bltibsel des BallonS verborgen; Gelb unb Briefe verbarg der Pfarrer selbst aufs sorgfältigste. Mil Tagesanbruch kam eine preuß. Truppe unter Führung eines Majors, welcher nach dem Luftschiffer forschte und im Pfarr- Hause im Quartier blieb. Nach sechs Tagen erfuhr er infolge einer geheimen Anzeige alles, konnte aber keine Beweise erhalten. Der Luflschiffer wurde als Kriegsgefangener nach Coblenz geschickt. Dem Pfarrer aber gelang es, Geld und Briefe nach Belgien in Sicherheit zu bringen.
London, 29. Juli. Kaiser Wilhelm ist an Bord der kaiserlichen Dacht «Hohenzollern" auf der Rhede von Dover eingclrosfen und hat nach kurzem Aufenthalt seine Fahrt fortgesetzt. Prinz von Wales fuhr an Bord der Dacht „Osbsrne" der Dacht „Hohenzollern" bis einige Meilen über Spithead in See entgegen, worauf beide Dachten nach Cowes segelten. In Portsmouth nnd Cowes wurde bei Ankunft der Fahrzeuge der Königssalut abgegeben.
— Piraten-Grausamkeiten. Grauenvolle Einzelheiten werden über die Behandlung holländischer Seeleute veröffentlicht, welche die Bemannung des Dampfers „Najah"
bildeten, der in die Hände atchinesischer Seeräuber fiel. Die Seeräuber schnitten dem Kapitän Hansen Ohren und Nase ab, stachen ihm die Augen ans und warfen den verstümmelten Leichnam in'S Meer. Die übrigen vierzig Mann Besatzung wurden in ähnlicher Weise gemartct und ermordet. Die geraubten Waren repräsentieren einen Wert von zwei Millionen Gulden. Der Dampfer fuhr von Penang nach Peking. Drei holländische Dampfer, welche zur Verfolgung der Verbrecher ausgesendet wurden, kaperten ein Fahrzeug mit sechzehn Seeräubern. Unter den Opfern befindet sich eine englische Familie mit Mann, Frau und drei Kindern, welche nach Peking reiste.
Vermischtes.
— (Eine Wundertaschenuhr.) Aus Gens schreibt man: Eine wahre Wundertaschenuhr wird für den Preis von 15 000 Franken auf Bestellung gegenwärtig von Firma Batek, Philipp u. Cs. gefertigt. Diese hat einen Durchimsfcr von 6 om, eine Stärke von 22 mrn und bietet folgende Vorzüge: Die Zeit zweier verschiedener Länder anzeigend, hat sie zwei voneinander unabhängige
Zifferblätter, ferner eine Minutenzahl; wenn je ein Siundcnabschnitr zu Ende ist, klingelt sie von selbst. Ein Wecker soll den glücklichen Besitzer morgenS auS dem Bett scheuchen. Ein chrouographischer Zeiger giebt die Sekunden dis auf 's an. Ein springender Zeiger giebt die Sekunden an, ein anderer Stunden und Minuten. Ferner liegt ei» kleines Thermometer auf dem Rande. Ein andere«Zifferblatt giebt Tag und Monaisdatum an, auch das Mondviertel. Ferner ist ein Barometer vorhanden. Ein besonderer Cadran (Zifferblatt) giebt noch die Differenz der Zeit von einem Meridian an.
(Telephonisches.) „Amt II. Nr. 7963. Möchte mit Fräulein Schmidt verbunden werden." — »Hier Lina Schmidt. Wer dort?" — «Herr Liebreich. Möchten Sie gern Frau Liebreich werden?" — „Ja." — „Dann 3 Uhr Standesamt. Schlug "
(Bei Nacht.) Es ist nahe der Geisterstunde. Ein einsamer Passant wandert seinem Heim zu. Da bettelt ihn ein Vorübergehender an. „Schämen Sie sich nicht", ruft ihm der Belästigte zu, um diele Stunde zu betteln?" -- „Aber Herr", antwortete der arme Kerl, „ich bettle ja such bei Tage."
e
l
Liebe um Liebe.
Novelle von Karl Cassau-
(Nachdruck verboten.)
7.
„Ja, wenn noch Hülfe zu schaffen wäre! Wie, wenn ich Hiller — er ist reich — er scheint Abxandrine — aber nein, wird er die Tochter — eines — Diebes — ?"
Eppmger verbarg das Gesicht in beiden Hände» und warf sich leise stöhnend in ein Fauteuil.
So saß er lange, lange. Dann erhob er sich fest. Einen Schritt that er noch gegen daS Schlafgemach seiner Gemahlin, dann stand er still und schauderte; langsam kehrte er dann um und flüsterte:
„Gute Nacht, Bella I Es ist eine lange, lange Nacht vor mir I Lebewohl I
Er ging zum Pulle. Wieder spielte die Feder teS Geheimfaches, daun entnahm er demselben mit zitterirden Händen einen kleinen Taschenrevolver, der bereits geladen war. Leise versuchte er am Gaslichte die Mechanik der Waffe, seufzte nochmals ries auf und trat i» caS Schlafkabinet. Hier legte er die Waffe aus den Toilettentisch, zog Nachtwäsche an, ordnete das Haar und legte sich in's Bett. Einen Augenblick tönte es wie ein verhaltenes Schluchzen aus der tiefsten Brust dcS unglücklichen Mannes, dann faltete er die Hände und flüsterte:
„Gott der Gnade, rechne mir die That nicht zu I"
Da kam es wie Weihnachtsmärchen ans der Jugendzeit über ihn und die geängst'gste Seele schrie in ihm ans:
„Nein, min, ich will es büßen, wie ich eS Verdient habe I"
Aber dann dachte er wieder an das Kleid deS Züchtlings, wenn er auf lange Jahre in das Zuchthaus mußte, er dachte an das weiße Atlasgewand Alexandrinens, an die Uniform Victor«. Laut schrie er auf, griff nach der Waffe, fetzte die Mündung unter das ficberifch kioplende Herz, ein Knall erlönte, Eppmger war tot und ihn hatte kein irdischer Richter mehr zu richten. —
Jean, der eben durch den Vorsaal schritt, die Arbeit der übrigen Dienerschaft zu überwachen, hörte den Knall und trat in daS Schlafgemach seines Herrn. Da er aber diesen dem Anschein nach schlafend im Bette fand, wollte er eben umkehren, als auch Frau von Eppinger durch den Schuß aufgeschreckt, mit dem Licht in das Zimmer trat. Bei dem Scheine der Kerze im silbernen Armleuchter erblickte sie den blitzenden Revolver in des Gatten Hand; fast wäre ihr vor Schreck das Licht entgleiten, hätte sich Jean desselben nicht bemächtigt.
Laut weinend warf sich Frau von Ep- pinger auf den entseelten Leib des Gatten, denn das Blut in der weißen Wäsche hatte ihr alles verrate».
Jetzt erst begriff Jean das Vsrgcfallene Wie der Blitz war er davon und bestellte den Wagen.
„Zum Sanilätsrat Stephani, der gnädige Herr ist schwer erkrankt. Um aller Heiligen willen, die größte Eile!" sagte er zu dem Kutscher.
Der Wagen jagte davon.
Nun eilte Jean zurück zu seiner Herrin, tröstete sie, so gut es gehen wollte, überzeugte sich ober auch zugleich, daß der Hausherr den finsteren Gewalten des Todes verfallen und nicht mehr zu retten war.
Jean war es, der Frau von Eppinger in das Zimmer deS Gatten führte, der ihr dort den Brief gab und sie bat, um der Ehre des Hauses willen, vorläufig zu schweigen und ihrem Schmerze zu wehren.
Der kluge Diener brachte es wirklich durch seine Vorstellungen dahin, daß Frau von Eppinger, Alexandrinen und Beaten nichi weckte, sondern erst den hintertasfinen Brief des Galten las. Es waren nur wenige Worie:
„Liebe, teure Bella I Vergieb mir! Ich habe in der letzten Zeii ungeahnte, harte Verluste erlitten, in folge deren ich die Depositen der Bank angriff; im grünen Gewölbe fehlen gerade 500 000 Guieen. Soeben kam der Bankdiener Klöppel und zeigte mir die heule
Vormittag zehn Uhr bevorstehende Casstn- revision a». Ich bin verloren uns kann nicht länger leben. Arme Frau, arme Kinder I Schicke sogleich zu Doktor Löwe, er wird Dir raten. Verzeihe
Deinem unglücklichen Leopold von Eppinger.
Mit einem entsetzlichen Schrei sank die unglückliche Frau ohnmächtig zusammen.
Wieder war es ter kluge Jean, der, so gut es anging über Ehre und Ruf des Hauses wachte. Er brachte die gnädige Frau in's Leben zurück, er nötigte sie einige Worte auf ihre Karte zu schreiben und schickte diese Karte zugleich zu Doktor Löwe.
Derselbe war noch gar nicht schlafen gegangen, sondern schrieb noch einen Leitartikel für ein Blatt und traf schon in einer Stunde bei Eppinger ei». Mit einem Ausruf des Entsetzen» hörte er vom Sanitälsrat das schreckliche Ereignis und daß keinerlei Hoffnung mehr vorhanden war.
Doktor Löwe las den Brief und befahl sodann Jean, Loihar Hiller herbeizuhole».
Der Wagen ging sogleich ab und Doktor Löwe sagte zu dem Arzt: „Sie, Herr Sanitätsrat, bleiben wohl noch ein Stündchen; Hiller muß uns raten, er ist klüger, wie wir alle l"
Der SanitätSrat lächelte schmerzlich und versprach zu warten.
Eine bange Stunde verstrich. Die Herren gingen unruhig im Zimmer auf und av und Fra» von Eppinger weinte leite.
Endlich rollte ein Wagen vor und tü»f Minuten später stand Lothar Hiller im Z>ntt mer. Schnell hatte er die Situation üd°r- sehcli und war rasch zu einer großmütigen That der selltensten Art entschlossen.
„Ec trat an das Pult, schrieb ein paar Worte auf ein Stück Papier, reichte cS Doktor Löwe und sagte:
„Du, Franz, eilst zur Discontobank, erhebst diesen Betrag und um neun Uhr kannit Du mit dem Gelbe im Gebäude der orientalischen Bank fein I"
(Fortsetzung folgt.)
NeEtw»rtlichrr Red-ckteur: Bernhard Hoswann.) Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wttdbad,