er kurz vorher eine Menge von Bank- und Etaatsnoten auf die bezeichnete Weise abge- zählt hatte. Anfänglich legte man der Sache keine besondere Bedeutung bei, bi< sich eine riesige Blutblase um die Lippen gebildet hatte. Am 22. v. veranlaßtc die junge Gattin des Kranken dessen Tran«portierung nach dem Allgemeinen Krankenhause. Leider war es bereit« zu spät und der Arzt konnte nur eine trostlose Prognose stellen. Man schritt nichtsdestoweniger behuf« Linderung der entsetzlichen Schmerzen unverzüglich zur Operation, die aber das verfallene Leben nicht mehr retten konnte. Drei Tage nachher starb der Patient.
— Im Garibaldihausc auf der Insel Caprera wurde am 9. März ein großer Diebstahl verübt. Mehrere Spitzbuben drangen vom Keller au« in da« Sterbezimmer de« Freischarenführer« ein und nahmen goldene und silberne Kränze mit, die dort niedergelegt waren. Al« der That verdächtig wurden bereit« auf der Insel Sparagi vier Soldaten verhaftet, die von Caprera, wo sie Wachdienst hatten, auf einer der Familie Garibaldi gehörenden Barke geflohen waren und nach Corsic» übersetzen wollten.
Vermischte«.
.-. Vorschläge für den Fastentisch. Einen passenden Mittsgstisch für die Fastenzeit hat ein Leser der „M. N. N." zusammengestcllt. Er empfiehlt den Kurzsichtigen zur Speise „Neunaugen", den Schriftstellern „Tintenfische", den Bittstellern „Bücklinge", den Offiziere „Schwertfische", den Telegraphisten „Kabeljau" (Au!), Kommerzienräten „Goldfische" und Jägern „Bürschlinge"; Schreinern rät er al« passende Fastenspeise ein Gericht von „Sägefischen", den Oekonomen empfiehlt er „Haifische", den Wählern „Walfische", den Färbern „Weißfische" oder „Rothaugen", den Wucherern „Hechte", den Meteorologen „Wetterfische", den jungen Herren „Backfische" und den Schuhmachern — „Aale"!
.'. Ein fahrendes Herren-Garderoben- Geschäst ist die neueste Erscheinung auf dem Gebiet der Straßenreklame. Ein ziemlicher Wagen, rings von Glaswänden umgeben, fährt mit Schellengeläut durch die Straßen. Im Innern erblickt man Hosen, Westen, Jackett« in allen Farben, elegante schwarze Anzüge und Lcibrocke, jedes Stück mit Preisen verzeichnet und wir zum Anproben bereit. Das Originellste aber ist die Bekrönung des
Wagen« durch eine au« drei arbeitenden Schneidern bestehende Gruppe in höchst naturwahrer und humoristischer Auffassung.
.'. (Opferwillig.) Braut: „Du willst mich schon so früh verlassen, lieber Oskar?" — Bräutigam: „Zehn Jahre meine« Lebens würde ich darum geben, könnte ich noch länger bei Dir bleiben I Aber Du weißt, wir haben heute Sitzung iw Ruderklub, und da mutz ich fünfzig Pfennig bezahlen, wenn ich zehn Minuten zn spät komme!"
(Aus der Schule.) Lehrer: „Wann starb Karl der Große? — Wie, da« weißt Du nicht?" — Schüler (stotternd): „Ich glaube — ich glaube damals war ich gerade krank, Herr Doktor.
— Der heutigen Nummer unseres Blattes liegt der PreiScourant für die Svmmersaison 1893 des I. Versandt- und Spezialgeschäfte« von Gebrfider I. n. P. Schulhoff in München, Thal 71 und Echützenstraße 8 bei. Dasselbe hat sich durch seine reellen Waren zu enorm billigen Preisen in der ganzen Umgegend eingeführt und ist der Bezug in Partien von diesem Bersandgeschäst sehr zu empfehlen.
Irrwege.
Novelle von F. v. Pückler.
(Nachdruck verboten.)
15.
Und nun war die Amazonenschlacht geschlagen, Donna Bella hatte gesiezt; reglos wie eine Statue hielt steinmitten dcS Zirkus, während ringsum sie her Feuerräder, Raketen und Schwärmer knatterten und von oben ein ganzer Feuerregen auf sie fiel.
Durch die Funken hindurch sah sie ihn, sie hätte am liebsten beide Arme jubelnd auSgebreitet und gerufen: „Nun habe ich sie erkannt und empfunden! Die Liebe — die Liebe, von der die Väter erzählt und die Dichter gesungen! Und so schlägt den» über mir zusammen, ihr Flammen, stürzt herab auf mich, ihr Bergei Ich liebe ihn und kann nun sterben —"
Rauschend klang die Musik an Bella» Ohr, da« Feuerwerk zischte und krachte und wie im Traume hielt sie die Zügel, wie im Traume setzte sie über eine hohe Barriere weg, daß das Pferd draußen im Gange in die Knie stürzte.
Wie aus weiter, weiter Ferne klang des Vaters Lob zu ihr hin: „Du hast wundervoll geritten, liebe Bella; ich war sehr zufrieden." Ais das Pferd sich emporgeraffl, hob man auch sie aus dem Sattel, sie nahm den Heim ab, daß die blonden Haare um sie herfluteten, neigte da« Haupt und eine tiefe, wohlthätige Ohnmacht umfing ihre tief- erregten Sinne.
„Die arme Donna Bella," murmelten ihre Kollern, „sie ist an diese Anstrengungen noch nicht recht gewöhnt, aber sie sah bildschön au«, wie Penthesttva febst."
Mit Verschränkten Armen und finsterem Gesichte stand Mr. Prince im Hintergrund; er hatte jene Worte des Pnnzen im Stall vernommen und fein Entschluß stand fest.
„Sie muß mein werden," murmelte er zwischen den Zähnen, „und wenn ich meine Seele selbst dem Böten verschreiben müßte. Der Direktor ist in Geldnot wie immer, ich Heise ihm heraus, wenn er mir seine schöne
Amazone verspricht. O, dieser Prinz! Vsui viäi, viel, denkt er, aber er soll sich täusche». Die Zirkusblumen können Fürstenkroncn niemals schmücken, die scharfen Kanten der letzteren stechen ihnen tiefe Wunden. Donna Bella, Du wirst mein sein und dann werde ich mich rächen für Deine Kälte, Deinen
Haß."
» »
Komteß Gert« saß acht Tage später mit den Eltern am Kaffeetisch; sie war sehr schlechter Laune, denn Prinz Kurt halte sich seit jener Zirkus-Vorstellung nicht mehr blicken lassen, und sie beabsichtigte eigentlich, ihm eine scharfe Gardinenpredigt zu halten.
„Heute Abend ist Ball beim Kriegs- Minister zur Feier seines Geburtstage« und trotz aller Sommerhitze. Ihr geht wohl auch hin?" frug der Präsident, von seiner Zeitung aufblickend.
»Ja gewiß. Mein rosaseidene- Kleid liegt schon zurechtnickte Gräfin Gert«, ,,aber sieh doch, Papa, dazwischen den Zeit- ungsblätlern fällt ein Brief heraus — an mich?"
„Sieh doch an, Kind. Wer schreibt Dir denn per Stadtpost?"
Gerts öffnete gleichgültig den Brief, fuhr jedoch sogleich totenbleich zurück; es waren anonyme Zeilen unbekannter Hand:
„Prinz Arloff, Gräfin Rhonaus Verlobter, ist von Donna Bella, der schönen Kunstreiterin, so bezaubert, daß er völlig vergißt, schon durch sein Wort gebunden zu fein. Er trägt auf dem Herzen eine Rose, welche die Dame einst besessen und ist in jeder Probe und Vorstellung zu finden. Auch trifft er mit der Künstlerin sehr häufig auf dem Kirchhof zusammen. Diese Warnung Ihnen, gnädige Gräfin, von einem
Unbekannten."
Die junge Dame sprang kreideweiß in die Höhe, erstaunt blickten Vater u. Mutter sie an, d,ch sie steckte den Brief nur ein und cntgegnete auf alle erstaunte Fragen: „Es ist eine Uuanehmlichkeit zwischen Kurt und mir, die ich noch heute aufkiären will.
Mama, ich gehe jetzt gleich aus, daß Du es weißt."
„Aber wohin denn, Gerts, es ist erst halb zehn Uhr."
„Um so besser. Auf Wiedersehen, liebe Eltern."
Die Thür fiel zu, da« kopfschüttelnde Ehepaar blieb zurück und Gert« eilte im Sturmschritt nach ihrem Zimmer, um sich zurecht zu machen. Ein scharfer Klingclzug rief die Jungfer herbei, welche so rasch wie möglich die Komteß frisieren und anziehcn mußte, eine dornenvolle Aufgabe bei deren bitterböser Stimmung.
AlS sic fertig war, eilte Gert« hinab auf die Straße, um sich in der ersten besten Droschke nach der Wohnung des Direktor« Volkert, „eiche am Rande de« anonymen Briefe« angegeben stand, zu begeben. Noch atemlos vom Treppensteigen langte sic in dem betreffenden Hause, dritte Etage, an und riß an der Klingel. Ein Mädchen erschien, freundlich knixend nach dem Wunsche der Dam» fragend.
„Ist da« Fräulein zu sprechen I" herrschte Gerts die Zofe an.
„Fräulein werden gleich zur Probe fahren —"
„Hier meine Karte. Ich muß sie unter allen Umständen sprechen I"
Als Donna die wappengeschmückte Karte in der Hand hielt, erbleichte sie, ihr Herzschlag stockte momentan und die Stimme des Herzen« rief mahnend:
„Nun ist der Traum zu Ende, entsage — der Sonnenstrahl verblich, die schwarze Schuld fiel auf Deine Seele I"
„Ich lasse die Dame in den Salon bitten ," besaht sic mit ernster Stimme und schritt dann selbst hinein, ihren Besuch zu empfangen
Mit leichtem gegenseitigen Kopfnicken standen beide Nebenbuhlerinnen vor cinander. Die Komteß sprach zuerst mit scharfer, kalter Stimme: „Sic werden wissen, meinFräu- lein, was mich zu Ihnen führt I"
(Fortsetzung folgt.)
Leranttvortltcher Redakteur: Bern Harb Hofmann.) Druck und Berlag r»n Bernhard Hofmann in LMHad.