Feiertag und zugleich Rasttag für die Truppen machten von vensetben gegen 200 Mann einen Ausflug über den See, wobei sie mit einer bedeutenden Fahrtaxeermäßigung be­günstigt wurden. Gestern war Schlußma- növer in der Nähe hiesiger Stadt gegen einen markierten Feind. Die Zurückbeförderung der Truppen, deren Aussehen und Haltung eine sehr gute war, erfolgte gestern und heute in mehreren Extrazügen. Die Verladung der Kavallerie gestern abekid bei elektrischem Licht, das Von der Militärverwaltung mittels eines transportabeln Apparats eingerichtet worden war, hatte eine Menge Zuschauer auf den Bahnhof gelockt.

Karlsruhe, 11. Sept. Der Kaiser und der Prinz von Neapel sind gestern abend 5 Uhr hier eingetroffcn. Eie wurden von dem Großherzog, den Prinzen des gcoßher- zoglichen Hauses und dem Prinzen Aldrecht von Preußen empfangen. Der Kaiser be­grüßte den Großherzcg sehr herzlich mit wie­derholter Umarmung und Kuß. Der Kaiser und der Großherzog schritten die Front der Ehrenkompagnie ab und fuhren sodann in die prächtig geschmückte Stadt. Die Menschen­menge begrüßte den Kaiser enthusiastisch.

Auf dem Marktplatze bei dem Kaiserbrunnen bewillkommte der Oberbürgermeister den Kai­ser und sagte: Die Stadt begrüße den Kai­ser in dem sicheren Bewußtsein, daß das scharfe Schwert des Reiches in sicherer Hand ruhe, daß der Kaiser dasselbe niemals un­bedacht der Scheide entreißen und im Not­fälle kraftvoll führen werde für den Bestand und die Ehre deS Vaterlandes. Auch gegen­über den im inner» drohenden Gefahren richten sich die Blicke mit ruhiger Zuversicht auf den Lenker der Geschicke de« Reiches, der mit klarem Blicke seine« schweren Amtes ge­recht und gütig walte. Der Kaiser dankte für den feierlichen Empfang und führte aus, das die Besorgnis, welche im Frühjahr bei seinem Eintreffen in Karlsruhe herrschte, wieder geschwunden sei. Gott sei Dank, das deutsche Volk hat sich wieder gefunden; es hat fest zusammengestanden und gethan, was seine Pflicht war. Mir und meinem Ver­bündeten, insbesondere dem Großherzsg, war es dadurch möglich, auch unsere Pflicht zu thun, um den Frieden in Europa zu wahren. Hierauf begab sich der Kaiser mit dem Kron­prinzen von Italien nach dem Schloß, wo­selbst die Begrüßung durch die fürstlichen

Damen erfolgte. Abend« fand Familientafel und Marschalltafel statt, um 9 Uhr großer Zapfenstreich.

Metz, 8. Sept. Bei den gestrigen Ma­növern vor dem Kronprinzen von Italien ist ganz besonders die ausgezeichnete Haltung der rheinischen Landwehcbrigade ausgefallen. Der Kronprinz begab sich infolgedessen zu ihr und erkundigte sich eingehend bei den Offizieren und Mannschaften über ihre Or­ganisation, Ausrüstung und viele andere mili­tärische Einzelheiten. Mit einigen Soldaten sprach er auch in freundlichster Weise über ihre persönlichen Verhältnisse und äußerte sich dann sehr erfreut über die frischen, un­befangenen Antworten, die er bekommen hatte.

Marktberichte

Stuttgart, 9. Septbr. Kartoffelmarkt: Zufuhr 600 Zentner. Preis per Zentner 3 ^ 20 ^ bis 3 ^ 50 Kraut­

markt : Zufuhr 6000 Stück. Preis 18 bi< 22 per 100 Stück. Mostodstmarkl: Wilhelmsplatz. Zufuhr 4000 Ztr. Most­obst. Preis per Zentner: 2 80 bis

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WertHevs Schatten.

Novelle von Karl Cassau-

(Nachdruck verboten.)

6 .

Werther stand auf und rief Hector, der im Schatten ein Schläfchen gemacht, stieg zu seinem Zimmer hinauf, nahm ein Pistol von der Wand, untersuchte dessen Ladung und steckte es in die Tasche seines blauen Gehrocks, ergriff Hut und Stock und schritt der Brücke zu, umschmeichelt von Hector.

Jetzt betrat er den Osterhagen, ein großes Gehölz, welches sich bis zum Jrenenstein und darüber hinaus fortfetzte.

Hier warf er sich unter einer knorrigen Eiche im grünen, schwellende» Waldmoofe nieder und blickte zum lachenden Sonnen- himmel, der hier und dort zwischen den Laub­kronen sichtbar ward, hinauf, wobei er seufzte und ein paar Mal leise den Namen Laura rief. Dann zog er das BuchDie Leiden des jungen Werther" hervor und las jene Stelle, wo derselbe die Geliebte zuerst er­blickt. Ein Schauer des Entzückens verklärte dabei das Gesicht des jungen Mannes, und ein Sonnenstrahl, der durch das dichte Laub­dach brack, fiel gerade auf sein Haupt, als wolle er den schönen jungen Mann mit einem Glorienschein umweben. Müde ließ Werther dann den Kopf sinken und flüsterte:

Es muß sein! Der Vater sieht ihn nicht gern bei mir und anderen Händen ver­traue ich ihn nicht an! O Laura, wenn Du wüßtest, welche« Opfer ich Dir Kringel"

Er rief Heetor und legte die gespannte Pistole neben sich ins grüne Moos. Der grsße kluge Hund kam dicht heran und Werther Helbig legte seinen Kopf an den Hals des treuen Tiere-."

Ade, mein Liebling!" rief er laut, lind Rührung zitterte durch seine Stimme.Wer weiß, ob ich je ein so treues Herz wieder besitzen werde I Aber ich muß ja Abschied nehmen von dem lustigen Leben und von Allem, was mich von meinem Studium ab­lenkt. Hector, edles, kluges Tier, fahre wohl I"

Er ergriff das Pistol, setzte es dem Tiere

auf die Brust, wände den Kopf ab und drückte los. Das Echo des Schusser tönte durch den Wald, der Hund brach lautlos im Moose zusamen und ein ängstlicher Zuruf machte Werther aufscbauen.

Vor ihm stand plötzlich blaß und zitternd der alte Gröhlmann.

Was will Er?" fragte Werther finster.

Ich komme von der Rentei in Hennig- stedt, bei dem Schuß sprenge ich hinzu und ach Herr Jesus I"

Was schreit Er denn so, Gröhlmann? Er will Seinem Namen wohl Ehre machen?"

Ach, Du mein Herr und Gott, nein I- Aber das schöne Tier!"

Werther zuckte die Achseln und sagte:

Er wird doch das Maul halten können, Gröhlmann?"

Gewiß, Herr Helbig!"

Wohl, so helfe er mir das arme Tier eingraben I"

Sie waren bald beide bei der traurigen Arbeit, und als der Alte Wcrthers Thränen in d>e Walderde fallen sah, schüttelte er be­denklich den Kopf. Einen langen Blick warf Werther noch auf den Platz unter der Eiche, ergriff dann Pistol und Buch und schritt langsam dem Städtchen zu. Gröhlmann folgte schweigend.

Bei der Brücke blieb Werther vor einem Reiter stehen, der das mutige Roß kaum zum Stehen zwang, feurig schlug es auö und biß in die Zügel.

Mein Gott, Du bist eS, Paul!" sagte er und es war ihm, als ob sich eine kalte Hand ihm aufs Herz legte.Hast Du in Schwalbheim so oft zu thun?"

Warum denn nicht lachte der junge Amtmann aus Hennigstedt.Da giebts im­mer Pachtverträge und Verschreibungen zu ordnen und säumige Schuldner zu mahnen I"

Da hast Du allerdings recht."

Ich stelle mein Pferd bei Gaffelin ein; wolle» wir dort ein Glas Bier trinken, Pluto, he 2"

Werther nickte, bat jedoch:

Thue mir aber eine Gefälligkeit, Paul! Nenne mich nicht mehr Pluto I Habe die

Thorheiten nun abgethan und will jetzt fein bürgerlich ehrbar werden I"

Wirklich? Da gratuliere ich, Werther. Warst mir stets ein lieber Junge, steckt ein guter Kern in Dir I Aber ich muß eilen ! Auf Wiedersehen bei Gaffel!» I Vor Tisch muß ich noch einen Besuch bei Wolands machen."

Rasch ritt der junge Amtmann davon.

Werther wurde dunkel vor den Augen. Sollte Paul sein Nebenbuhler sein?

Merkwürdig, murmelte er dann,welche Antipathie mich gegen Paul beschleicht; ich hatte ihn früher doch so gern I"

Werther schritt der goldenen Sonne zu und fand Paul Busch, den Amtmann von Hennigstedt bereits an einem mit zwei Känn­chen besetzten Tische.

Da setze Dich, Werther," sagte Busch herzlich und stieß mit,,ih,m auf gute Freund­schaft an.

Wirst Du denn Deine ganze Ferien hier zubringen?" frug Busch.

Nein Paul, in acht Tagen gedenke ich schon abzureisen."

So rasch?"

Will studieren, Paulj, hier fehlen mir die Bücher I"

Richtig!" erwiderte der junge Amtmann und blickie suchend umher.

Du suchst etwas?" frug Werther.

Deinen Hector!" antwortete der Freund.

Werther ward verlegen und gestand zu­letzt, daß er das edle Tier getötet,

Der Vater sah ihn ungern," entschul­digte er die Thal,und die Mutter fürchtete immer für ihre Teppiche!"

Du hättest ihn da lieber mir schenken sollen , Werther , er hätte es gut gehabt l Schade, das schöne Tier konnte mir fast leid thun! Aber ich muß fort, gehst Du mit?"

Sie standen zusammen auf, und Werther, der sich ein wenig auf die Lauer legte, be­merkte zu seiner Geuugthuung, daß Paul kaum eine Viertelstunde im Wolandschen Hiuse blieb und dann fortritt.

(Fortsetzung folgt.)

Berautwvrtlicher Redakteur - Bernhard Hosrnarin.) Druck und Verlag von Bernhard Hosmauu in Wi'dbad.