Rundschau.
— Dem Vernehmen noch soll der Landtag in Stuttgart auf Dienstag den 14. März einberufen werden.
— Am 1. März mittags sprang ein Dienstmädchen in Waiblingen oberhalb der Kirche in die RemS. Dieselbe halte sich teilweise entkleidet und ihren Armkorb, den sie bei sich hatte, neben die Kleider gestellt. Trotz eifrigen SuchenS ist dieselbe noch nicht anfgefunden worden. Ein Etcrbefall in der Familie soll das Mädchen so aufgeregt haben, daß sie sich zu diesem Schritt entschloß.
Untertürkheim, 3. März. Der vom letzten ElSgang verursachte Schaden auf hiesiger Markung, hanptsächtlich in beschädigten Obst- bäu-nen bestehend, ist nun durch eine gc- meindcrätliche Kommission sorgfältig abgc- schätzt worden ; er beträgt insgesamt 41,666 Mark, wovon 23,966 auf Bürger, 17,700 auf Gemeindebesitz entfallen. Die Einzelbeträge werden der Regierung «orgelegt werden, da die Uebernahme eines Teils des Schadens auf den Staat erhofft wird.
Calmbach. Das hiesige Gasthaus zur Krone (Besitzer Ernst Winter) geht samt Inventar per 18. d. Mls. auf Herrn Joh. Häcker, z. Zt. WirtschastSführer im Weißen Bären in Pforzheim um den Preis von 19 500 -/kl über.
Nagold, 2. März Am Montag verunglücke der 58 Jahre alle Knecht Seeger «on Lengenloch beim Wässern einer Wiese im Nagoldihal. Beim Zumachen einer Stellfalle bekam er das Uebcrgewicht, stürzte in den Floß und ertrank. Der solide Mann wird allgemein bedauert.
Rottweil, 1. März. Der Dienstknrcht Andreas Pfau von Dornhan (Sulz), welcher von der Strafkammer hier wegen schweren Diebstahls im Rückfall zu 2',- Jahren Zuchthaus verurteilt wurde und dessen Unschuld sich nach Verbüßung der Strafe erwiesen hat, erhielt seiner Bitte gemäß durch K. Entscheidung eine Entschädigung von eintansend- fünthu, d«l Mark aus dem allgemeinen Gra- lialenfsndö für die ihm erwachsenen Nachteile.
Nvttweil, 2. März. E»' Reisender aus Reutlingen ging heute abend 5 Uhr an dem Tap zier Bennerschcn Hause, an welchem die morfchen Dachläde» durch neue ersitzt werben follten, vorüber, als beim herausnehmcn der alten Balk>n ei» Ouerstück ans beträchtlicher Höhe heratstel und den Reisenren durch seinen Fall ans den Kops zu Boden schlug und ihn so schwer verletzte, daß er bewußtlos in ein anstoßendes Hmrs verbracht und hernach in das Spiral überführt werden muhte; ärzttiche Hilfe war alsbald zur Stelle.
— In einer Verhandlung vor der Strafkammer in Ravensburg gegen Rechtsanwalt Albert Mayer von Ulm wegen Beleidigung des Uimer GemeinderaiS durch ein Flug blalt beantragte der Staatsanwalt gegen den Angeklagte» 500 Geldstrafe; das Urteil wirb nächsten Mittwoch vormittag 9 Uhr verkündigt.
— Die »attsnalliberale Korrespondenz tadelt, daß Frhr. v. Münch eine gute halbe Reichstagssitzung für die Darstellung seines Prozesses in Anspruch genommen habe. Es sei kein Wunder, wen« außer dem Redner und dem Bureau schließlich alle- davoniaufe. Frhr. v. Münch brachte seine Beschwerde» in sehr erregtem Tone vor. Desto kaltblütiger blieb der württembergische BundeSrats- hMllmächtigte v. Stieglitz. Der gesamte
Reichstag stellte sich auf seiten de- letzteren und des ReiLstagSabgeordnelen Payer.
— In Bornheim bei Frankfurt a M. hat der in der Wcriheimschen Nähmaschinenfabrik seit fast 25 Jahren beschäftigte Werkmeister Adolf Schröder seine Tochter, seinen Hund und sich selbst erschossen. D>e etwa 29jährige Tochter war meistens krank und sollte, nachdem sie schon im vorigen Jahr eine Zeit lang in >iner Heilanstalt gewesen, setzt von neuem in eine solche verbracht werden. Ihr Vater äußerte schon früher, wenn eS mit seiner Tochter nicht bester gehe, werde er sie und sich erschießen. Schröder war 57 Jahre alt und ebensowohl von seinen Prinzipale» geschätzt, wie bei seinen Kollegen und bei der Bornheimer Bürgerschaft beliebt.
Mühlhausen, 28. Febr. Wie oft ist schon gewarnt worden, doch kein Petroleum beim Feueranmachen zu gebrauchen, aber noch immer entstehen dadurch Unglücksfälle. Heute kam hier dabei eine junge Frau nmS Leben.
— Nach berühmten Mustern. Man schreibt aus Hanau, 1. März: Hier wurde heute ein verwegener Diebstahl ausgrführt. Ein fein gekleideter Herr kam in den Fiedlcr'- schen Goldwarenladen auf der Hammerstiaße und ließ sich eine Anzahl Damennhrketien verlege», angeblich um für seine Braut ein Geschenk auszusuchen. Nach längerem Wählen bat er den Besitzer, ihn mit sechs näher bestimmten Ketten in die Wohnung der Braut zu begleiten. Der Fremde führte nun den Ladcnbrsttzer in ein Haus der benachbarten Langstraßc und lud ihn ein, in einem sein möblierten Zimmer einen Moment zu «arten, während er Hut und Schirm auf dem Vorplatz zurückiossen», mit den K-t!en in ein anderes Zimmer eilte, um sie, wie er vorgab, seiner Braut zur Auswahl zu unterbreiten. Als er nach längere Zeit nicht zum Vorschein kam, erkundigte sich der Ladenbesitzer im Hause nach ihm und erfuhr, daß der Fremde erst am gestrigen Tage die beiden Zimmer für 35 Mk. gemietet und sich als Kaufmann Lautenschläger auSgegeden habe. Der geprellte Goldwarenhändler brachte die Sache sofort zur Anzeige, aber trotz des genauen SignaUmenis und trotz ausgedehntester Nachforschungen konnte diePotizci den Gauner nicht dingfest machen. Derselbe scheint übrigens noch Komplizen zu haben, denn nach Angabe der Hausleute habe heule Morgen eine fremde Dame sein Zimmer verlassen. Der Kaufmann erleidet einen Schaden von mehr als 200 Mark.
— Eine brennende Landstraße, lieber eine Straße in Flammen wir» der Wiener „Deutsch. Ztg." aus Teschen, 27. Februar, geschrieben: Ein eigentümliches Schauspiel bietet sich dieser Tage in der Gemeinde Orlau, im Kohlenreviere Karwin- Dvmbrau-Oriau, dar. Auf der von Orlau nach Peterswsld führenden Dezirksstraße, von der Haltestelle Orlau der Kaschau-Olderberger Eisenbahn ungefähr hundert Schritte entfernt, züngeln rechts und links in einer Entfernung, daß dazwischen die Fuhrwerke ganz gut passieren können, 6—7 Meter hohe Flammen ans dem Erdboden hervor. Es strömt hier und wohl noch an anderen Stellen der Nachbarschaft, die jedoch bisher uncittdeckl geblieben sind, und an« dem darunter liegenden alten Schachte Kohlenoxydgar zu Tage und wurde durch Bergarbeiter in der Meinung, daß dadurch cin rascher Abzug de« Gase« bewirkt
wird, angezündet. In der Nach! weiden diese Flammkngraben wegen FeuerSgefshr durch nasse Fetzen verlöscht, um täglich des Morgens wieder entzündet zu werden. Zn einem an der Straße liegend.» nebenerdi, en Gebäude entzündete sich früh morgens, ais durch eine Magd Feuer am Herde aiigemacht wurde, gleichfalls aus dem Boden aussttöm- mendeS Gas.
Belgrad, 3. März. In Tyane im usic- zaer Kreise fanden blutige Ausschreitungen statt. Die Volksmenge entwaffnet und vertrieb Gendarmen. Der Stuhlrichtcr wurde totgeprngeli.
New-Aork, 2. März Nach einer Meldung des „Hcrald" aus Gnatcma jst das Thal Campiran überschwemmt; s chs Dörfer sind zerstört und gegen 100 Personen nm-
gekvMMNI.
Vermischtes.
Kommißbrot im Palais. Einige charakteristische Anekdoten von „unserem Fritz" weiß eine Berliner Lokalkorrespondcnz nach den Erinnerungen des K. Küchenmeisters a. D. Louis Lavas zu erzählen. Möge eine davon hier ibren Platz finden: Eines Tages im Jahre 1882 erklärte der Kronprinz Friedrich Wilhelm (der spätere Kaiser Friedich III.) dem Küchenmeister Lavas: „Heute abend essen wir Kommißbrot und Käse." — „Kaiserliche Hoheit," wandte der Küchenchef ein, „Kommißbrot?!" — „Na, seien Sie nur ruhig, ein guter Hausvater sorgt für alles; ich habe e« schon milgebracht." Der Kronprinz halte an demselben Tage in Zivttkleid- ung die Siallstraße durchwandert und dort Soldaten bemerkt, die ihr Brot znm Kaufe ansboten. Im Berliner Dialekt fragte er den ihn nicht erkennend n Soldaten: „Wat kost' denn det?" Der Kronprinz kaufte das Brot nnter der Bedingung, daß es „seiner Frau" gebrach! werde. Unterwegs wurde dem Soldaten schon unheimlich, als sein Begleiter' allseitig gegrüßt wurde; als er aber die Rampe zum Palais hinaufschreiten sollte, weigerte er sich mit den Worten: „Nee, da geh' ick »ich rin, »a wohnt der Kronprinz." Inzwischen präsentierte der Doppelposten, der Soldat merkte nun, was mit ihm geschehen war, nn» folgte zagend in dag Palais, wo der Kronprinz seiner Gemahlin zurief: „Vicki (Kosenamen für Viktoria), ick habe dir'n Kommißbrot sikooft!" Der Soldat erhielt einen Thaler für sein Brot, war aber recht froh, als er sich wieder draußen befand.
(Ein königlich«r Scherz) Ein Diener d. Königs Friedrich Wilhelm III. v. Preußen hatte bei einer der Hofsisttichkeiten in aller Eile ein Glas Rotwein zu sich genommen, das für die königliche Tafel bestimmt war, und sich selbst dadurch verraten, daß er einen Teil der roten Flüssigkeit über seine weiße Livree auSgegossen hatte. Er sollte sofort entlassen werden, aber er wartete auf den König, warf sich ihm zu Füßen und bat um Vergebung. Der König verzieh ihm, indem er hinzufügte: „Dummer Kerl, warum hast du nicht Weißwein getrunken?"
(Abgetrumpft.) A : „Na lieber B., Ihre Ohren werden wirklich größer." — B.: „Mag sein ; aber wissen Sie, meine Ohren un» ihr Verstand — das gäbe einen famosen Esel!"
.'. (Einladung.) „Einen schönen Gruß von der Frau Geheimrälin und Sie möchten m-rgen mittag- zu der GanS komincu."