Hiesiger.

Wildbad, 23. Juli. Der von dem Jn- strumeulalverein und dem Mannergesangver­einLiederhalle" in Pforzheim heute mittag hierher veranstall.te Familien-AuSflug brachte u»S, durch das gute Wetter begünstigt, mit­telst ExtrazugS Gäste auS der Nachbarstadt Pforzheim in großer Zahl, wie solche in ähnlichem Umfang schon länger nicht mehr dagewesen, denn der Sonderzug war mit nahe­zu 1000 Personen bes.tzt; sie wurden am Bahnhof unter klingendem Spiel der Fcuer- wehrkopelle empfangen und zur Stadt ge­leitet. Die aktiven Mitglieder des Jnstru- mentalvereinS, 40 an der Zahl, waren schon vormittags zur Musikprobe mit der Kur­kapelle cingelroffen. Aus 4 Uhr war gemein­sames Konzert angesetzt und dies bildete such den Höhepunkt des Tages. Der günstigeren Tonwirkung wegen war statt der K. Anlagen die Trinkhalle gewählt; das Podium der Kurkapelle daselbst war erweitert und mit Tannengrün, Draperien und Fähnchen in den badischen und württembcrgischen LandcSfarben geschmückt. Schon von 3 Uhr ab begannen sich die Plätze in und vor der Trinkhalle und auf der Terrasse entlang des Hotel Bellevue zu füllen. Präzise um die festgesetzte Zeit begann die Mustkaufführung mit dem Krön­ungsmarsch aus der OperDer Prophet" von M'yerbecr. Das vereinigte Orchester, bestehend aus 62 Mitgliedern, war abwechs- lungsweise vom K. Musikdirektor Ruß und und von Musikdirektor Baal von Pforz­heim geleitet. Letzterer ist zugleich auch Diri­gent der Liederhalle. Ais zweites Programm- stück folgte der MännerchorDie Himmel rühmen des Ewigen Ehre" mit Orchesterbe- gieitnng, von Beethoven. An die Ouvertüre zuOberon, König der Elfen" von Weber reihte sich wieder ei» Männerchor und zwar daS Pecislied der Liederhalle beim Schw. Siingerfest in ReutlingenVom Rhein" von Max Bruch. Sämtliche lO Piecen des Pro­gramms voll schöner Abwechslung wurden verdientermaßen ungemein beifällig ausgenom­men und von Nummer zu Nummer mit Spannung erwartet bis das so überaus ge­lungene Konzert mit dem Chor unter Musik­begleitung :All Deutschland hoch, mit Mut und Kraft" von Franz Abt abschloß. Es ist schwer zu sagen, w-lches S'ück mehrA»- klang gefunden hat. Auch in finanzieller Be­ziehung war diese mit vereinten Kräften aus- geführte musikalische Aussührung zu Gunsten armer Badebedürftigcr von schönem Erfolg Abends bei eintretender Dunkelheit wurde der mittlere Teil der herrlichen Anlagen beleuch­tet mit unzähligen buntfarbigen Lampions und bengalischen Feuern, die inmitten in der Allee ein prächtiges Farbenspiel hervorzauber- ten. Dazwischen konzertierte die Kurkapelle mit gewohnter Meisterschaft. ES entwickelte sich jenes buntbewegte Bild, wie cs nur in größeren Badeorten zum Ausdruck kommt, ein reizender Aufenthalt. Bis kurz vor 10 Uhr wurde er ansgcuützt. Die Pforz- heinier und sonstige untereEnzihäler" muß­ten sich zu dem bereitstehcnden Extrazug ver­fügen, um daselbst noch emP'ätzchen zu fin­den; präzise '/-l l Uhr fuhr der lange Zug von dannen, mit Hilfe dessen die Teilnehmer eine Reihe herrlicher Stunden in Wildbad erleben durften. Der Vorstand des Jnstru- mentatvereins Pforzheim, Hr. Rechtsanwalt Jacob, der als Hauplveranstalter genannt Werden darf, hat sich wieder als schneidiger

Arrangeur bewährt und getreu seinen Be­strebungen für gewisse R formen unseres Ver­kehrswesens, auch wieder ein Beispiel gegeben, wie manbillig und bequem" von Ort zu Ort komme» vermag. fEnzth.)

Rundschau.

Der Verein zur Hilfe in außerordent­lichen Notstantsfällen auf dem Laute hat ein Gabcnverz-icbmS veröffentlicht, laut welchem bisher 37 2l9 82 zur Bekämpfung der Futternot cingingen. Bisher sind von den eingegangenen Gaben ^ 12 040 an Unter­stützungen verausgabt worden.

In Stuttgart fand im Bürgermuseum die Gründung einesSchwäbischen Hand­werkerbundes" statt, der mit dem Württ. Schutzverein der Kaufleute und de» Land­wirten zusammen einen Bund des Mittel­standes bilden soll, dessen drei Glieder ge­trennt marschieren aber vereint schlagen sollen. Etwa 180 Ha»dw rk>r waren in der Ver­sammlung zugegen. Hr. Albert Treiber hielt die Eröffnungsrede und hatte die Statuten entworfen. Ein Ausschuß von 15 Mitglie­dern wurde gewählt.

Laupheim, 22. Juli. Gestern abend Hai sich auf hiesigem Bahnhof ein sehr bedauer­licher Unglückssall zugetragen. Werkzeugar­biter F. von hier wollte beim Umladen von sogenannten Holländern Hilfe leisten. Er stellte sich an das Ende der Stämme (Schwanz im Volksgebrauch benannt), «ährend der am vorderen Teil beschäftigte Arbeiter ihn nicht sehen konnle. Beim schnellen Schwenken des Stammes beim Abladen stieß dieser mit solcher Gewalt an den Kopf des F, daß er, wahr­scheinlich infolge einer starken Hu»erschütter- ung, tot zur Erde sank.

Ehingen, 23. Juli. Gestern wurde die Tochter deS Landboten N. in Dächinge» an ras Amtsgericht hicr eingeliefirt. Dieselbe Halle ihr neugeborenes Kind bald nach dessen Geburt umgebracht, und die gerichtliche Ob­duktion ergab, daß dasselbe erwürgt worden sei. Die unnatürliche Mutter, welche anfangs leugnete, hat nunmehr die Thal in ihrem vollen Umfange cingestanden.

Mergentheim, 20. Juli. Gestern abend wurde eine sehr zahlreich besuchte Bürger­versammlung abgehalten, um über die Er­weiterung der hiesigen Garnison zu beraten. Aus den von Stadlschultheiß Merz gegebenen Darlegungen entnehmen wir, daß die bürger­lichen Kollegien bereits im Jahre 1874 und 1890 ein diesbezügliches Gesuch an das KnegSministerium gerichtet. Da infolge der Annahme der Militärvorlage in Württem- 8 neue halbbatailloue errichtet werden, so werde» die bürgerlichen Kollegien ihr früheres Gesuch erneuern und wird diese Eingabe in den nächsten Tage» dem Krikgsminister durch eine Deputation persönlich übergeben werden.

Freudenstadt, 20. Juli. Bei der in Dornstettcn stattgehabten OrtSvorsteherwahl erhielt Schullehrer Seitz in RemmingSheim, OA. Rottcnburg (gebürtig aus Dornstetten), t18 und W. Braun, VerwaltungSaktuar in Dornstetien, 69 Stimmen.

Waldsee, 20. Juli. Das hier auf An­fang Oktober projektiert gewesene landwirt­schaftliche Fest, verbunden mit einer Gcwcrbe- ausstcllung, wurde aus verschiedenen triftigen Gründen aufs nächste Jahr verschoben.

Ulm, 21. Juls. G-stern abend kam das Urteil in der Strafsache gegen den Güter­händler St. von Ulm wegen Kapitatsteuer-

unterziehung zur Verkündigung, und wurde derselbe hiernach zu der Strafe von 17 182

70 ^ für den Staat und vo» 3579 ^ 60 für die Korporation, zus. 20762 30 verurteilt. Außerdem hat St. sämt­liche Kosten deS Verfahrens zu tragen. Von Rechts wegen.

Karlsruhe, 20. Juli. Am letzten Mon­tag früh gegen 6 Uhr ersuchte ein Fremder in der hiesigen Bohnhofwirlschast einen Kellner, ihm 120 Dollarscheine auszuwechseln mit dem Vergeben, er sei Pferdehändler, habe Pferde in Mannheim stehen, welche er ans­lösen müsse, und brauche dazu deutsches Geld, jetzt aber habe noch kein Bankier sein Geschäft auf. Da derselbe Fremde vorgestern früh bei demselben Kellner 3 Dollarsch.ine auSwechsel» ließ, welche später auch ein Bankier auswechselt?, so trug der Kellner kein Be­denken, dem Fremden die Gefälligkeit zu er­weisen und gab ihm den richtigen Betrag von 485 für die Scheine. Als der Kellner diese Scheine indes beim Bankier umwechsein lassen wollte, erfuhr er zu seinem Schlicken, daß die Dellarscheinr zwar ächt, aber schon längst außer Kurs gesetzt und ganz wertlos seien, und ist nun der Kellner für seine Gefälligkeit um die 485 ^ be­trogen.

Sulzern i. Elf. Die hiesige Feuerwehr beuutzie beim Ausrücken immer eine alte Trommel, deren Anstrich die französischen Farben zeigte. Die Polizeibehörde sah sich veranlaßt, eine Acnderung deS Anstriche- an- zucmpfchlen. Dazu wollte sich die Feuer­wehr aber nicht dazu bequemen, trotzdem die Erneuerung deS Anstriches notwendig war. Am letzten Sonntag löste sich nun deshalb die Feuerwehr auf, und unsere Ge­meinde ist nun einer alten Trommel wegen ohne organisierte Löschmannschaft.

Zwanzig Jahre Militärsträfling. Ein aller Militärsträfling macht gegenwärtig in Berlin bei seinen früheren Kameraden die Runde, um Mittel zur Gründung eines Ge­schäftes zu sammeln. Es ist der ehemalige Sergeant H. vsn der zweiten Kompagnie de» brandenburqischen Füsilier-Regiments Rr. 35. Er stand im Jahre 1862 in Luxemburg. Als er eines Tages auf Kasernenwache war, be­merkte er, wie seine Geliebte, eine Wäscherin, einem Offizier ihre Aufmerksamkeit zuwandle. Er ließ sich von der Eifersucht so weit hin- reißen, den Vorgesetzten deswegen zur Rede zu stellen; es kam zum Wortwechsel; der Offizier zog seinen Degen. Der Sergeant entwand und zerbrach ihm die Waffe und wurde außerdem noch thätlich. Der Offizier mußte auS der Armee ausschciden. H. sollte in Untersuchungshaft genommen werden. Auf dem Wege dorthin wußte er seinen Begleiter zu überreden, mit ihm zusammen fahnen­flüchtig zu werden, und H. fand Aufnahme in der französischen Fremdenlegion. Zehn volle Jahre diente er dort, bis heimkehrendc Turkvs ihm von den Siegen seiner Lands­leute berichteten und die Sehnsucht zur Rück­kehr in sein Vuterland in ihm wachricfen. Im Jahre 1872 nach Deulschland zurückge- kehrt, wurde er verhaftet und durch ein Kriegs­gericht zu zwanzig Jahren Festuugsstrafe ver- urlcilt. Die Strafe hat er in Spandau ver­büßt und hält sich jetzt in Berlin auf. Seine Sammlungen sollen ihm bereits die Summe von etwa tausend Mark eingcbracht haben.

Der blinde Passagier unter der Loko­motive. Ein merkwürdige. Reisender ist anz