Irrwege.

Novelle von F. V. Pückler.

(Nachdruck verboten.)

23 .

Und nun brachten die Stallmeister die Hindernisse, hochauf bäumte sich da- edle Tier, zwei-, dreimal versagte es und erst auf einige scharfe Peitschenhiebe sprang eS. Jsa hatte die Lippen fest zusammengepreßt, mit donnerndem Tusch setzte die Musik ein, über eine hohe Barriere hinweg flog der Gold­fuchs hinaus aus dem Zirkus und sogleich wieder hinein, von jubelnden Bravorufen empfangen. Da blickte die schöne, blasse Reiterin auf, ihr Auge traf den geliebten Mann und strahlte in all der unsäglichen Liebe, die ihr Herz für ihn empfand; sie winkte mit der Gerte einen Abschiedsgruß, heißes Weh zuckte um den roten Mund, dann galoppierte sie wieder hiuauS über die hochgehaltene Barriere.

Aber was war dass Mitten hinein in den Jubel der Zuschauer und die Trompe­tenfanfare des Orchsters erscholl ein durch­dringendes Geschrei. Man sah den Gold­fuchs im Hintergrund verschwinden ohne Reiterin, Donna Bella lag am Boden!

Nur einen Herzschlag lang wehrte die grausige Stille des ersten lähmenden Ent­setzens, dann entstand eine furchtbare Panik, die Damen drängten angstvoll dem Ausgang zu, die Herren scharten sich um die Verun­glückte, welche totenblaß dalag, «ährend aus der linken Schläfe ein Bluistrom quoll.

Da drängte sich, alle Rücksicht beiseite lassend, ein hochgewachsener, schöner Mann, Prinz Arloff, da stürzte er z» den Füßen der sterbenden Geliedien und schlang de» Arm um ihre in Todesschamcn erbebende Gestalt.

Jsa, meine Jsa," rief er verzweifelnd, Du darfst nicht sterben Du sollst leben sür mich I"

Mein armes Kind," sagte auch Wald stein verzweifelnd,hast Du Schmerzen? Der Arzi wird gleich da sein."

Tragt mich hinein," bat Jsa wehmütig, ich will mit Euch allein sein b>s eS zu Ende ist."

Da hob der Prinz die Geliebte, schlanke Mädchengestalt in seine Arme, das jblonde Köpfchen sank an seine Schultern, daß die reichen, geöffneten Haarwallen wie ein Schleier um ihn wogten, und trug sie durch all die ehrerbietig zurückweichenden Herren hinein in ihr Garderobenzimmer.

Wie schön," flüsterte die Sterbende nun kommt doch noch ein Sonnenstrahl über mich, ehe ich heimgche. Nicht wahr, O»kel Alfred, ich brauche nicht mehr zu lcd<n?"

Die blauen Augen schauten so angstvoll flehend zu Waldstein auf, daß dieser tiefer­schüttert den Kops schüttelte.

Nein, mein geliebtes Kind I Du wirst Deiner Mutter folgen."

,O, so meinte es der treue Gott doch gut mit mir. Kurt, ich danke Dir für Deine Liede. Wirst Dumich nicht ver- gessen?»

Niemals, Jsa, ich werde einsam weiter leben, nur Dein Bild soll in meiner Seele von nun an wohnen."

Onkel Alfred wo ist mein armer

Goldfuchs? Nicht wahr, er darf nicht ver­kauft werden?"

Nein, Jsa, er gehört mir von Stund' an. Du hastihn zuletzt geritten," voll­endete das junge Mädchen mühsam,es war mein Triumph- und TodeSriti I"

Der Arzt kam, verband die Wunde und ging schweigend hinaus.

Sie ist rettungslos verloren," meinte er achselzuckend, als man ihn draußen nach Donna Bella frug,das durchgehende Pferd schleuderte sie an eine Planke und sic muß dort au einen Nagel geprallt sein. Sic muß verbluten, da die Verletzung zugleich eine innerliche ist, wo die ärztliche Kunst nicht helfen kann."

Wo ist ihr Vater?" frug Mr. Prince finster,es sind nur Prinz Arloff und jener fremde Herr, de» sie Onkel nennt, bei dem Fräulein."

Den Direktor habe ich vorhin nach der Bahn gehen sehen, mit nur einem kleinen Koffer in der Hand," berichtete einer der Slallbediensteten und der Jongleur fuhr wild empor;So ist der Schuft geflohen I Aber halt, ich will ihn finden und «är» am Ende der Welt."

Und immer mehr schwanden Jsas Kräfte, selig lächelnd ruhte sie in Arloffs Armen, leise tauschten beide innige Liedesworte, wäh­rend Waldstein, ihre andere Hand haltend, mit blutendem Herzen den Todesengel immer näher heranlchwebkn sah. So wurde auch dieser Kelch ihm nicht erspart, der G-liebten Halle er im Tode Lebewohl gesagt und nun stand er auch am Sterbebette ihres Kindes.

Nun bin ich selig," hauchte Jsa strah- le»e,ich dachte vorbin als ich hinein in die Manege ritt, Dich Kurl zum letzten Male von Ferne zu sehen und jetzt liege ich in Deinen Armen I Nein, nein, der Tod ist nicht bitter, sondern süß, unendlich won­nig. Lebewohl Onkel Alfred, bleibe mir gut

Kurt, eS ist nun auch Dein Onkel, nicht wahr? Ich werde auf Euch b-ide herabsehen

neben meinem Mütlertein I"

Trübe flackernd brannte das Talglich! nieder und als eS ziemlich zu Ende war, da schloß auch Donna Bella die strahlenden blauen Augen; der Liebling des Publikums, die gefeierte Reitenn hatte ihr Leben auSge- haucht.

Tief erschüttert neigte Prinz Arloff sich über die Tote, deren Hand das Medaillon seiner Mutter hielt, um ihre erkalteten Lip­pen zu küssen.

Schlafe wohl, meine Jsa, »un bist Du mein I Dein Andenken mag mich hinüber in den fremden Weltteil geleiten; Dein Bild aber wird niemals in meiner Brust verblassen, bis wir einstmals wieder vereint «erden vor Gotte« ewigem Throne."

Mein Kind, mein teuerer Liebling," und Waldstein drückte mit zitternder Hand die Augen Donna Bellas zu,schlafe wohl in kühler Erde, wir gedenken Deiner in treuer Liebe."

Wenige Tage später langte auf Herrn von WaldsteinS Gute der rcichgeschmückte Sarg mit Jsas sterblicher Hülle an; tief­ernst folgte» der Gutsherr und ein toten­bleicher stattlicher Offizier in blitzender Küras- sierunisorm demselben, als man ihn in die Familiengruft bettete.

Friede mit Dir, mein Liebling," mur­melte Alfred von Waldstcin, und der Gold­fuchs, den man seiner Herrin nachgeführt, wieherte laut -n den warmen Sommerabend hinein.

Prinz Arloff knieic nieder, erschüttert wie r och nie zuvor; lange, lange, neigte er sein Haupt zum Gebete und es wahr ihm, als rauschten weiche Engelsfittichc um ihn her:

Es ist bestimmt in Gottes Rat,

Daß man vom Liebsten, das man hat, Muß scheiden"

Ende.

Vermischtes.

.'. (Der kleine Tröster.) Besucher: Du, Karlchen, ist Deine Schwester zu Hause?" Karlchen:Ja wohl, aber sie läßt Dir sagen, sie sei aus. (Mil Gönner­miene) Du mußt Dich nicht darüber ärgern: das sagt sic nämlich immer, wenn sie jeman­den nicht sehen will."

.'. Die rauhe Wirklichkeit. Sommer, gast:Sagen Sie mal, Herr Schwimm­meister, ich beobachte so oft, daß Ertrinkende, sobald sie dicht bei Ihnen sin», zu schreien aufhören. Jedenfalls sprechen Sic den Leuten so freundlich zu, daß sie wieder Mut ge­winnen. Schwimmmeister:Das weniger, aber ick jeb ihnen eenen jchörigen Schlag ins Jenicke, daß sie mit« Schreien uffhören; denn so sin se leichter zu retten."

Was er denkt-Aber, Herr Müller, das Angeln muß doch recht langweilig sein I Was denken Eie denn eigentlich, wenn Sie so den lieben langen Tag am Wasser sitzen?" Ich denke mir: wenn nur einer anveißen lhät!"So, und wenn nun einer angebissen hat was denk n Sie daun?" ,,Ahal"

Gemütlich. Nähmaichinen-Agent (zu einem Farmer in Arkansas):Kann ich viel­leicht Ihre Frau Gemahlin sehen?" Farmer: Mei Albe is grad nit haam."Wann wird denn die Dame zurückkommen?"Das kann ich Ihne Merklich nit forschur sage. Wir halte gestern hier all- n schreckliche Sturm, und da kummts ganz dl uff ahn, wie weit le gefloge is."

(Pflichtgefühl.Was, der Tausend, Freund, Du hast Dich verlobt?"Jawohl, das war ich meinen Gläubigern schuldig!""

(Ein Menschenfreund.) Gerichtsvoll­zieher :Sehen Sie, dem Manne Hab' ich auch auf die Beine geholfen I"Wieso, dem reichen Baron?" Gerichtsvollzieher: Gewiß ich habe ihm die Equipage gepfän­det!"

.-. (Ein Kennerwort) Doktor:Sie müssen eben zu Ihrer Stärkung Rotwein trinken!" Patient:Rotwein?! Herr Dokior, muten Sie mir das nicht zu ich bin Weinhändler, ich weiß, wie er gemacht wird."

(Des Landmanns Klage.)Zu dumm von den Hühnern, daß sie dann gerade am wenigsten legen, wenn die Eier am teuersten sind I"

S i n n s P r u ch.

Kopf ohne Herz mach: böseS Blut, Herz ohne Kopf lhut auch nicht gut. Wo Glück und Segen soll gedeihn, Muß Kopf und Herz b.issmmen sein.

Verantwortlicher Redakteur Bernhard Hofmann. Druck und Verlag von Bernhard Hosmann.