haben. Endlich ein drittes, nicht geringe Be­wunderung erregendes: goldbrauner Kasch­mir, ebenfalls mit Spitzenbesatz und einer Einfassung au' Goldschnur um die Rock­schöße. Nach d.r Trauung, die in einem Pri»athause vollzogen wurde, thalen die glück­lichen Ehegatten ein als Bibliothekar bei dem Kolleg in Ehristchurch angestellter Herr Wilkinson und «ine Lehrerin Fräulein Weller, die, wie alle Teilnehmer an der Feier, Mit­glieder des Verei' S für Kleiderreform sind -- noch ein Übriges und begaben sich auf 8 Tage zu einer Kampierungstour im Freien.

Ein Liebesbrief. Ein lustiger Stamm­tisch zu Peine stellt der T- R. folgenden herzbewegenden Brief zur Verfüg­ung, den vor einigen Tagen ein polnischer Soldat an das Dienstmädchen eines der Stamm- lischgäste gerichtet hat: Geliebter Anna I Du bist gewundert, daß ich so lange nicht geschrieben bin, ksmst dir so schwer vor, hat sich zu Hause Vater krankes Bauch, weil sich zu viel hat gesäutt von des Buttermilch. Wen sich verdienen nichts und schicken nichts Bin ich geraten Anna bester in großes Verlegen­heit weil sich mir hat ein Dieb gestohlen des Hose Komis habe gesagt des Feldwebel muß

sichS bezahlen das HoS oder du komst zn Loch was machen soll ich verruchter Fluch. Willst Du schicken mir drei M ist sich alles gut Wenn sich schichs und ich auf Urlaub komme wir beide auch tanzen gehen wen ich nicht bekomme das Hoß ich mich gram schir gans tot vor lauter Liebe und pflege meine Brust vor Gram da meine Hose Komis ver­stohlen sind. Ich mir schon gekauft Hab das Hose Cchstra passen wie Lentnans ihre muß sich hauen viel Holz für das Feldwebels Frau Ich schon vil schreiben kann Deutsch bei Militär gelernt nun leb sich wohl und gib sich Kuß dein gelibtes Fritz.

(Welcher Verein der beste sei), wurd- alr schwere Preisfrage in einer Gesellschaft aufgestellt. Turn-, Gesang-, Kegel-, Skat-, Stahlrad- Gesellige oder Politische Vereine, es giebt ihrer in Deutschland ja tausenderlei. Die Wahl war schwer, endlich aber sagte eine Dame:Die Familie ist mir doch der liebste Verein. Mein Mann ist der Präsident, ich bin der Kassierer und Vergnügungsral, für die übrigen Mitglieder sorgt der liebe Gott!" Ein allgemeines Bravo wurde der glücklichen Lösung zuteil.

.'. (Immer nobel.) Gouvernante: Er­

schrecken Sie nicht, gnädiger Herr, der Emil hat soeben ein 20-Markstück verschluckt I Kommerzienrat: Wie haißt erschrecken?! Geben Sic meinem Sohn noch e' 20-Mark­stück l

.'. (Eine Idee.) Elfinder: Ich habe eine Idee, die Millionen wert ist. Kapi­talist: Was wollen Sie dafür haben? Erfinder: Zehn Mark I

.'. (Sie schwitzet wohl.) Wie, schämst du dich nicht? Etn so kräftiger Mensch und betteln! Ach Gott, Sie schwäzet woh>, lieber Herr! Aber Sia wisset eba net, wie faul i' den!

(Schlechte Zeiten.)Wie geht das Geschäft, Herr Baumeister?"Miserabel I Und noch dazu muß man jetzt besseres Ma­terial verwenden, weil man die Häuser oft ein paar Jahre lange nicht anbringt!"

(Ermahnung) Frau (zu ihrem Gat­ten, der sich anschickt, ins Wirtshaus zu gehen): Du gehst also noch fort? Dann hoffe ich wenigstens, daß du heute nicht wie­der morgen heim kommst I

(Scherzfrage ) Wer hat den größten Genuß der Sonntagsruhe? Der Eisenbahn- kondukteur! Er genießt sie in vollen Zügen.

Me Wallfahrt nach Gzenstachau.

Roman von Johanna Berger.

Nachdruck verboten.

36.

Später kamen einige Musikanten mit Fiedeln und Dudelsäcken herbei, die alsbald zum Tanz aufspielten. Und im Nn hatte sich ein wilder Mazurek entwickelt. Die Männer stampften nach dem Tacte der Musik mit den Füßen den Boden, sprangen mit ihren Tänzerinnen johlend in die Luft empor und schwenkten sie in wirbelnden Kreisen herum, bis ihnen fast der Atem verging. Denn dieser Nalionaltanz der Polen nimmt, je länger er dauert, ein immer leidenschaft­lichere« und stürmischeres Tempo an und endet mit den kecksten Sprüngen. Und dem Mazurek folgte der Krakowiak, wobei sich Groß und Klein an den Händen faßte unv sich unter lautem Jauchzen und Schreien wie toll umeinander drehte.

Es war ein gewaltiger Lärm hier draußen, dabei wurde nach Kräften gegessen und ge- z-cht. Mit begeisterten Hochrufen trank man unzählige Male die Gelundheit des jungen Paares unglaublich viel Schnaps wurde dabei vertilgt. Die denkbar größte Freude gab sich aber in dem begeisterten Absingen alter Nationallieder kund, die ein junger Bursche mit der Guitarre begleitete.

Aber auch in den festlich geschmückten Sälen des Schlößchens, aus welchem dem Einlretenden ein wahrer Lichtstrom entgegen- flutete, spielte sich ein Stück echt polnischen Lebens ab. Alle Räume waren glänzend renoviert und zeugten von Schönheitssinn und künstlerischem Verständnis. Heule ver­wandelte sie außerdem eine Fülle der herr­lichsten Blumen, welche die Luft mit würzigem Wodlgeruch erfüllte, in einen köstlichenGarten.

In der Milte des großen Speisesaales stand die mit fast königlicher Pracht ge­schmückte Hochzeitstafel. Das mit feiner Auswahl zusammengestellte Mahl wurde auf schweren silbernen Schüsseln und Tellern

serviert, deren altertümliche Pracht und Schön­heit das Auge blendete. Die Gäste, welche sorgsam aus den vornehmsten Adelsfamilien des Landes gewählt waren, begrüßten sich mit ungemeiner Liebenswürdigkeit. Sie küß­ten sich die Wangen, die Schultern und Hände, sie machten sich Csmplimente und überboten sich in höflichen Redensarten und lebhaften Freundschaslsverstcherungen. Zur Feier des TageS wurde natürlich sehr stark gezecht uud der feurige Ungar- und Burg­underwein erhitzte die Köpfe. Man lachte und schwatzte, sang und jubelte weinte, zankte, erzürnte sich, um sich in der folgenden Minute wieder zu versöhnen, zu Herzen und zu küssen, kurz, man gab sich mit vollster Seele dem Genüsse des Augenblicks hin.

Die Glorie des Festes war aber der Tanz, da zeigte sich Alles von der glänzensten Seite. Während die jungen Edelleute dabei das volle Feuer, die stürmische Glut des polnischen Nmionalcharakters entwickelten, entfalteten die Damen die gracwse Schönheit ihrer Ge­stalten, den verführerischen Zauber und die natürliche, liebreizende Koketterie ihres Wesens, Eigenschaften, die den Polinnen den eigen­tümlichen, fast sinnberückenden Reiz verleihen.

Beim letzten Mazurek wurde der bis an den Rand mit perlendem Champagner ge­füllte Atlnsschuh der Braut herumgereicht. Die Herren tranken begeistert daraus, wäh­rend die jungen Mädchen ein Hochzeitslicd dazu sangen.

Es war ein überaus glanzvolles, fröh­liches Familienfest, welches am St. MichaelS- tage in dem alten Herrenhanse von Lygotta gefeiert wurde,.aber nicht unter dessen Dache allein, sondern auch draußen unter den im im Hcrbstgewande trauernden Bäumen, unter dem sternenbesäeten Nachthimmel.

Nur einem wollte die echte und rechte Hochzeilsstimmung nicht kommen trotz allen Glanzes, aller lauten Lust ringsum. Es war Roman v. Bielinska, der junge Ehe­mann. Er saß ernst und still au der Seite seines lieblichen, ihm eben erst angetrauten Weibes und aus dem Licht und Duft, der Freude flogen seine Gedanken in eine hoff­

nungsarme Zukunft hinaus. Er sah bleich und leidend aus und eine tiefe Melancholie war über sein ganzes Wesen verbreitet, welche selbst heute an seinem Ehrentage nicht ge­wichen war.

Nach der furchtbaren Nacht, in der die Geliebte ihn verlassen hatte, da war er erst nach Stunden aus der schweren Ohnmacht erwacht, die ihn hülflos zu Boden warf, Landleute fanden ihn auf, ganz verstört mit gelähmten Gliedern mit feuchten Morgenthau und brachten ihn mühsam nach Lygotta zu­rück. Daun hatte er viele Tage und Wochen im hitzigen Fieber gelegen, in dumpfer Geistes­nacht, und der Arzt und die trostlose, fast verzweifelnde Mutter fürchteten lange für sein Leben. Aber von dieser Krankheit er­stand Roman als ein anderer Mensch. Die heiße, schrankenlos begehrende Leidenschaft batte der Vernunft und einem ernsten, festen Wollen Platz gemacbt. Sie hatte ihn wohl auf Stunden vergessen lassen, daß vor dir Thüre seines Hames bereits der Untergang, das Elend und die Not des Lebens lauerten daß er seine ganze Kraft daran setzen mußte, das verschuldete und heiabgewirtscha'- lete Familiengut wieder zu heben und, wie die Mutter wünschte, durch einereiche Hei­rat" vor gänzlichem Verfall zu retten aber er hatte sich noch zu rechter Zeit wic- dergefunden.

Und nun »ahm er sich vor, seine Sohnes­pflichten und auch die seiner Standesehre zu erfüllen mit Aufopferung seiner selbst, sic sollt» n ihm über Alles gehen, über alles Lieben »nd Leiden. Er wollte tragen, was das Schicksal über ihn verhängt, bis er sich da­ran gewöhnt, oder bis er darüber zusammen­brach. Und wenn er unter diesen Gedanken auch manchmal verzweifeln wollte, so tauchte dann Jadwiga's reines Bild, umwoben vom Glorienschein der Entsagung, Beherrschung und des Opfermutes, vor ihm auf und wurde ihm zum leuchtenden Leitstern.

Allmälig milderte sich auch der wilde, leidenschaftliche Schmerz um die verlorene Geliebte und wandelie sich in Trauer um.

(Fortsetzung folgt.)

Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur: Bernh. Hofmann.)