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— Ein bäuerliches Vehmgericht. In
der galizischen Ortschaft Polynom haben in der letzten Zeit die zahlreich auseinander folgende Brände, bei denen viele Bauernhütten zu Grunde gingen, die Gemeindeinsassen in Aufregung und Schrecken versetzt. Der Verdacht der Brandstiftung lenkte sich auf den Kleinhäusler Nikolaus Buczma; die gegen denselben eingcleitcte Untersuchung mußte aber «egen Mangels an Beweisen eingestellt werden. Während Buczma in Rawa in Untersuchungshaft sich befand, kamen im Dorfe ebenfalls mehrere Feuersbrünste vor, a>< deren Urheber die Volksstimme zuerst den 17jährigen Sohn Buczma's und hernach die Magd dieses Landwirtes bezeichnet?. Obwohl Buczma'« unversichertes Hab und Gut bei einem dieser Brände fast gänzlich eingc- äfchert und der vermeintliche Thäter dadurch an den Bettelstab gebracht wurde, galt B- nichtsdestoweniger im Dorfe noch immer allgemein als Brandleger. Bei einer während der letzten Feueröbrunst auf der Brandstätte abgehaltenen Besprechung fällte eine Anzahl von Bauern über Buczma das Todesurteil, da derselbe nach ihrer Ansicht die ganze Ortschaft in Brand stecken könnte, zumal eine
Wahrsagerin und Kartenbcnterin auf Buczma als Brandstifter und Geißel des Orte« hin- wieS. Auf Grund dieses Vehmgerichtes wurde der bedauernswerte Bauer am Abend des 21. September d. I. vor den Augen seiner verzweifelnden und entsetzten Kinder in unmenschlicher Weise erschlagen. Man fand die Leiche Buczma's mit zerschmetterter Hirnschale und zehn schweren Kopfwunden. Vor dem Strafgerichte zu Lemberg haben sich nun dreizehn Bauern wegen Verbrechens des Morde- zu verantworten. Fünfzehn Zeugen sind zur Verhandlung vorgeladen.
— Der zweite Hauptgewinn der Roten Kreuz-Lotterie (50 000 Mark) fiel auf die Nummer 314 254.
— In der Nacht zum Sonntag brannte das alte banfealische Haus in Antwerpen, das im Jahre 1564 errichtet und eine der Sehenswürdigkeiten der alten Stadt ist, vollständig nieder. Die Baulichkeiten nehmen eine Fläche von ca. 80,000 Quatratmeter ein. Seit 1881 diente es als Warenlager, speziell für Getreide vernichtet sein. Von dem stattlichen Gebäude blieben nur vier Mauern stehen ; der Brand dauerte die ganze Nacht und konnte erst am Sonntag nachmit
tag gelöscht werden. Die zahlreichen Schiffe, die dem Hause gegenüber lagen, haben glücklicherweise zeitig entfernt werden können. Von Personen ist niemand verunglückt. Der Schaden wird auf ca. 5 Millionen geschätzt. Man vermutet vorsätzliche Brandstiftung als EntstehungSUl fache.
Antwerpen, 15. Dez. Hier wurde ein Beamter der deutschen Bergwerks-Verwaltung in dem Augenblick verhaftet, als er sich nach Amerika einschiffen wollte. Derselbe trug 11,000 unterschlagene Gelder bei sich.
— Riesensorelle. Am Fischmarkt in Zürich kam eine Seeforelle von 36 Pfund Gewicht auf den Verkaufstisch. Das Tier war Meter lang und halte an der dicksten Leibesstelle einen Umfang von 120 vm. Es ist im Scmpachersee gefangen worden und wurde vom Fischer Zimpfer in Sempach an den Fischhändler Weidmann in Zürich geliefert.
.'. Lehrer (der vom Hahn erzählt hat): „Fritzchen, wie heißt also das Tier, welches sich schon früh morgens hören läßt und vielen Lärm macht?"
Fritzchen (herausplatzend): „Die Weckeruhr ft'
Das Weihnachtsbimmchkn.
Erzählung von Carl Cassan.
Nachdruck verboten.
2 .
Da nahm der Herr ein Goldstück aus der Börse, reichte es dem Knaben Anton und sag«: „Bringe das deiner Mutter; zuvor aber mußt du den Baum nochmals verkaufen, denn ich schenke ihn dir mit dem Gelde. Adieu I"
Er schritt dann eiligst in die Allee hinein. Anton Körber starrte ihm nach und rief: „Vergelt'S Gott, Herr l Vergelt'« Gott ft' Dann besah er das Geldstück unter der Laterne und erschrack, denn er hielt ein Zwan- zigmarkstück in der Hand. „Das muß ein Irrtum sein," murmelte er, „die Mutter soll mir sagen, was ich thun muß."
Er eilte rasch auf den Markt zurück und hatte eine Stunde später das Glück, seinen Baum für den geforderten Preis zu verkaufen, worauf er den Rückweg nach Hause antrat. Ganz denselben Weg hatte gleich nach dem Zusammentreffen mit dem Knaben der Herr im Pelzrock eingeschlagen. Er suchte in einem abgelegenen Quartiere die Hölzel- straße, fand beim Laternenschein die Nr. 124 und bog in den dunkeln Hof ein, wo er nach der Familie Körber fragte. Ein mürrischer Kerl zeigte auf eine niedrige Thür, die man im Widerschein der erleuchteten Fenster gegenüber sehen konnte; zwei Fenster- chen daneben waren dunkel. Auf dem gleichfalls unerleuchteten Korridor tappte der Mann nun umher, bis sich eine Thür öffnete und eine Frauenstimme, welcher man den Kummer anhörte, fragte: „Wer ist da?"
„Der Vierlels-Kvmmissärl" lautete die Antwort.
„Ach Gott, was wünschen Sie denn?" rief dieselbe Stimme angstvoll. „Aber treten Sie ein!"
Jener folgte der Einladung, bemerkte aber, daß die Stube kalt war. „Können Sie Licht machen fragte der Kommissär.
„Ja, die Lampe wird noch ein wenig brennen." Dabei rieb die Frau zitternd
ein Streichhölzchen an und entzündete das Lämpchen. Der Fremde sah nun, daß die Frau bleich und verhärmt aussah; zwei Knaben und ein Mädchen, etwa acht, sechs und vier Jahre alt, drängten sich ängstlich an die Mutter.
„Sie sind doch Frau Körper?" forschte der Kommissär.
„Ja, lieber Herr."
„Ich komme wegen Ihres Sohnes Anton," lächelte Jener, „seien Sie also nicht ängstlich I"
„Gott sei Dankt" rief die Frau erleichtert. „Um was handelt es sich denn?"
„Ist der Knabe fleißig und brav?"
„Ach, Gott sei Dank, ja, lieber Herr. Er ist der Erste in seiner Klasse; es ist freilich nur eine Armenschule, denn seit mein Mann — fort ist, haben wir ihn aus der Bürgerschule nehmen müssen, gerade wie diese beiden Knaben."
„Hm, wie lange ist Ihr Mann schon fort?"
„Fast zwei Monate, Herr. Um die Kleinigkeit ist eS fast zu viel."
„Ich weiß eS. Und Sie leiden Not?"
Die Frau blickte nach oben und sagte mit einem Seufzer: „Das weiß unser Herrgott I"
„Ihr Mann ist wohl in schlimme Gesellschaft geraten, liebe Frau?"
Sie sah den Besucher forschend an: „ES ist mein Mann, Herr Kommissär."
„Ich frage in Ihrem Interesse, liebe Frau."
„Nun ja, er ist in Hände gefallen, in welchen ich ihn nicht gern sehe. Er ist dort bethört und verführt worden und jetzt müssen wir dafür büßen."
„Nun vielleicht wird Alles wieder gut l"
„O, Gott lohne eS Ihnen, Herr, wenn Sie etwas für uns thun können."
„Ich thue nur meine Pflicht. — Haben Sie Schulden gemacht?"
Wieder blickte die arme Frau den sonderbaren Gast an, aber er hatte ein so edles Gesicht, so wunderbare seelenvolle Augen, daß sie Mut faßte und sie sagte zögernd;
„Schulden? Ach nein, Herr, denn Niemand borgt uns ; aber wir haben Betten und Möbel versetzt und das Meiste eingebüßt."
„Traurigl Sehr traurig!" erwiderte der Fremde,
„Ja, mehr als das, Herr Kommissär, cs ist schrecklich zu sagen. Wir frieren und hungern auch!"
Der vorgebliche Kommissär langte in seine Tasche, trat dann zurück und legte seine Börse auf eine wackelige Kommode an der Thür, indem er sagte: „Gute Nacht! Waich hier hinlege, liebe Fran, ist für Sie und Ihre Kinder; Sie dürfen es ohne Besinnen nehmen und verwenden wie Sie wollen. Uebrigens sollen Sie später Weiteres von mir hören. Adieu I"
Damit war er aufatmend zum Haufe hinaus.
Jndeß starrte ihm Frau Körber hinterher und griff nach der Börse, die sie neugierig dem Lichte nahe brachte. Da stieß sie einen lauten Schrei aus, denn aus der grünseidenen Börse glänzten ihr Goldstücke entgegen. War'S ein Wunder, war's Wirklichkeit I War das Glück wie in .Tausend- und-einer-Nacht, bei ihnen eingekehrt?
In dem Augenblicke stürmte Anton herein und berichtete sein Abenteuer, worauf Frau Köeper auf die Vermutung kam, der Spender der Börse und der Wohllhäter des Knaben feien eine und dieselbe Person. Eilig ging sie fort und holte Holz und Nahrung in'S Haus, worauf dann bald ein Feuer im Oft» flammte und die Kinder jubelnd die Speisen auf dem Tische umdrängten.
Inzwischen hatte der Mann im Pelzrock einen Laden betreten und warme Kleider, Handschuhe, Strümpfe und Schuhe ausgesucht; er bezahlte auS einer zweiten Börse mit Gold und befahl, diese Sachen in der Körbcr'schen Wohnung für die Kinder gleichen Namens abzugebe», Alles sofort. Dann trat er in einen Spielwarenladen, wo er allerlei hübsche Sächelchen kaufte und damit ebenso bestimmte.
< Fortsetzung folgt )
Berantwortlicher ikedeckteur i Bernhard Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hvfmsnn in Mldbad.