Im Banne des Blutes.
Roman von H. von Ziegler.
Nachdruck verbaten.
17 .
„Gut. Behalte die Papiere, der Tag wird wohl kommen, daß sie in Kraft treten sollen, und nun genug des ernsten Gespräches !"
Ruth unterhielt sich sehr gut. Es hatte sich bald ein Kreis von Offizieren, um Großvater und Enkelin gesammelt und, wenn auch ersterer nur ein schlichter Landmann war, der nichts mehr vorstellen wollte, so konnte er doch so gewandt und zugleich heiter und witzig plaudern, daß alle ihm gern zuhörten.
Nach der Kritik des Manövers kam die Frühstückspause und nun fanden sich eine Menge Herren ein, um dem, von einem Knechte hcrausgebrachicn Frühstück alle Ehre anzulhun. Hohenstein wich nicht von Ruths Seite, und diese hätte kein Mädchen sein müssen, um sich nicht über diese ausgesprochene Bevorzugung zu freuen. Bei dem Anstößen der Gläser streiften Hohensteins Finger ihre kleine Hand, und sie fühlte eS heiß durch ihre Adern rinnen.
„Auf das Wohl Prinzeß Schneewittchens," flüsterte Hohenstein nur ihr verständlich, „wenn das Schicksal Einem nun zum dienstbaren gemacht Härte, — mehr wäre zum Glücke nicht nötig."
Eine Blutwelle schoß bei dieser unverblümten Liebeserklärung Ruth in Stirn und Wangen; Arnold iah es und wieder sagte in seinem Innern eine schwermütige Stimme: „Zu spät I"
„Aus Wiedersehen bei Bei'.ys Hochzeit," flüsterte Hochei.stein vor dem Aufbruche noch Ruth zu, und ehe st. noch mußie, WI ihr geschah, halte oas schöne Mädchen erw>d,rl: „Auf Wiedersehen?" —
„Nun, Kamerad," lachte Gvllnow bei dem Heimreiten, „das muß ich sagen, Si> kamen, sahen und siegten bei dieser Schönheit. Sie sind ja seid gestern schon s hr engagiert mit dem Fiäulcin!"
„Was wollen Sie damit sagen?" erwiderte Hohenstein und zuckte leicht die Achseln. „Solche Manövcrplänkeleien sind nicht von Dauer, aber diese» Fräulein Ruth ist in der That ganz allerliebst."
„Gewiß und — such zu gut für einbloße Liebelei."
„Nun, nun," wehrte Hohenstein ab, „um Ernst zu machen, liegen doch die Verhältnisse nicht gerade angenehm. Sie ist bürgerlich und die Enkelin eines simplen Bauern, zudem macht mir der amerikanische Vetter ganz den Eindruck eines eifersüchtigen Othello, vor dem man sich hüten muß. Im klebrigen bin ich doch auch eigentlich so gut wie verlobt mit meiner Cousine Olga, die eine sehr gute Erbin ist, denn sie beerbt mit Betty einmal Tonte Aeltsch zusammen."
„Die Gräfin Aeltsch hat keine näheren Erben?" sruz Goltnew.
„N-in ; sie hatte wohl einmal einen Sohn, der im Elend starb oder verdarb. Aber wie gesagt, der ist längst tot; er war zuletzt wohl CilcuSreiter, glaub' ich."
„Nun, d» gratuliere ich zu der reichen Braut, Kamerad, aber ich bitte Eie, — brechen ZSic dem reizenden Kinde hier nicht auch noch da» Herz!"
wenn ich Ruth an Olga-Stelle heimföhren dürfte, aber es ist im Leben eben häßlich eingerichtet, daß neben Rosen gleich die Dornen stehen I"
„Daß da- Gold weit über der Liebe steht, meinen Sie wohl Kamerad!" spöttelte Collnow und schwenkte bei dem Eintreffen im Dorfe nach seinem Quartiere ab.
Dieses Mal lugte bei der Ankunft Hohensteins ein anderer Kopf hinter jder Gardine hervor. Ruths schöne, braune Augen ruhten bewundernd auf dem eleganten Reiter, der nun leicht und sicher absprang und dem Burschen sein Pferd übergab.
„Wie gut er aussteht,* murmelte sic vor sich hin „und wie elegant er reitet I" —
Draußen auf den Treppenstufen verhallten die Eporenklängc, eine Thür schlug zu und hoch ausatmend glitt Ruth auf ihr Plüschsopha, um einmal so recht über alles, was ihr Herz bewegte, nachzudenken.
Dann schnellte stein die Höhe, griff nach Feder und Tinte und schrieb ein jubelndes Billet an Betty Hohenstein mit dem Refrain : „Ich komme!" —
Und drüben in seiner Stube saß Arnold Berger am Schreibtische, aber er vermochte nicht zu arbeiten, denn immer von Neuem stiegen die quälendsten Gedanken in ihm auf. O, wären nur erst die Manövertage vorüber und jener gefährliche MarSjünger fertgerit- len, dann konnte ja alles, alles noch gut weiden I So dachte Arnold und seufzte tief.
Großvaters Lieblingswunsch, den er auch in seinen Briefen so oft ausgesprochen, bestand ja in einer Verbinvung der beiden geliebten Enkel. Sollte doch der Norverhof dann in der Familie bleiben und das Andenken Friedrich Bergers nicht vergehen I
Langsam legte der ernste junge Mann die Recdte über die Augen. Ach, dieses lichtvolle Glück hatte ihm ja all' die Jahre her schon gewinkt und geleuchtet, aber nun tchien es zu verblassen und zu verfliegen wie ein Tugbjld. „Zu spät — zu spä- I" murmelte dann Arnold wieder.
Mit schrillem Pfiffe fuhr der Zug in den Bahnhof der Residenz am Nachmittag eines schönen OklobermorgenS ein. Aus dem Fenster eines DamencoupeeS beugte sich ein reizender Mädchenkopf suchend hervor und nickte eifrig, als er die gewünschte Person gefunden.
„Ruth, meine liebe Ruth fei mir tausendmal willkommen!" erklang es von den Lippen der glücklichen Braut, Betty von Hohenstein.
Als der Zug hielt, war Ruth Berger leichtfüßig aus dem Wagen gesprungen und in die Arme der Freundin geeilt, welche selbst gekommen war, sie abzuholen.
„Welche Freude hast Du mir und meinem Bräutigam mit Deinem Kommen gemacht!" rief Betty von Hohenstein herzlich, „ich konnte mir wirklich die Hochzeit ohne Dich gar nicht denken I"
„Ja, meine liebe Betty," erwiderte Ruth fröhlich, „ich bin Großpapa auch sehr dankbar, daß er mich zu Deiner Hochzeit reisen ließ, und ich freue mich unendlich, Dich als glückliche Braut zum Altäre geleiten zu können. Wir haben noch sehr viel zu plaudern, ehe ich Dich verliere!^
„Wie traurig da» klingt I" schmollte die glückliche Braut, „Du wirst mich durch meine
Verheiratung nicht ganz verlieren. Sieh, da kommt Eugen, mein Bräutigam, um Dich zu begrüßen; er würde sich über Deine Worte sehr freuen, wenn er sie gehört hätte."
Landrat von Halden trat heran und begrüßte die Freundin seiner Braut mit eiium herzlichen Handschlag, dann fuhren alle drei in die Stadl, lebhaft plaudernd und lachend.
„Vetter Egon hat mir auch Grüße von Dir gebracht," sagte Betty; „er war als Fähnrich noch ein getreuer Verehrer von mir, später aber mußte er doch in den Schatten zurücktreten."
„Weil der Rechte gekommen war," neckte Ruth, scherzend mit dem Finger drohend.
„Ach, Unverlobte verstehen davon nichts I" rief Betty übermütig und schob verstohlen ihre Hand in die des Bräutigams. „Eile nur, bald meinem Beispiel folgen, Kind I"
„Ach, mit achtzehn Jahren soll man noch nicht heiratengab Ruth neckisch zurück, „da bekommt man schließlich vor Sorgen und Aergcr vor der Zeit graue Haare."
„Ei, Eugen," entgcguete Betty, nun »ollen wir genau oufpasscn, wer von uns das erste weiße Haar bekommt, das schicken wir dann an Ruth. Du hast ja einen interessanten amerikanischen Vetter wie ich hörte? Hätte ich das gewußl, so hätte er statt Egon Dein Brautführer sein können."
Ruth wurde dunkeirot bei diesen Worten, was Fräulein von Hohenstein einzig auf die Erwähnung des Vetters ichsb und lustig zu necken fortfuhr.
Als der Wagen vor der Hohenstein'schen Villa hielt, trat Gräfin 2), lisch in die offene Hausihür und winkte bene ausfieigenden Gaste ungemein herzlich zu.
iFornetzung folgt)
Der moderne Amor.
Klein Amor lra> vor PenuS hin,
Zwei Thränen in den Augen,
„Mich ärger!, daß ich Amor bin,
Was soll mein Spiel noch taugen?
Der schärfste P,eil bei meiner Ehr', Macht nichl die kleinste Wringe mehr,
's ist reine zum Erbarmen I
Die Mägdlein alle, groß und klein Sie hüllen ihre Herzen In feste Eiseiipanzer ein,
Das macht mir arge Schmerze».
Wenn ich doch eine Waffe hätt',
Die selbst durchbohrte da« Corsett,
Mein Pfeil ist viel zu wenig."
Da spricht Frau Venus : „Donnerschlag! Ich ehre Deinen Kummer,
Jed' Mägdlein ist ja heutzutag Gepanzert wie ein Hummer.
Ais Waffe schenk ich Dir, schau her Ein schönes Repeticrgewehr Und eine Krupp Kanone."
Frei «ach Heine.
Du bist wie eine Lilie,
So hold, so schön, so schlank,
Dazu aus guter Familie,
Hast Geld auch, Gott sei Dank!
Mir ist's als sollt ich mich wenden An Deinen Vater gleich,
Bittend, daß ich Dich erhalle So schön, so schlank, so reich!
„Ja, eS wäre mir wohl auch lieber,
Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernhard Hofmann.