Rundschau.
Stuttgart, 22. Dez. Strafkammer. Ein hiesiger Metzgermeister, der einem Arbeiler ein geräuchertes Rippenstnckchen etwa Pfund wiegend, um 20 Pfg. verkaufte, das in Fäulnis übergangen, übelri-chend und mit Würmern behaftet war, aber sich damit ent- fchuldigte, daß er wegen vieter im Laden an- wesenden Leute keine Zeit gehabt habe, das Fleisch näher zu untersuchen, auch habe damals eine außergewöhnliche Hitze geherrscht, wurde wegen fahrlässigen Vergehens wider daS NahrimgSmittelgksetz zu der Geldstrafe von 15 und den Kosten deS Verfahrens verurteilt. Als Sachverständige waren Stadt- tierarzt Saur und Stadtdircktionsarzt Dr. Köstlin geladen.
Eßlingen, 25. Dez. Ein ungewöhnlich starker Zulaus arbeitsloser Handwerksgesellen fand in diesem Jahre am. h. Abend in die Herberge zur Heimat statt; es kamen etwa 200 an, für die abends sieben Uhr im großen Saale eine einfache Christfeier abgehalten wurde. Sladlpsarrer Plank leitete dieselbe mit einer erbaulichen Betrachtung ein, und daran schloß sich die Bescherung an, die durch freiwillige Beiträge hiesiger Bewohner gereicht werden konnte. Dazu kam dann noch ein Nachtessen und ein Frühstück am heutigen Morgen.
Maulbronn, 27. Dezbr. Das hiesige evangelisch-theologische Seminar mußte wegen Ausbruchs der Influenza vorigen Mittwoch geschlossen werden. Von den 48 Zöglingen waren 16 erkrankt, wovon die Hälfte auf der Krankenstube bleiben mußte, während die übrigen nach einigen Tagen so weit hergestellt waren, daß sie die Reise in ihr« Heimat antrcten konnten.
— In Hochdors, OA. Waiblingen ist die Mühle des Getreidemüllers Karl Schmalzried vollständig abgebrannt. Das Feuer brach in der Mühle aus, wobei sich der feine Mehlstaub entzündete, welcher wie Pulver explodierte und in ganz kurzer Zeit wurde das Gebäude cingeäschert. Von den Mobilien und Vorräten konnte nur wenig gerettet werden.
Nagold, 26. Dez. Ein etwa 20 Jahre alter taubstummer Schneider aus Mötzingen machte in der hiesigen Taubstummenschule das Weihnachtsfest mit. Auf dem Heimwege wurde er unweit der Heilanstalt von R Frölich von einem Strolch augefallen und mit Messerstichen übel zugerichtet. Frölich leistete ihm sofort wundärztlichen Beistand.
— Auf der Markung Mühlheim a B Oberamts Sulz a. N-, wurden beim Umgraben eines Hopfenfeldes außer verschiedenen Menschen- und Pferdeknochen eine Sturmhaube, mehrere Schwerter (darunter ein 96 om langes zweischneidiges), Lanzenspitzen, Degenringe, Wafsenrockknöpfe rc. zu Tage gefördert. Vermutlich stammen diese Gegenstände aus der Zeit des 30jährige» Krieges. Dieselben sollen der Sammlung des Sulzcr Altertumsvereins einverleibt werden.
— I» Mergentheim ereignete sich auf dem Bahnhof ein schrecklicher Unglückssall. Ein junger Bahnbeamter (Sohn des dortigen Oberamtsarztes Pfl.) wurde beim Ueber- schreiten der Geleise von einer Güterzugsmaschine überfahren, so daß er sofort tot war. Allgemeine Teilnahme herrscht mit der so jäh betroffenen Familie deS Verunglückten,
Ulm, 28. Dez. Die hiesigen Regimenter haben in den letzten Tage neue Gewehre erhalten ; die seitherigen kommen in die Depots. Dir neuen Gewehre haben einige Verbesserungen im Mechanismus und stammen aus der Fabrik Löwe in Berlin. Sie sind nach dem Urteil Sachverständiger besser und solider gearbeitet als die bisherigen in Stralsund angefertigten.
Horb, 23. Dezbr. Daß man bei Bewachung von Kindern nicht vorsichtig genug sein kann, zeigt wieder folgender Vorfall. Ein Taglöhner von Börstingcn, der auf der Station Eyach beschäftigt war, hatte ein zweijähriges Kind bei sich. Dasselbe bestieg einen mit Pferden bespannten Wagen. Diese scheuten, und das Kind fiel so unglücklich vom Wagen, daß ej tot war. Wieder eine ernste Mahnung für alle, welche Kinder bei sich haben.
München, 26. Dez. Der Kaiser hat dem Prinzen Ludwig Ferdinand den Schwarzen Adlernrden verliehen. Der preußische Gesandte Graf zu Eulenburg hat dem Prinzen die Auszeichnung am Weihnachtsabend überreicht.
— Beim Schlittschuhlauf auf dem schwachbeeisten Wöhrdersee bei Nürnberg brachen drei Kinder ein. Zwei wurden mit Mühe gerettet, eines ertrank.
— Auf der Kaiserwerft in Kiel wurde nachts nach der K. Z. der Matrose Busch vom Posten erschossen.
— Ein Angler fischte aus dem Seine- Kanal bei St. Dennis ein Paket aus, das 178 Eisenbahn-Oblikationen im Werte von 110 000 Fr», enthielt.
Rastatt, 24. Dez. Die hiesigen Schulen sind nach »er „Bad. LandeSztg." seit Mitte der Woche wegen starken Auftretens von Influenza, Scharlach und Dyphthcritis auf 14 Tage geschlossen worden.
— Das große Los der Roten-Kreuz-Lot- terie in Berlin sollte bekanntlich im Besitz eines Dienstmädchens sich befunden haben, die es in der Meinung, sie habe nichts gewonnen, achtlos in den Müllkasten geworfen habe. Jetzt teilen Berliner Blätter mit, daß der Gewinn von 100,000 ^ bereits am 18. Dez. an einen Mann, der das Gewinnlos vorzeigte, zur Auszahlung gelangt ist. Das LoS war unzweifelhaft echt und zeigte keinerlei Spuren, die darauf Hinweisen, daß es mit einem Müllkasten in Berührung gekommen sei.
— Ein schreckliches Unglück hat die Eheleute Händler Kramer in Dortmund betroffen. Sic sandten ihre zwei Kinder, ein Mädchen von 10 und einen Knaben von 12 Jahren, nach einer eine halbe Stunde entfernten Besitzung, um eine Schiebkarre zu holen. In der Dunkelheit sind die Kinder vom Wege abgeirrt und ins freie Feld geraten. Schließlich scheinen sie sich, da sie ermüdet waren, hingesetzt zu haben, um auSzuruhen, sind eiugeschlummcrt und nicht wieder erwacht. Andern Tags fand man die Kinder, die den Tod durch Erfrieren gefunden haben, als Leichen.
— Ein „Scherz" mit tötlichem Ausgang. Die Unsitte, Personen, die sich setzen wollen, im letzten Augenblick den Stuhl wegzuziehen, hat in dem braunschweigischen Orte Thedinghausen ein Menschenleben gekostet. Einer Dienstmagd wurde der Stuhl von einem Lehrling fortgezogen; die Magd fiel und erlitt eine schwere Verletzung deS Rück-
ratS. Sie vermochte sofort kein Glied mehr zu rühren und ist am 21. d. M. nach schrecklichen Leiden gestorben.
— Durch eine Zigarre umgekommen. In Striese im Kreise Trebnitz ist ein Gutsbesitzer infolge eigener Unvorsichtigkeit ums Leben gekommen. Derselbe hatte vor dem Schlafengehen einen nicht ganz erloschenen Zigarrenrest in die Rocktasche gesteckt. Die Zigarre brachte die Kleider zum Glimmen und infolge des sich entwickelnden Rauches erstickte der Gutsbesitzer.
Bern, 27. Dez. Der Bundcsrat beschloß soeben die Einfuhr von italienischem Kleinvieh von morgen an zu verbieten.
— Zu Tode geküßt. Es ist wohl ein ebenso seltener wie tragischer Vorfall, der sich kürzlich in Großwardein ereignete. Daselbst lebt ein gewisser Josef Frik, der Vater zweier Kinder war, von denen das eine vier Monate, das andere, wie der Säugling gleichfalls ein Bube, vier Jahre zählt. Vor drei Tagen war es, da lag der Säugling, sorgsam in einen Polster gewickelt, in der Wiege; den vierjährigen Knaben hatte die Mutter die um Brennholz in den Hof hinausgegangen war, in den mit einer verschiebbaren Klappe versehenen „Kinderstuhl" gesetzt. Sobald die Mutter sich aus dem Zimmer entfernt batte, kroch der kleine Junge aus seinem Stuhle, trippelte zur Wiege, beugte sich über dieselbe und streichelte und küßte sein kleines Brüderchen in der herzhaftesten Weise. Nach einer Weile — Nachbarn dies Alles durchs Fenster der Parterrewohnung — richtete sich der Vierjährige wieder in die Höhe und begann, wie er es von der Mutter gesehen, die Wiege zu schaukeln und dazu Schmeichelworte zu sprechen. Der Säugling war bald eingeschläfert. Nun neigte sich der Knabe neuerlich über den Wiegenrand, preßte seine Lippen an den Mund des Schläfers und blieb, indem er einen Arm um den Hals des Säuglings schlang, einige Minuten auf dem Mündchen des Brüderchens liegen und erhob sich von Zeit zu Zeit nur, um dem Kleinen einen schallenden Kuß aufzudrücken. Als die Mutter ins Zimmer trat, stand der Knabe noch immer neben der Wiege und sie sah voll Freude die Zärtlichkeit mit an, die er dem Bübchen angedeihen ließ. Dann trat sie selber an die Wiege und in demselben Momente hatte sich auch bereits ihre Freude in stürmischen Schmerz verwandelt. Der Kopf deS Säuglings lag schlaff zur Seite, aus dem rosigen Gesichtchen war jede Farbe gewichen, dasselbe ganz entstellt. Sie wickelte den Kleinen aus dem Polster, rieb und klopfte an dem Kinde, allein dieses rührte sich nicht mehr. Es wurde ein Arzt geholt, doch konnte auch er das Kind nicht wieder erwecken; es war tot — erstickt unter den Küssen seines Brüderchens.
Sofia, 27. Dez. Die Sobranje nahm mit Akklamation die Anträge der Regierung an, der Witwe und den Kindern des Grafen Hartenan eine Jahrespension von 40 000 Fr. zu gewähren.
Newyork, 22. Dez. In Abilene, Kansas ist man einem Komplott auf die Spur gekommen, dessen Zweck gewesen sein soll, die älteste Tochter des Präsidenten Cleveland, Ruth, zu «ntiühren. Es war natürlich auf ein Lösegeld abgesehen. Auch zwei Frauen seien in die Sache verwickelt.