzen, — und — will an Deinem Herzen — sterben — hast Du mir vergeben ?"
„Ja, Sergej," sprach die junge Frau feierlich, ich habe es längst geihan I Gott segne Dich, mein armer Gemahl I"
Es wurde still in dem dunkel verhangenen Gemach ; der letzte Kampf war ein schwerer, furchtbarer und die arme Therese flehte zu Gott empor, ihr Kräfte zu verleihen, um stark zu bleiben. Endlich gegen Mitternacht war der Todcskampf des Fürsten vorbei. Mit letztem, brechendem Blick stammelte er noch den Namen seiner Gattin, dann sank sein Haupt zurück und die Seele entfloh der sterblichen Hülle.
Bleich wie ein Geist trat gleich darauf die junge Witwe im Nebenzimmer wo die Eltern mit dem Oberförster Fels, der ein
Freund des Hauses geblieben war, beisamen saßen. Abwehrend hob sie die Hände, sie wollte keinen Trost, nur den Oberförster blickte sie fragend an:
„Herr Oberförster, Sie haben einst erklärt, daß sie gewisse Fehler und Sünden nicht vergeben könnten. Ich will Ihnen aber sagen, daß ich am Sterbebette gelernt habe, voll und ganz zu vergeben; ich verstehe nun das schöne Wort: „O lieb'so lang Du lieben kannst."
Der starke, strenge Mann taumelte jäh zurück bei diesen Worten; er wollte etwas erwidern, aber vor seiner Seele tauchte ein bleiches Männerantlitz auf, welches sich flehend zu ihm gewandt, und er vernahm seine eigene Harle St'mme: Ich habe keinen Sohn mehr — seufzend wandte er sich ab.
Wie von Furien getrieben stürzte er heim, er konnte und durfte kein Wort des göttlichen Trostes sagen, denn das erste aller Gebote hatte er mit Füßen getreten.
Auf seinem Schreibtisch lag ein Brief aus der Anstalt, wo Arihur sich noch immer befand; der Direktor schrieb, daß der Patient zwar iiessinnig, aber sonst nicht bedenklich krank sei, auch wohl an eine Verschlimmerung nicht mehr zu denken wäre und frug an, ob der Vater ihn nicht zu sich nehmen wolle.
Das war ein Wink vom Himmel I Der starre strenge Oberförster sank in die Kniee und weinte wie ein Kind; jetzt fühlte er das Vaterherz sich ganz und voll regen und die Liebe erwachen zu dem unglücklichen Sohne.
Noch am selben Morgen erhielt Direktor Berner von dem Oberförster ein Telegramm: Schicken Sie Arthur baldmöglich.
Droben im Schloß ward die Beisetzung des Fürsten mit all der düsteren Feierlichkeit, die seinem Rang und Namen zukam, vorbereitet.
In tiefem, krcppverhülltem Trauergc- wande hielt die junge Witwe selbst die Totenwache und manch einer, der bei der Trauung zweifelnd über das Glück der Brau! geflüstert, meinte jetzt ergriffen: „Sie müssen doch wohl glücklich gelebt haben, sonst würde die Witwe nicht so bleich und ernst all die Pflichten der Liebe an dem Toten erfüllen."
Weithin hallten die Kirchenglocken zur Stunde der Beisetzung. Unter den dumpfen Klängen eines Militairmsikkorps aus der nächste» Stade setzte sich der Trauerzug in Bewegung; Kränze, Palmen und Loorbeer schmückten den Sarg. Dem Fürsten Sereco ward im Tode mehr Teilnahme gebracht, als je im Leben, wenn nicht der Hauptanteil davon auf seine Gemahlin fiel.
Doktor Fels, der inzwischen in Forsthause angekommen war und in der Anstalt für ganz unschädlich schwermütig galt, war sogleich in sein Zimmer geführt worden, während der Direktor sich in das ihm angewiesene Fremdenstübchen begab, um sich vor der Ankunft des Oberförsters, der dem Begräbnisse des Fürsten beiwohnte, etwas auszuruhen und den Staub abzuichütteln.
(Schluß folgt.)
Verschiedenes.
(Der „gewilderte" Hirsch.) Eine heitere Geschichte erzählt die Fuldaer Zeitung. In einer Dorfwirtschaft des Kreises Fulda sitzen mehrere Gäste, die zu der Klasse der „Ützvögel" gehören. Da tritt in das Gast
zimmer der Herr Steueraufseher, ein beliebter und liebenswürdiger Herr. Er setzt sich allein an einen Tisch und horcht. Was die da drüben am andern Tisch sich zutuscheln, ist aber auch dazu angethan, eine» Beamten, zumal einen pflichttreuen, zur angestrengtesten Thäligkeit seines Gehörapparates anzusporncn. „Wißt ihr schon, daß zwei Wilddiebe vorhin einen Hirsch hereingebracht haben? Sie haben ihn in die Kegelbahn gelegt, dort liegt er noch, er soll noch mit dem Zuge auf die Bahn." Dem Beamten wird's heiß. „Da ließen sich vielleicht 100 ^ Belohnung verdienen, das wäre so gut wie in der Lotterie gewonnen," so mag er vielleicht bei sich gedacht haben, denn er leert rasch sein GlaS und spricht: „Adieu, meine Herren I" Und nun geht's spornstreichs zum Oberförster. Doch der ist nicht zu Haus, dagegen sein Schreiber, der auch viel weiß und kennt. Man macht schnell einen Plan: Der Steueraufseher fährt mit einem gerade nach der nahen Stadt gehenden Fuhrwerke eines Handelsmanns schleunigst zur Stadt, alarmiert die Polizei und besetzt den Bahnhof, um den mit dem nächsten Zuge dort eiutreffenden Hirsch und die Wilddiebe abzusangen. Der Forstbeamte dagegen versuchte sein Glück noch zuvor in der Wirtschaft. Es mußte ihm viel daran gelegen sein, die Wilddiebe möglichst rasch abzufangen, und so marschiert er eilends der Wirtschaft zu. Atemlos dort angekommen, ruft er die Wirtin zur Seile. Diese halte von der ganzen Sache keine Ahnung und konnte auch den kaum feiner Stimme mächtigen Forstbeamten nicht gleich verstehen, weshalb dieser mit Haussuchung drohte. Als er sich der Wirtin jedoch besser verständigt-, hatte sie eine glückliche Vorahnung von der Geschichte, und da sie auch bekanntermaßen einem Spassc nicht abhold ist, so ließ sie den Forstbeamten bei seiner Meinung, ging mit ihm auf die Kegelbahn, machte die Thüre auf und o Schrecken: „Do leihde jo noch, d'r Hersch, do honnen de domme Jonge noch net emol witgenomme noach F." Doch der Forstbeamte wird blaß . . . blässer . - -; was er sah, war allerdings ein Hirsch, aber ein gemalter, „das Wirtshausschild", das zum Reparieren herabgenommen war und in die Stadt zum Uebermalen geschickt werden sollte. „Na, die uzen mich nicht wieder!" spricht er und verschwindet. Der Steuerbeamtc aber wartet unterdessen am Bahnhofe der Stadt vergeblich aus die Ankunft des Hirsches und der Wilddiebe.
Heiteres. Die höhere Tochter. Vater (bei Tisch zu seiner Tochter): Was, drei Eier hast Du für uns gekocht, das ist doch zu knapp. Tochter: Addiere sic doch, lieber Vater: eins, zwei, drei, machen zusammen sechs. Vater: Schön, mein Kind. Dann nehme ich zwei Eier, Mutter kriegt eins, und die andern drei sind für Dich!
Aach ein Grund. „Warum «ollen Sie denn den Dienst bei uns verlassen, Marie?" — „Na, der Doktor hat meinem Bräutigam kräftigeres Essen verordnet!"
.-. Modern. „Ella, ich Hab' gestern zwei Heiratsanträge bekommen!" — „Ah, welchen hast Du abgelehnt?" — Den einen Hab' ich angenommen, den andern reserviert!"
.-. Nachweis. „Karl, so viel Photo- graphieen von Damen in Deinem Album?!" — „Nun, das sind die „Beläge" zu meiner Herzthätigkeitl"
Druck und Verlag von Bernh. Hosmann in Wildbad.- (Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hosmann).