und einen französischen Anarchisten ausge- wiesen, sind nunmehr 3 weitere Anarchisten, ein Franzose und 2 Deutsche ausgewiescu worden, letztere ans Basel. Wie der „Fr. Z." aus Bern gemeldet wird, wurden folgende Dcuische auSg'wi sen: Schreiner Johann Bap- nst Wilguet aus Mainz, geboren 1866; Max Netzhold ans Würschnitz in Preußen, geboren 1874. Beide haben im deutschen Arbeiterverein Hochrufe auf die Anarchie ausgebracht. Wilquet hat beim Bekanntwerden der Ermordung Carnots sein Beifall über die Thai ausgesprochen. Der deutsche Arbeiterverein hatte sie schon vorher auSge- stoßen.
— Eine brave That vollführtc dieser Tage bei einem Brande in LiPPlwrg ein Metzgerbursche aus Hamm. Er war auf der Brandstätte Zeuge, wie eine Mutter händeringend nach ihrem Kinde rief, das in dem brennenden Hause znrückgelassen war. Schnell ließ der Metzger sich die Einzichtung des Hauses erklären, stürzte hinein und nach einer Minute bangen Wartens lag das Kind gerettet in den Armen der Mutter. Der Retter hatte kaum das brennende Haus verlassen, als cs prasselnd zusammenstürzte.
— Ein tragisches Ereignis hat in Barcelona stattgefunden. In einem Schlafzimmer einer herrschaftlichen Wohnung brach Feuer aus. Es gelang, dasselbe sofort zu löschen, allein man entdeckte dennoch in einem Bette zwei halbverkohltc Leichen. Es waren die Ueberreste der jungen Hausfrau und ihres Zimmermädchens. Ein von der Dame selbst geschriebener Brief gab Aufschluß über das Geschehene; sie habe in Erfahrung gebracht, daß ihr Mann mit dem Zimmermädchen ein Verhältnis habe, und deshalb habe sie beschlossen, das Mädchen zu sich ins Bett zu rufen, das Bett mit einigen Litern Weingeist zu überschütten und sich samt dem Mädchen zu verbrennen. Die Dame hat ihren Plan ausgeführt.
— Im Elisabethspital in Antwerpen erwürgte vorgestern abend ein acht Tage vorher zur Weiterreise nach Jerusalem daselbst eingetroffener Franzose Van Haeck den 56- jährigen Aufseher Metten, der zur Beruhigung des tobsüchtigen Irren in d-ssen Zelle gedrungen war. Den leblosen Körper schleppte der Wahnsinnige in einen anstoßenden Krankensaal, wo er ihn vor den Augen eines totkranken Mannes von neuem in entsetzlicher
Weise mißhandelte. Als Hilfe kam, fand man den Aufseher als Leiche im Saale liegen, während der Irre, der sich sämtliche Kleider vom Leibe gerissen, sich unter Bettzeug versteckt hielt. Nur mit Mühe gelang es, den athletisch gebauten Mann in die Zangsjacke zu bringen. Der Ermordete stand bereits 35 Jahre im Dienste des Spital«.
— AuS NvM wird berichtet: Als eine Gesellschaft von drei Herren und zwei Damen — nämlich ein wohlhabender Einwohner von Albano, Giorni, mit seinen beiden jTöchtern, ein städtischer Beamter, Angeloni, und ein Angestellter des Kriegsministeriums, Cipelleti, dieser Tage von Albano nach Genzans fuhren, wurden sie in einem Gebüsch von sechs bewaffneten und maskierten Räubern ange- sallen und gezwungen, all ihr jGeld und ihre Schmucksachen auSzuliefcrn. Das geschah auch, da die Gesellschaft unbewaffnet war. Die Räuber erbeuteten ungefähr 180 Francs. Da vor einem Monat auf dem Wege von Marino nach Fracalt ein ähnlicher frecher Raub stallgkfundcn, so herrscht in der ganzen Gegend große Aufregung.
Die WccCfclHvL ncrch Kzenstochcru.
Roman von Johanna Berger.
(Nachdruck verboten.)
52.
Als Roman in das Zimmer trat, blickte sie müde zu ihm auf, aber sie schien dennoch erfreut durch sein Kommen.
„Das ist sehr freundlich von Dir, lieber Roman," sagte sie sanft. „Willst Du nun bei mir bleiben und Geduld mit mir haben — bis Alles zu Ende ist?"
Er streckte erschütternd die Arme nach ihr aus, er faßte die kleinen kalten Hände und küßte sie.
„Ich verlasse Dich nicht wieder," erwie- derte er im ernstcrn Tone. „Aber denke nickt an den Tod. -- Du wirst leben, Spi- ridia, leben und gesund werden I"
Ihre Hand lag zitternd in der seinen. „Nein, Roman, diesmal wird es Ernst, ich fühle es. — Und es ist gut so. --Du kannst keine Frau brauchen, die — die — — Aber ich wollte Dich gern noch einmal sehen und Dich um Verzeihung bitten."
„Ich habe Dir nichts zu verzeihen. Alles ist längst Verziehen und vergessen I"
„Ich danke Dir, Roman, mein guter lieber Mann," hauchte sie mit stockendem Atem. „Und jetzt wirst Du mich noch ein klein wenig gern haben, nur noch ein klein wenig — und sehr lange soll eS nicht dauern. Aber bis dahin sei gut zu mir, ich bitte Dich darum." Eine feine Röte stieg in ihr blasses Gesicht.
Diese Worte und noch mehr der Ton, in dem sie gesprochen wurden, überwältigten Roman, er legte seinen Arm um ihre Schulter und streichelte mit der anderen Hand ihr abgezehrtes Gesicht.
„Arme Spiridia," sagte er weich, „arme, kleine Frau. Ich bleibe bei Dir und pflege Dich, bis Du vollständig genesen bist."
Sie schüttelte leise den Kopf. „Ich werde nicht wieder gesund, aber ich möchte meine letzten Stunden und Tage in Frieden mit
Dir verleben, mein guter Roman. — Und
— ich denke, ein paar Augenblicke des Glücks sind nicht zu teuer mit dem Tode bezahlt. Ich will auch einmal vollkommen glücklich sein, nur einmal im Leben — und dazu bedarf ich Deiner Verzeihung, Deiner — Deiner
— Liebe I"
Ganz sprachlos vor Bestürzung und Staunen hörte er Spiridia's Worte, sein Herz füllte sich mit Mitleid und Rührung. Plötzlich durchzuckte ihn die Erkenntnis einer schrecklichen Wahrheit. Wie er bisher nur die Schattenseiten an dieser ihm nnsympatischen Frau, die jetzt so hülslos, niedergeschlagen und resigniert in ihren Kassen kauerte, wahr- genomrnen.hatte, so sah er jetzt auf einmal in ihr weit geöffnetes Herz hinein. Sie hatte ihn lieben gelernt und sich nach seiner Zuneigung gesehnt. Aber er ahnte und wußte nichts davon, und wie eine zarte Blüte ohne Pflege verkümmert, so hatte er auch diese Menschenblüte ohne Verständnis, ohne Liebe und Fürsorge langsam verschmachten lassen und sie zu all' den Qualen, den Bitterkeiten verdammt, welche aus gekränktem Stolz, verschmähter Liebe nnd Krankheit entspringen.
Wie hatte sie sich ihm einst voll kindlicher Zuversicht anvertraut und ihm freudig ihr? ganze Zukunft zu eigen gegeben, und was hatte er «ns ihrem Leben gemacht?
Roman war wie zerschmettert, es wurde dunkel in ihm. Voller Reue und Gewissensangst richtete er traurig seine Blicke auf ihr vergrämtes Gesicht.
Sie saß ruhig und gelassen da, nur ihre schwarzen Augen hingen ängstlich und in banger Frage, wie die eines furchtsamen Kindes an den seinen. Und als wäre bereis Alles abgethan, so gleichmütig sprach sie noch einmal von ihrem Sterben. Es war klar, ihr Herz war gebrochen, cS halte keine Wünsche und Hoffnungen mehr. — Nur ein paar Augenblicke des Glückes, der Liebe erflehte sie noch. Wodurch hatte sie ein so elendes Schicksal verdient?
Rvman'S Herz blutete. Er, der noch vor Kurzem diese lateinische, nervöse Frau als den Finch seines Daseins betrachtete,
fühlte plötzlich ein andere«, freundlicheres Empfinden seine Brust durchstromen. Unendliches Erbarmen, inniges Mitgefühl und warme Freundschaft erfaßte ihn für Spiridia. Alles, was sein Herz geben und verlLenken konnte, wollte er gern der armen Sterbenden zuwenden.
Er streichelte ihr dunkles Köpfchen, er umschloß ihre Hände noch fester. „Sprich nicht vom Tode, teure Spiridia," sagte er innig. „Ich gebe noch lauge nicht alle Hoffnung auf, daß mein armes Frauchen wieder genesen kann. Und ich will Alles thun, damit es bald besser wird — ich will für Dich sorgen, Dich hegen und pflegen wie mein höchstes Gut. Du sollst nutzt mehr unverstanden, verlassen und einsam Deine Tage vertrauern, mein Hoffen und Wünschen schließt sich fortan an das Deine an. Was noch an schweren Prüfungen kommen soll, will ich gemeinsam und in treuester Freundschaft mit Dir tragen!"
„Das wolltest Du thun, Roman?" stammelte sie. Ein verklärender Ausdruck von Freude und Glück flog über ihr bleiches Gesicht. „Du willst jmick pflegen, mich lieb haben, mich glücklich machen? Ach gütige Jungfrau Maria, ach Christus, wie soll ich Euch danken! Weißt Du, Roman, wenn Du mich ganz verstoßen hättest, so wäre ich sicher in geistige Nacht versunken. Doch Du bist mein guter Engel, Du rettest mich. Und meine vielen Fehler vergiebst Du, nicht wahr? Ich habe sie längst bitter bereut. Und später, wen» Alles Vorüber ist, dann denkst Du nicht mehr in Groll an mich? Nicht wahr, mein guter, geliebter Mann?"
Roman blieb stumm. Lief erschüttert schloß er das zitternde, schluchzende Weib in seine Arme und küßte ihren blassen Mund. In diesem ersten zärtlichen und aus warmem Herzen kommenden Kusse verhauchte ihm jedes Wort.
Spiridia ließ ermattet ihr Haupt auf die Brust sinken, ihre Wangen röteten sich höher nnd in den müden Augen leuchtete ein Heller Strahl von Glückseligkeit. Aber auch sie sprach kein Wort. (Fortsetzung folgt.)
Druck und Verlag von Beruh. Hofmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Bernh. Hofmanu).