gen wurden in Bitry und Jvry bei Paris und anderen Orten mehrere Verhaftungen von Anarchisten vorgenommen.

Paris, 2. Juli. Die Blätter erklären einstimmig, das; das großartige Begräbnis Carnots als eine würdige Bezeigung der nationale» Dankbarkeit sich darstelle. Die Sperrung der Bezüge des Erzbischofs von Lyon ist aufgehoben; es wurde angeordnet, ihm den ganz n Rückstand auszuzahlen.

Paris, 2. Juli. In einer Seitengasse in der Nähe der Wohnung des Präsidenten Casimir Perier würbe ein Maueranschlsg gefunden, in dem Casimir Perier die Er­mordung durch die Anarchisten angedroht wird. Ein anderer Maueranschlag enthielt die fettgedruckien Worte:Am 25. Juli wird Frankreich abermals trauern.- Die Polizei entfernte sofort die Plakate. 160 von den 228 gcst:rn früh hier verhafteten Anarchisten sind bis jetzt noch nicht in Frei­heit gesetzt worden. Die Voruntersuchung ist förmlich cingeleitet.

Paris, 3. Juli. Der Marineminister begab sich gestern nachmittag in Begleitung des Admirals Gervais nach der deutschen Botschaft, um dem Botschafter seinen Dank

anläßlich deS vom Kaiser Wilhelm vollzog­enen Begnadigungsaktes auSzufprechen.

Zürich, 2. Juli. Beim Aufstieg auf die vordere Spitze des Glärnifch, das sog. Vre- neli'S-Gärli, verunglückte am gestrigen Sonn­tag ein junger Polytechnikcr von hier, Na­mens Klause, auS Ungarn gebürtig. Der­selbe wollte diesen sonst sehr leicht zugäng­lichen Gipfel auf dem schwierigen Wege über dasGeleiter" erklimmen, scheint aber seine Kräfte überschätzt zu haben; er stürzte an 800 Meter tief gegen die Schalattalpe zu ab, wo er zerschmettert liegen blieb.

Aus Nyiregyhaza (Ungarn) wird ge­meldet : Bei Mio stürzte die große Theiß- UeberführungSfähre um ; von den darauf be­findlichen etwa 200 Personen sind viele ertrunken. Die genaue Aster ist noch nicht festgestellt.

Aus Petersburg, 4. Juli, wird gemeldet: Wie verlautet, giebt der Regicrungsanzeigcr morgen den AuSbruch der Cholera in Peters­burg bekannt.

Turin, 3. Juli. Ein reicher Gerberei- bksitzer wurde gestern abend das Opfer eines anarchistischen Dolchattentats. Der Hinge- mordetc soll i» einem öffentlichen Lokal er­

klärt haben, jeder Mann habe die Pflicht, den ersten besten Anarchisten, der ihm be­gegne, niederzuschießen. Zwei Stunden später war er len Anarchisten Verfallen.

London, 3. Juli. Der Sohn d?S Her­zogs von 2)ork soll mit Wass r aus dem Jordan getauft weiden, gleich allen Kinder» der .Königin. Kaiser Wilhelm und der König v»n Württemberg wünschen Tanf- zeugen zu sein.

Tie höchste Lebensversicherung hat John Wannamacker, der amerikanische Mil­lionär. Die Summe, für die er sein kost­bares Leben versichert hat, beläuft sich auf 10 Mill. Mark. Er zahlt dafür eine jähr­liche Präme von 380,000 ^

Merk's.

Reichtum heißt nicht Gold erlangen, Reichtum heißt nicht Schätze graben, Reichtum heißt: als sein umfangen, Was wir lieb von Herzen haben.

Armut heißt nicht Schätze wissen,

Armut heißt nicht Geld verfehlen,

Armut heißt: entbehren müssen,

Was wir tief im Herzen hehlen.

Die Wcrü'fclHvL ncreb Kzenstclchccu.

Roman von Johanna Berger.

Nachdruck verboten.

43.

Sogar ältere, ernste Männer, deren gereifter Geist sich die ganze Aussichtslosigkeit des Unternehmens verstellen konnte, opferte Ver­mögen, feste Lebensstellung, kurz Alles, und traten voller Enthusiasmus in das Polen- Herr und Jedermann sah bereits daS Vater­land befreit, und einen Fürsten polnischer Abstammung auf dem Thron.

Was Wunder, wenn auch in meiner Seele ein Heldengcsang erklang, das Blut stürmischer in den Adern rollte und das auf­geregte Herz stärker zu klopfen begann. Die Jnsurection übte auch auf mich volle Ge­walt aus und wendete alle meine Gedanken dem Vaterland? zu. Sämtliche StandeSge- nossen nahmen bereits an dem Aufstande Teil, und war nicht auch mein Herz tapfer und voller Begeisterung und das Blut, das es erwärmte, polnisch und adlig? Sollte ich feige Zurückbleiben? Nein, das war un­möglich, meine EdelmannSehre und mein heißes, rebellisches Polenblut empörten sich dagegen. Das schöne deutsche Mädchen und alle der wonnige Liebeszauber, der es umgab, besaß nicht mehr die Macht, mich zurückzu­hallen. In diesem Augenblick hielt mich ein anderer Zauber umfangen und zog mich un­aufhaltsam in die Heimat zurück.

Und nun kam der Abschied, der traurige Abschied. Wir küßten uns mit vor Schmerz balb wahnsinnigen Herzen, in einem Rausch von Jammer, Verzweiflung und Leidenschaft, wir küßten uns zum letzten Mal, und dann nie wieder. Der süße wonnige Traum von Glück und Liebe war zu Ende geträumt.

Am folgenden Tage verließ ich Ems und Margarethe. DaS goldene Herz blieb ihr zum Andenken zurück. Unzählige Thränen, in Kummer und Schmerzen geweint, folgten mir nach.-

Der Graf lachte kurz und hart auf. Dann fuhr er hastig fort:

Wie traurig und unglücklich die Er­hebung unserer Nation endete, weiß jeder Pole. Sie kostete unzählige Opfer und das Vaterland blutete aus tausend Wunden.

In dem mörderischen Kampfe bei Prag« traf mich eine feindliche Kugel und ich siechte lange an meinem zerschossenen Beine dahin, doch stand ich mit Margarethe in fortwäh­rendem Briefwechsel. In ihrem lehren Briefe vertraute sie mir ein Geheimnis an, daß ich schon lange dunkel geahnt. Atzt forderten Ehre und Pflicht meine schleunige Vermäh­lung mit dem geliebten Mädchen, die mir Alles geopfert Und der Gedanke, mein Schicksal mit dem ihrigen zu verknüpfen, sie als teure Gattin in mein Haus zu führen und als angesehener Landedelmann auf meinen Gütern ein prosaisches, aber glückliches Da­sein mit ihr zu leben, erfüllte mein Herz mit hoher Freude, denn ich liebte mein blon­des deutsches Gretchen innig und treu. Daß ich als Stammerbx eines alten feudalen Mag­natengeschlechts, das früher sogar mit Polens Königin verschwägert war, eine Mesalliance schließen würde, bekümmerte mich wenig; ich war reich und unabhängig und konnte lhun, was mir beliebte.

Aber cs kam anders, ganz anders, wie ich wollte und dachte und es hätte doch Alles so gut und schön werden können.

Meine Wunde gestaltete mir nicht so fort nach Deuschland zu reisen, ich mußte noch warten, warten mit einem Herzen voller Sehnsucht und Ungeduld. DaS innere Fieber verschlimmerte mein Leiden und fistelte mich von Neuem an mein Bett. Und inzwisch-n trat die Katastrophe ein, früher, als ich ver­mutete. Margarethe hatte mir eine Tochter geschenkt.

Da weinte ich wie ein kleines Kind, weinte viele Tage und Nächte hindurch; ich litt furchtbar, ich war wie wahnsinnig. Denn nun erst, nachdem Unglück und Schmerzen mich geprüft hatten, wo das feurige junge Blut sanfter und milder geworden war, kam mir mein grenzenloser Leichtsinn, meine un­

geheure Schlechtigkeit zum Bewußtsein I Denn gerade jetzt in der Not, in der Gefahr muß ich fern von Margarethe bleiben, in den schweren Stunden, wo meine Gegenwait durch die Pflicht der Liebe durchaus erforder­lich war. Mit lahmen Gliedern war ich an mein Schmerzenslager gebannt, ich konnte nicht zu ihr eilen, ich konnte nur Thränen vergießen und in ohnmächtiger Wut mir den Zähnen knirschen. Und mein orm-s blondes Lieb litt noch mehr wie ich, tausendfach mehr wie ich, tausendfach mehr. Es gab viele Klatschbasen in Ems, alte und junge, und sie steckten ihre Köpfe zusammen und zischel­ten mit den giftigen Zungen- Alles, was man nur Schlechtes von einem Mädchen glauben kann, sagten sie Margarethen nach. Und in kurzer Zeit war ihr Ruf zerstört, ihre Ehre vernichtet. Fürsprecher halte das arme Wesen ja nichi und ich konnte ihr nicht zu Hülfe kommen. Die Freunde zogen sich von ihr zurück, denn die Welt ist ja so liebeloS und so hart und bald stand sie vereinsamt, verlassen und gemieden da. Ja, sie mußte den bittern Kelch bis zur Neige leeren und das brach ihr das Herz, das konnte sie nicht übersiehe». Voller Verzweif­lung schlug sic einen eigenmächtigen Weg ein, denn ohne mich zu benachrichtigen, noch schwach und krank und jedes Schutzes ent­behrend, nahm sie ihr Kindchen auf den Arm und trat die Reise zu mir »ach Polen an.

«Fortsetzung folgt.)

Vermischtes.

(Auch ein Angebot.) Eine Annonce aus einem englischen Blatte lautet:Eine Dame, die während einer langen Krankheit sich einen sehr eleganten, mit weißem Satin ausgcschlagene», und einemblauseidenen Kiste» versehenen Sarg angeschastt hat, will den­selben jetzt, wo sie wieder gesund ist, sehr billig verkaufen. Adrcss n Union Square 17." Wer hat Lust?

(Aus dem GerichtSsaal.) Verteidiger: . . . Meine Herrn Geschworenen I Lassen Sie Ihren Gefühlen und dem Angeklagten freien Lauf!"

Druck und Verlag von Beruh. Hosrnann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. Hof m a n n.)