(^- Ufin
Ein grüner Schleier deckt die Erde,
Viel Blütenperlen glitzern d'rauf —
Wie schön, o Welt, Du holdverklärte,
Stand'st Du von mächt'ger Ruhe auf I DeS Tages Stern im fernen Osten Weckt rasch die Schläfer fern und nah —
Leis bebt es durch des Weltalls Pfosten:
Der hehre Pfingstsonntag ist da.
Und aus des Ackers brauner Scholle Steigt jubelnd eine Lerch' empor,
Und trägt im Lied das übervolle Beglückte Herz zum Himmelsihor.
Hell schallt es weithin in die Runde Und weckt die Sänger immer mehr,
Und auch in Dein Herz dringt die Kunde —
Du stimmst mit ein: „Dem Herrn sei Ehr'!"
gsten.
! Du stehst vom Morgenschein umflossen, Ergriffen lief und wunderbar —
Das ist der Geist, der auSgegossen Einst ward auf Jesu Jüngerschaar,
Der heut' und immer gleich der Taube Auf sanfter Schwinge Dich umweht,
So lang' der frohe Pfingstenglaube Gefestet Dir im Herzen stehr.
Noch lauschest Du dem Geistersange,
Der mächtig drängt an Herz und Ohr, Da heben mit dem eh'rnem Klange Die Glocken an im vollen Chor — Versteh' und folge ihrem Rufen,
Kommt, Menschen her aus fern und nah, Eilt hin zu des Altarcs Stufen —
Der hehre Pfingstsonntag ist da I §
Die WclMccHvt nccch Kzenstochccu.
Roman von Johanna Berger.
(Nachdruck verboten.)
20 .
Alles wogte durcheinander ohne Ansehen des Ranges und Standes. Mit dem Rosenkranz in den Händen sangen sie größtenteils mit Andacht und Begeisterung, aber uncorreet, und in allen Tonarten, die zum Teil recht melodiich klingenden Pilgerlieder ab, wobei ein Jeder den Andern zu überschreit» versuchte, denn auch bei der Prozession galt die Regel, recht laut zu singen und zu beten, um der Himmelskönigin dadurch wohlgefällig zu sein.
Auch Jadwiga hatte, ihrem Vorsätze getreu, dem heutigen Gottesdienste beigewohnt. Die fest zusammengkfaltcten Hände auf die Allarstufen gestützt, lag sie vor dem Mutter- goitesbilde auf den Knien und hob die lhrä- nenfeuchten Augen in stummer Bitte zu demselben empor. Sie hatte ein schwarzes Kleid angelegt, die blonden Flechten hingen jchwer Über den weißen Hals herab, den eine einfache Bernsteinkette zierte. Das farbige Licht, welches die bunten Glasmalereien der Fenster in der Capelle verbreiteten, wob einen Glorienschein um das bleiche, ganz in seinem Schmerz versunkene Mädchen, auf dessen klarer Stirn eine schmale rote Narbe bemerkbar war. Bebend vor Scham hatte sie der Madonna ein stilles Geständnis gemacht und ihr Gebet mit einer Opfcrgabe in Gestalt eines kleinen goldenen Herzchens bekräftigt. Eine lange Zeit lag sie so auf ihren Knien, ihr trüber Blick flog angstvoll zu der Heiligen hinüber, bis sie ihr verweintes Gesicht in ihrem Gebetbuch? vergrub. — Doch min stieße» sie ein paar scheitende Weiber, die schon eine Weite gewartet hatten, das leise schluchzende Mädchen von den Allarstufen hinweg, um selbst an die Reihe zu kommen. Jadwiga drückte sich scheu in eine Mauernische hinein, denn die gestern mit ihrem Vater gehabte furchtbare Scene halte sie vollständig nieder- gebeugt. Sie preßte beide Hände vor das verstörte totvtasse Gesicht und jammerte schmerzvoll in sich hinein: „O süße Maria, erbarme Dich mein, o hehre Madonna, verlaß mich nicht."
Kaum hatte aber der Bischof vor dem Hochaltäre das letzte Vaterunser gesprochen, als auch Jadwiga sich schon bemühte, aus dem Menschengewühl zu entkommen. Sie flüchtete rasch durch ein Seitenpförlchen der Kirche ins Freie. Dann blickte sie noch einmal zurück. Aus dem großen Portal drängten sich die Allmächtige» in dichten Schaaren hetvor, unter ihnen der junge Edelmann von Lygotta, der mit ungewohnt düsterem Gesichte vorwärts schritt. Dem Mädchen war es einen Moment, als hätte sein finsterer Blick ihre Gestalt getroffen, und nun wurzelten ihre Füße am Boden, als könnten sie nicht weiter, und ihr Atem stockte. Voller Scham und Verwirrung, unfähig sich sofort zu fasse», strebte sie auf's Geratewohl fort, um ihm unbemerkt auszuweichen, doch in ihrer Beklommenheit und Herzensangst verfehlte sie das rechte Ziel, und anstatt zu entrinnen, kam sie immer tiefer in das Gedränge hinein. Ueberall hin und her gestoßen und geschoben und von der ungeheuren Menschenflut fort- gerissen, verlor sie die Kraft, sich zu befreien, und plötzlich befand sie sich inmitten des ProcessionszugeS und zwar zwischen den auserwählten Manenmädchen unter dem roten Baldachin. Sofort macht? sich eine große Bestürzung und Aufregung unter diesen bemerkbar. Die sanften andächtigen Mienen in ihren Gesichtern waren im Nu verschwunden und die rosigen Mädchenlippen, aus denen noch die letzten Töne eines frommen Gesanges schwebten, stießen plötzlich sehr profane Worte der Entrüstung und deS Aergers aus.
„Gebenedeite Maria, was will dieses Mädchen hier unter dem Bethimmel? — Solche Frechheit ist wirklich unerhört! - Wie kann sic sich unterstehen, sich unter die auserwählten Jungfrauen zu mischen 2" — Dergleichen Aeußerungen, von zornigen Blicken begleilet, trafen Jadwiga und über- lönten die Strophen der Litanei, welche die rings umherstehenden Kinder sangen.
„Laßt das Mädchen mit uns gehen und haltet den Zug nicht auf," bat Comt-sst Spiridia. „Jadwiga ist eben so fromm und unbescholten wie wir, ich bitte Euch, haltet Frieden."
„Nein, Comteffe, das geht nicht an," schrie die Tochter des Bürgermeisters, indem sie mit rollenden Augen um sich blickte. „Die
Jadwiga gehört nicht zu uns, denn lsie ist ein Findelkind. Ihre Mutter war eine Russatka, oder Zyganka, oder Gott weiß was, die hinter dem Zaune gestorben ist. Wir können unmöglich dulden, daß solche Ketzerkinder mit uns Marienmädchen gehen I — Das wäre eine Schande unser Lebenlang!"
„Ja, die Wanda hat Recht, Comteffe, und wir wiffen's Alle, daß sie die Wahrheit redet," riefen jetzt noch ein paar Fräulein, während sie mit höhnischem und geringschätzendem Lächeln das halbohnmächlige Mädchen musterten.
Comteffe Spiridia war heftig erschrocken. Bei ihrer angeborenen Schüchternheit wagte sic es nicht mehr, ein gutes beschwichtigendes Wort für die Arme einzulegen, sie begnügte sich damit, derselben mitleidige Blicke zuzuwerfen.
Der Procession«zug war durch diesen unverhofften Vorgang m's Stocken geraten, denn auch die singenden Schulkinder halten ihr Lied jäh abgebrochen, sprangen jetzt wild um Jadwiga herum, rissen sie an den langen Zöpfe»,uiid schrien aus Leibeskräften: „Hexen- mädchcn I Taternblut l Schwabevprinzeisin !" tc. Männer und Weiber blieben stehen und starrten neugierig das an allen Gliedern zitternde Mädchen an. Ein gelbes zerlumptes Bettelwnb hob drohend die Faust und zeterte ihr das „ Csia-krsv-nisincra" (deutsches Hundeblm) gerade in das Gesicht. Und immer mehr schoben sich und drängten sich die Menschen heran. Frauen kreischten und Binder weinten, Flüche und Scheltworte wurden laut. Viele suchten sich gewaltsam Bahn zu brechen. Wenn es so weiter fort ging, mußte sicher ein Unglück entstehen. Da sprang plötzlich ein junger Priester unter den Baldachin, faßte das in starrer Betäubung dastehende Mädchen und riß es schnell aus den Reihen der auserwählten Jungfrauen hinweg, welche nun endlich beruhigt, ihren Gesang wieder anstimmten und sich langsam vorwärts bewegten. Die Menge folgte nach und so kam der unterbrochene PrccessionSzug allmälig wieder in Gang. (Fortsetzung folgt.) -----
Wer vom Baume seines Lebens Früh schon alle Blüten pflückt,
Darf nicht grollen, wenn vergebens Er im Herbst nach Früchten blickt.
Druck und Verlag von Bernh. Hosmann in Wildbad. (Verantwortlicher Redakteur Beruh. Hofmann).