Dünkte Mächte.
Novelle von H. von Limpurg.
Nachdruck verboten.
18 .
Jetzt lachte der junge Arzt auf in den gellenden Tönen des Wahnsinns, seine Zähne knirschten aneinander und weißer Schaum trat ihm vor die Lippen. „Habe keine Angst, Vater, mein Verbrechen, so schwer und grauenvoll es auch ist, kommt nicht vor den irdischen Richter," sagte er dann höhnisch. „Man wird auch kein Urteil durch den Staatsanwalt über mich verhängen und Dein Name bleibt vor der Welt makellos. Was aber da droben im Himmel der ewige Gott sagen wird zu dem Vater, der den Sohn kalt und herzlos von sich stößt und kein Mitleid mit seinen Seelenqnalen hat — das soll Dir Dein eigenes Gewisse» noch sagen. Ich gehe, doch denke an mich, wenn Du auf dem Sterbebette liegst und Dir das Gewissen sagt: Du sollst nicht sieben Mal vergeben, sondern siebenzig Mal sieben, denn Gott ist die Liebe."
Der junge Mann war hinausgeeilt, hatte Hut und Stock ergriffen um so rasch als möglich den Staub des Vaterhauses von seinen Füßen zu schütteln, während der alte Obersörster starr und reglos hinter ihm drein sah.
Endlich richtete sich der alte Herr empor und strich das Haar aus der Stirn; derselbe unei bitterliche Ausdruck lag um den festgeschlossenen Mund wie vorher und er sagte leise:
„Er >st ein Verbrecher, und ich habe keinen Sohn mehr! Der letzte Lichtstrahl meines einsamen Lebens ist erloschen, ich stehe allein in der Welt!"
Er ließ sich dann nieder an seinen» Schreibtisch, schlug die Bibel aus und begann darin all die köstlichen Perlen zu suchen, die sie sür den Christen enthält; aber immer wieder kam er dabei auf die Liebe zurück, auf die Gnade und Barmherzigkeit des Allmächtigen und als seine Augen an der wundervollen Stelle des Chorinterbrieses haften blieben: „Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen" — da schlug er das Buch zu und stand auf.
„ES ist vorbei, ich habe kein Kind mehr," sagte er hart, und so laut, daß er beinah selbst vor seiner Stimme erschrack, „und ich kanns nimmermehr fassen, wie man da vergeben und lieben soll, wo man aufgehört hat zu achten."
Arthur war indeß wieder zurück nach der Station gekehrt, seine Erregung hatte sich soweit gelegt, daß er den Bahninspektor um einen kleinen Imbiß bat, weil sein Vater, den er bei der Durchreise besuchen wollte, leider nicht zu Hause gewesen sei und er, der Doctor, mit dem nächsten Zuge weiter müsse.
Der Mann setzte auch keinerlei Zweifel in die Worte seines Gastes und fühlte sich sehr geehrt über den Besuch. Endlich kam der Lug, Fels stieg ein, doch nicht um nach der Residenz zurückzukehren; ein anderer Plan war in seinem kranken Hirn entstanden. Er wollte zu einem Studienfreunde, Doctor Berner, der in der Nähe eine Heilanstalt sür Nervenkranke besaß.
Am nächsten Morgen ließ er sich bei
Doctor Berner melden, der sehr erfreut den lieben, allen Universitätsfreund empfing.
»Fels, grüß Gott!" rief Berner, dem Ankömmling beide Hände entgegenstreckend, „wie geht es Dir, alter Junge! Aber, Mensch, wie siehst Du aus? Du kommst doch nicht als Patient zu mir?"
„Nein," lachte Fels rauh, „das wohl nicht, obwohl es in meinen Schläfen saust und tobt als sei die Hölle darin lebendig geworden. Aber ich komme mit einer Bitte —"
Er brach ab und sah so verstört um sich, daß der erfahrene Nervenarzt keinen Zweifel mehr hegte, wie es um den Unglücklichen bestellt sei.
„Hm, wenn Du ganz allein mit mir sein willst, Freund," sagte er endlich, „so komm hier in das Zimmer, da stört uns Niemand." Zugleich berührte Doctor Berner wie von ungefähr ein weißes Knöpfchen am Thürschloß, welches Zeichen einen Wärter in die Nähe berief, um auf alle Fälle Hülfe leisten zu können.
Tiefatmend sank Doktor Fels in einen der bequemen Armsessel und auch Doctor Berner ließ sich scheinbar gleichmütig nieder, dann begann er das Gespräch:
„Nun alter Freund, mit was kann ich Dir dienen? Du kommst nicht nur im mich zu besuche», sondern auch um etwas zu erbitten ?"
„Nenne es so, Oskar," nickte Fels düster, „wir haben uns einst Freundschaft mit Wort und Handschlag gelobt — die Stunde ist da, wo ich an dieselbe appelliere."
„Und ich werde sie Dir halten, Arthur," sagte Berner feierlich, mit tiefem Ernste, „erzähle mir, was Dich bekümmert."
„Oskar," frug Arthur nach einer Weile finsteren Nachdenkens, „kannst Du einen Menschen in hypnotischen Schlaf versetzen?"
„Ja. Aber was soll diese Frage?"
„Willst Du — mich selbst hypnotisieren ?"
„Hm und aus welchem Grunde. Ich muß dies als Arzt und Menschen wissen, ehe ich Deine Frage beantworte."
„Aber Du giebst mir Dein Wort zu schweigen?"
„Gewiß, mein Freund, Du weißt es aus Erfahrung, daß dies eine Hauptsache in unserem Berufe ist."
ES verging abermals eine geraume Zeit ehe Arthur Fels düster emporblickte.
„Du sollst der erste und einzige Mensch sein, der von meinem Seelenznstand etwas erfährt," begann er dann eintönig; „wisse, daß ich einst, um die Geliebte glücklich zu machen, ihrem Besitz nicht allein entsagte, sondern im hypnotischen Schlafe sie zwang, einem Anderen ihr Jawort zu geben —"
„Sie hatte sich vorher bereit erklärt, Deinen Willen zu thun?"
„Ja und ich Elender benutzte dies, sie dem Befehle ihres Vaters geneigt zu machen. Nun ist sie unglücklich — und ich werde wahnsinnig, wenn ich mit dem Stachel im Herzen weiter leben muß."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
(Die sprechende Uhr.) Der Ruhm der vermittelst Phonograph sprechenden Puppe ließ einen Genfer Uhrmacher nicht schlafen; er ersann die sprechende Uhr, d. h. er versah eine Taschenuhr mit einem Edison-Phono-
graphen und setzte sie so instand, statt durch Glockenzeichen, wie die Repetieruhren, durch eine Stimme die Stunde anzugeben. Auf dem Werke ist eine Kautschukscheibe angebracht, welche 48 Rillen trägt, deren jede einer Viertelstunde entspricht. Sobald nun diese Scheibe durch einen Druck auf den seitwärts aus dem Gehäuse hervorragenden Stift in Bewegung gebracht ist, greift im entsprechenden Moment ein auf ihr ruhender Hebel in die betreffende Vertiefung, setzt den „Sprechanismus" in Thätigkeit, und mit menschlicher Stimme verkündet die Uhr: „Es ist 12 Uhr", oder „es ist halb 4 Uhr" ... je nachdem.
.-. (Kein Beweis.) A: „Sie wollen recht behalten mir gegenüber ? Lächerlich ; ich habe an zwei Universitäten studiert I" —B: „Das ist gar kein Beweis, mein lieber Herr I Ich Hab 'mal ein Kalb gekannt, das hat an zwei Kühen gesoffen und ist doch nix anders word'n, als ein recht großer Ochs I"
(Ungerechtfertigt) Chef (der seinen Kommis über den Büchern eingeschlafen gefunden hat): „Ick will Ihnen etwas sagen, Meyer, am nächsten „Ersten" können Sie gehen !" — Komis (mürrisch): „Na , deshalb brauchen Sie mich doch nicht jetzt schon aufzuwecken I"
(Allerdings.) Mutter: . . Lieber Herr Assessor, ich muß Sie bitten, sich endlich zu entscheiden ! Ihr Verhältnis mit meiner Tochter dauert nun schon zwanzig Jahre; — sie kann nicht länger mehr ihre schönsten Jugendjahre mit Ihnen verlieren I"
.-. (Vor der Menagerie.) Knabe (zu einem Angestellten): Das ist doch gewiß der Löwe, den man dort drinnen brüllen hört? Angestellter: Nein, meine Junge, das ist der Direktor, der sich mit seiner Frau zankt I — (Hundeklugheit.) A.: „Denken Sie sich, ich habe einst einen Hund gehabt, der ging auf jeden Hallunken los." — jB.: „Verstehe, Sie haben ihn dann abgeschafft, weil er Sie gebrsst» hatte!"
.'. (Unmöglich) Alter Herr (in der Kneipe ein Ptakar tesend „hier wird nicht gepumpt"): „Teufel, da muß ich mich doch verlaufen haben; dies kann doch unmöglich die Stammkneipe meines Neffen sein I"
(Schwer zu unterscheiden.) Commis (einenr Kunde» Bilrerrahmen anpreisend): „Sie sind unverwüstlich , sie sind lackiert I" Kunde: „Wen meinen Sie damit, Mich oder die Rahmen?"
.-. (Immer derselbe.) Student Süffel: „Sagt mir mein Huchs, der Stoff im grauen Kater sei viel besstr als der auf unserer Kneipe!" Student Schnüffel: „Und was versetztest Du daraut?" '
(Das nicht!) „Warum prügeln Sie denn Ihren eigenen Buben so, H-rr Schulmeister I Hat er denn etwas besonderes eingestellt?" „Das nicht! Ich thu'S nur, daß die Leute nicht meinen, ich wäre parteiisch !"
(Verschnappt.) Frau: „Liebes Männchen, bleib' doch bei mir I" Gatte: „Tausend Mark würde ich darum geben, wenn ich bei Dir bleiben könnte, — aber heute ist Kegel- abend, und da kostet es 50 Pf. Strafe!'<;
.-. (Aus dem Tagebuch der höheren Tochter ) Ein Liebhaber ohne Schnurrbart ist wie eine Zahnbürste ohne Borsten. Freundinnen, die schon geküßt haben, werden mir das nachfühlen. -
Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hofmann).