Rundschau.
— Die Fünfzigjährige Jubelfeier de« Württ. HaupIvereinS der Gustav-Adolf-Stif- tung findet am 18. und 19. Juti in Stuttgart statt. Die Festpredigt am 18. wird Siadtdekan Weitbiecht, diejenige am Mittwoch Oberkonststorialrat Dr. Köstlin von Darm- stadt halten. Prälat Dr. v. Burck wird am Mittwoch die Begrüßungsansprache halten, Hotprediger Dr. Braun erstattet den Jahresbericht, Ansprachen werden halten Oberkoiifi- storialrat Kock vo» Danzig und Pfarrer Schwarz in Waiern.
— Der kgl. Zentralstelle für Landwirtschaft in Stuttgart gingen in der letzten Zeit mehrfach auf Kartoffelfeldern gefundene Larven zur Untersuchung zu, da befürchtet wurde, man habe es mit dem Koloradokäfer (Kartoffelkäfer) zu thun. Die Untersuchung ergab jedoch, daß die Larven von dem sogenannten HerrgottSkäferchen herrühren, dem Feinde der Blattlaus. Da sich die letztere in diesem Jahre massenhaft auf dem Kartoffelkraut einfand, hatte auch ihr Feind sich daselbst in großer Zahl niedergelassen.
Heilbrsnn, 13. Juli. Vor Eintritt in die Tagesordnung der heutigen Gemeinde- ratSsitzung gedachte der Vorsitzende, Stadt- schultheißenamtsverweser Hchd, des schweren Verlustes, welcher das Kollegium und die Stadt durch Ven Hingang des Gemeiudersts Kieß betroffen. Alle, die mit ihm im Kollegium gearbeitet, wüßten zu beurteilen, was er im Dienste der Stadt geleistet habe. Kieß war nicht nur ein durch rasche Auffassungsgabe und praktischen Blick geschätztes Mitglied des Kollegiums, sondern er habe auch diese glücklichen Eigenschaften in seiner Stellung als stellvertretender Vorsitzender des Gemeinderats verwertet und gekrönt durch große Opferwilligkeit und rastlose Thätigkeit im Interesse unseres Gemeinbcwesens. Man werde ihn stets in freundlichem Andenken behallen. Das Kollegium hörte den Nachruf stehend an. — Durch oberamtlichen Erlaß wurde StadtschultheißenamtSverweser Heyd dem Wunsche des Kollegiums entsprechend, mit dem Vorsitz im Gemeinderat betraut, und sind damit die stadtsLulthnßenamtlichcn Geschäfte wieder in einer Hand vereinigt. Nur den Vositz im Gemeindegericht führt noch Gemeinderat Rechtsanwalt Roscngan. —An Stelle des seines Amtes enthobenen Standesbeamten Stroh wurde heute Gerichlsschreiber Haller hier als Standesbeamter für Heilbronn gewählt.
Vom Lande. 8. Juli. Eine sehr lehrreiche „Geschichte vom krepierten Vieh" lesen wir im „Volksfrennd". Ein Landwirt war sehr von Ratten geplagt. Um dieselben schnell und zugleich ohne Kosten los zu werden, legte er nach Ausbrecher, einiger Dielen warme, mit Phosphor getränkte Kartoffeln zwischen die Böden. Wirklich wurde cS still; die Bestien fraßen sich den Tod. Allein zwei Tage darauf empfanden die Hausbewohner Unwohlsein, Erbrechen und Kopfschmerzen. Es wir eine ganze Pestilenz im Hause ausgebrochen. Es entwickelte sich ein so widerlicher Leichengeruch, daß übel oder wohl die Zimmer alsbald zur Verhütung größeren Unglücks verlassen werden mußten. Da die Rattenleichen unerreichbar waren, dauerte der Pestgestank, aller angewandten Desinfektionsmittel zum Trotz, vier volle Wochen. Also nicht bloß töten, sondern auch «egschaffen oder Perlechen.
Berlin, 14. Juli. Bei vollbesetztem Hause und überfüllten Tribünen erfolgte gestern die Abstimmung über den Paragraphen l der Militärvsrlage. Lautlose Stille trat ein. Nur das gleichmäßige geschäftsmäßige Aufrufen von Namen, das laute schnelle Antworten „Ja" „Nein" war zu hören. Eine lebhafte Bewegung ging durch da« Hau«, als Graf Herbert Bismarck mit einem vernehmlichen „Ji" antwortete. Ehe noch das offizielle Resultat verkündet worden war, sah man am BundeSratslische Caprivi von Glückwünschenden umgeben; der badische Bevollmächtigte Gras Lrrchenfeld schüttelte ihm herzlich die Hand. Der Kanzler blieb ernst; keine Miene beriet, daß er die Schlacht gewonnen habe. Unter gespanntester Stille verkündete der Präsident das Resultat der Abstimmung. Rufe des Erstaunens ertönten über die geringe Mehrheit. Die Presse bespricht in längeren AuSsührungen die Annahme der Militärvcrlage. Die Nat.-Ztg schreibt, zum Heile des Vaterlandes sei der schwere Kampf nun beendet. Die Kleinheit der Mehrheit kennzeichne die Schwierigkeit der Zustände unter denen wir leben. Die Birsenzeitung glaubt, das Votum des Reichstags eröffne einen Ausblick auf ein weiteres positives Wirken Hand in Hand mit der Regierung. Im Gegensatz hierzu urteilt der Kurier, mit diesem Reichstage werde Caprivi nicht regieren können. Es werde nötig sein, eine neue Auflösung vorzunehmen. Die Ves- sische Zig. meint, besondere Freude könne die Regierung an ihrem Erfolge nicht haben. Kaum jemals sei eine wichtige Reform mit einer so winzigen Mehrheit Gesetz geworden. Da« Tageblatt schreibt: D>e winzige Majorität ist für die Regierung der einzige Gewinn auS der Wahlbewegungf, und dieser Gewinn ist teuer genug bezahlt. Die Germania versichert, eS soll den Polen nicht vergessen werden, daß sie zum Teil gegen ihre Ueberzeugung Entscheidung gegeben über die Belastung des ganzen Volkes. Da« Abstimmungsergebnis beweise, daß es mit den großen Militärfsrderungen ein Ende habe. Der Vorwärts sagt, der Militarismus habe eine Warnung erhalten, die er ungestraft nicht überhören dürfe. Caprivi habe die beschämende Freude, auf den Krücken der Antisemiten und der freisinnigen Vereinigung seinen Sieg erfochten zu haben.
— Bei den Schwimmübungen de« 23. Dragonerregiments ereignete sich dieser Tage, wie au« Oppenheim berichtet wird ein Todesfall. Ein Gefreiter sprang au-dem Nachen, um nebenher zu schwimmen, in den Rhein; nach kurzer Zeit scheinen ihn die Kräfte verlassen zu haben, denn er versank, ohne daß ihm Hilfe geleistet werden konnte.
— Der wegen Ermordung seiner Frau und seines Sohnes zum Tode verurteilte ehemalige Gutsbesitzer Wanjek in Ratibor wurde gestern morgen durch den Scharfrichter Rein- del enthauptet.
— Kreuzotter-Gefahr. Die anhaftende Hitze und Dürre de« FrühsommerS scheint den Kreuzottern sehr wohl bekomme» zu sein. AuS verschiedenen Gegenden Deutschlands hört man häufiger als in anderen Jahren von dem Vorkommen dieses gefährlichen Reptils. So wird, um nur ein Beispiel anzuführen, aus Schirwindt (Reg.-Bez. Gumbinnen) unterm 9. Juli geschrieben: In nicht geringen Schreck geriet am letzten Donnerstag eine nahe dem Szylgalyer Forst
wohnende HäuSlcrfamilie zu Juszkakaymen. Die zu einem Mittagsschläfchen sich niedcr- legende Frau wurde plötzlich durch ein Rascheln im Bettstroh erschreckt. Sie machte ihrem Manne davon Mitteilung. Dieser kam zur Vertreibung der vermeintlichen Mäuse mit der Hauskatze. Kaum halten sie die erste Lage des Bellstrohs aufgehoben, als laut zrschend zwei Kreuzottern emporzüngel- ten. Die Kotze sprang auf die eine zu, erhielt aber gleich einen so heftigen Biß, daß sie laut schreiend davon lief und nach starkem Anschwellen bis zum Abend verendete. Nicht ohne Mühe wurden die beiden Reptile, welche sich im Belte ein bequemes Lager bereitet, getötet. Bei dem gänzlichen Verschwinden der Störche in Folge der Dürre haben die Kreuzottern in den meisten Forsten eine ungeheure Vermehrung erfahren. Auch in der Gegend von Berlin, sind Kreuzottern in diesem Jahre keine Seltenheit, sowohl am östlichen Weichbilde der Stadt al« in der Jungfernheide hat das Reptil bereits seine Opfer gefordert. Gegen den tötlichen Biß der Schlangenbrut ist Alkohol, wie Arac, Rum, Cognac, Korn- brannrwein, Nsdhäuser, schwerer Wein rin vorzügliches Gegengift, welche« in diesem Falle in Menge getrunken, die Gefahr fast ganz ausschließt. Während da« Schlangengift wie das Leichengift das Blut zersetzt, zieht der Alkohol die Blutkörperchen wieder sternförmig zusammen. Das Aussaugen der Wunde mit den Lippen muß behutsam geschehen, da kleine Verletzungen an letzteren dem Samariter dadurch selbst eine Verletzung eintragen können. Ist Alkohol zur Stelle, so drücke man mit den vorher darin eingclauchlcn Fingern die Wunde sofort aus und benetze dieselbe mit Alkohol, bi- kein Blut mehr fließt.
— Der Vizekönig von Aegypten weilt gegenwärtig auf Besuch bei dem Sultan in Konstanttnopel und wird dort mit Aufmerksamkeiten, Ordensverleihungen rc. förmlich überhäuft. Die Engländer beobachten aufmerksam diese Vorgänge, um gegen etwaige Ueberreschungen gesichert zu sein. An eine Aufgabe Aegyptens denken sie nicht, und der Sultan dürfte sich doch 2mal besinnen, ehe er einen Versuch zur gewaltsamen Verdrängung der englischen Truppen aus Aegypten macht.
— (Aus der japanischen Kinderstube.) Dr. A. S- Ashmead in Newyvrk berichtet folgende- über die Kinderstube in Japan: „Während der Zeit des Zahnen« erhalten die Kinder eine Diät von Fischspeisen. Die Notwendigkeit persönlicher Reinlichkeit wird von frühester Zeit an dem Kinde beigebracht, dessen einzige Wiege zuerst der Rücken der Mutter und dann der seines Bruder« oder ältesten Schwester ist. Die Kinderstube kennt keinen Teppich und kein Möbel, wahrscheinlich des tropischen Gewürms wegen, und der Flur wird jeden Tag mit Salzwasser abge- scheuert. Der Boden wird sehr reinlich gehalten, da man darauf sitzt und schläft. Japanische Kinder tragen niemals Stiefel: daher kommt es, daß dieselben gerader und sicherer auf ihren Füßen sind, al« europäische Kinder. Bei schönem Wetter bedienen sie stch der Strohsandalen und im nassen Wetter der Holzschuh'. Geküßt wird nie in Japan, denn durch Küsse werden ansteckende Krankheiten verbreitet. Die Trennung der beiden Geschlechter, welche bis zur Verheiratung andauert, findet vom frühesten Alter an statt."