Al« dieselbe de« aufgeregten Haufen« ansichtig wurde, hielt sie zwar ihre Revslver bereit, leistete aber in Wirklichkeil keinen Wiederstand. Die Wächter wurden auf die Seite geschoben, der Mörder ergriffen und von einem Haufen von beinahe 10 000 Menschen nach der offenen Prärie eskortiert. Auf einem Schaffet wurde er 16 Min. lang von dem Vater und zwei Oheimen des ermordeten Mädchen« mit heißen Eisenstangen gefoltert, dann wurde er in Kerosin getränkt und verbrannt.
Vermischter.
Ein Auferstandener. Der Alientbeiler (Austrägler) Sören-Eörenzen in Nvrdschles- wig wurde nach kurzem Unwohlsein leblos in seinem Bette aufgefunden. Am nächsten Morgen kommen einige Nachbarinnen zu der trauernden Witwe, um ihr bei dem Waschen der Leiche zu helfen. Der Sarg, den der Verstorbene bereit« vor Jahresfrist bestellt und auf dem Boden untergebrachl hat, wird in die Stube getragen. Die Frauen waschen den Alten und ziehen ihm sein Totenhemd an; der Dorfbarbier und „Kurschmied" rasiert ihn zum letzten Mal- Dann wird er in
den barg gelegt. Die Nachbarinnen, der Schund und die Witwe setzten sich dann an den Tisch, nm eine Stärkung zu sich zu nehmen. Alle sprechen den Speisen n»d Getränken tapfer zu, die Unterhaltung wird immer lauter und lebhafter. Plötzlich verstummen die Nachbarinnen und erblassen vor Schreck; au« dem Sarge taucht der Kopf de« „Verstorbenen" empor; „Mutter", sagt seine ruhige, treuherzige Stimme, „gib mir doch auch 'n Schnaps I" Unter lautem Geschrei stürzen die Nachbarinnen aus der Stube; die Witwe und der Schmid helfen dagegen dem Widerbelebten aus seinem kalten Sarg und schaffen ihn ins Bett, wo er sich that» sächlich wieder erholt hat.
Ein „Verein derjenigen, die nicht alle werden." Das ist die neueste absonderliche Blüte der Vereinsmeierei in Berlin. Die Gründer haben es offenbar ans schrankenlosen Ulk und alle Schattierungen des höheren Blödsinns abgesehen, wie sich aus folgendem Auszug der gedruckt vorliegenden Statuten ergibt: „§ 1. Zweck des Vereins ist Sonnabend. Wenn 5 Mitglieder versammelt sind, ist auch an den übrigen Tagen Sonnabend. . . . § 3. Um die Mitgliedschaft kann in
schwachen Stunden nur der nachsuchen, der das 25. Lebensjahr erreicht hat und einsjeht, daß er noch nicht vernünftig geworden ist. § 4. Jeder Bewerber muß Nachweisen, daß er wenigstens 3 Dummh ite» in seinem L-tun begangen hat. Verheiratete haben selbstverständlich nur zw.i zu konstatiere». § 5. Ist das Aufnshmegesuch angenommen, so hat der Bewerber sich vor der Examinsts-Kom- mission einer Prüfung zu unterwerfen. §6. Wer durchfälli, ha: bestanden und kann sofort ausgenommen werden. §9. Der Vorstand best'ht aus sämtlichen Mitgliedern. Diese wählen einen Stellvertreter, einen R-isonneur und ein gewöhnliches Mitglied, welches unten sitzt und die Debatte» leitet. § 10. DaS Vermögen des Vereins wird nach Seideln und Schnitten berechnet. § 1l. Darf nicht geändert werden. ... § 17. Kein Mitglied darf einen Anderen für dümmer halten, als sich selber. § 18. Sollte Einer sich selbst für dumm Hallen, so darf von der Gesellschaft kein Widerspruch erhoben werden rc."
(Aufschrift in einer Badeanstalt) Die HerrsLasten werde» höflichst ersucht, beim Verlassen der Badrksbinete Nichts liegen zu lassen als ein — Trinkgeld."
Irrwege.
Novelle von F. v. Pückler.
Nachdruck verboten.
2 .
„Herr von Waldstein, wie wehe habe ich Ihnen an jenem Tage gethan I Sie waren sehr bleich und stumm, als Sie gingen. O, können Sic mir wirklich verzeihen?"
„Wenn ich Ihnen nicht unlängst verziehen hätte, so stände ich nicht hier," sagte der Edelmann ruhig.
„Am nächsten Tage begann das Schwerste für mich, der Kampf mit den Eltern, welcher trotz Ihrer Hilfe mit — meiner Verstoßung endete! Alfred, was habe ich damals geopfert für jenen Mann — der es doch nicht wert war!"
„Er hat Sie schlecht behandelt, Alice? Beim Himmel, er soll mir dafür Rechenschaft geben I"
„Nicht so, mein Freund! Sie verstehen mich falsch! Konstantin that für mich, was er konnte, er liebte mich und ehrte mich, aber dennoch — merkte ich nur zu bald, daß ich.mich in einer großen Täuschung befand, als ich wähnte, mit ihm allein glücklich werden zu können. Seine Neigungen und die meinigen gingen weit auseinander, und wen» er merkte, daß ich niedergeschlagen war, konnte er toben wie ein Verzweifelnder. Dann bat er mich kniefällig um Vergehung, weinte wie ein Kind, doch alles das machte mich nicht glücklich, sondern müde und elend. Das Circusledcn hat bei allem äußeren Glanze so viele Schattenseiten, daß ich Unerfahrene bald schwer darunter zu leisen halte. Dazu kam, daß mein Gatte mancherlei Unglück i» seinen Unternehmungen halte und darüber in seinem Gcmüle erbittcrl wurde. Ich glaube such, daß er zuweilen versucht hat, in der Weinflasche seinen Gram zu stillen. Kurz daS Maß deS Unglücks war voll u. seelische wie körperliche Anstrengungen machten mich totkrank."
Ehrfurchtsvoll, tieferschüttert küßte Herr von Waldstein die kleine, durchsichtig weiße
Hand der Leidenden, er vermochte nicht zu reden.
„Sieben lange Jahre bin ich nun verheiratet," fuhr die Kranke nach einer Pause mühsam fort, „so lange Zeit habe ich das unstäte Künstcrteben mitmachen müssen — und immer mehr wuchs die Sehnsucht nach dem Ende. Gott sei Dank, daß ich enttich so weit bin I"
„Mama, warum weinst Du?" frug Jsa besorgt und bog sich über die Mutter, „Papa kommt ja bald wieder und bringt uns etwas Schönes mit."
„Ja, mein Liebling; geh zu Bett, es ist schon spät."
„Ach, nur noch ein klein wenig will ich »ufbleiden; bitte, bitte, liebes Mütterchen."
„Mein einzigster Trost war Jsa," fuhr die unglückliche Frau seufzend fort; „als sie geboren wurde, schickte ich Mama die Anzeige und erhielt den ersten und einzigen Brief von ihr, voll unendlicher mütterlicher Zärtlichkeit und unverhüllter Trauer; aber kein einziger Tadel fand sich darin!"
„Ich habe ihn gelesen, Alice, und Ihrer Mutier dankend dafür die Hand geküßt; Ihr Vater durfte nichts davon wissen."
„Ein Vierteljahr später schickten Sie mir die Nachricht, daß Mama gestorben sei; o, wie habe ich geweint und getrauert, trotzdem mein Mann zornig wurde und über die hochmütige AdelSgejellschaft" fluchte, welche sich gänzlich von uns gewandt hatte. Es waren trübe, schlimme Stunden."
„Aber Sie sind doch nie selbst im Circus aufgetreten?" frug Waldstein besorgt, denn er wollte wissen, ob .die unglückliche Frau vielleicht dadurch ihre Gesundheit ruiniert hätte.
„Nein, darin blieb ich fest, ungeachtet mein Mann außer sich war," erwiderte Alice. „Ich habe ihm niemals widersprochen als in dem Punkte. Leider zeigt aber Jsa eine große Vorliebe sür Pferde und Reiten."
„Ich habe seit jener Zeit keinen Circus mehr betreten," meinte Waidstein, „überhaupt bin ich ein Einsiedler geworden, der nur selten die Menschen aufsucht und am liebsten
in seinem Hause bleibt. Jsa wird neues Leben in mein alles Schloß bringen."
„Ich habe eS lange getühli," flüsterte Alice, „daß es hier drin in der Brust wühll und sticht und, wenn Konstantin, mein Gatte, mein rosiges Aussehen lobte, da hätte ich ihm zurufen mögen: „Jawohl, aber es sind Todesrosen, sie blühen aus einem Grabe — und bald wird man sie betten tief drunten in kühler Erde."
„Wie kommt es, daß Volkert, der damals, als er Sie heiratete, sür reich galt, so rasch verarmt ist?" frug Waldstein.
„Er konnte den CircnS nicht mehr halten, die Gagen der Mitglieder übersteige» seine Einnahmen; das gesparte Kapital g>ng nach und nach darauf, dann halte er Unglück mit seinen Pferden. Konstantin nahm ein Engagement sür den Wi»ttr hier in N. .
„Und nun geht cs besser, denn Volkert ist ein tüchtiger Schulreiter," bcmeitte Walb- stein.
Ein wehmütiger Blick der jungen Frau glitt über das ärmliche Dachstübchen mit der schrägen Wand; es enthielt nur wenige notwendige Möbelstücke, an der Wand hinge» allerlei bunte, goldbetetzieGkwänder des Kunstreiters und aus dem wackeligen Tische tagen in wirrem Durcheinander Mützen, Schleifen, Kragen und sonstige Wäsch,stücke.
„Nein, lieber Herr vo» Waldsteii,, Sie sehen an di-ser Dachkammer, daß die Not nach wie vor unsere Begleiter gew sen, denn — Konstantin hat seit einiger Zeit begonnen zu spielen."
„Der Unselige", brauste Herr vo» Walk- stei» auf, „hätte er doch nie Ihren Lebensweg gekreuzt!"
„Es war wohl GsiteS Wille", erwiderte die junge Frau ergeben. „Ob ich Sie glücklich gemacht hätte, das wäre auch zweifelhaft gewesen, den» ich war ein oberflächliches, gedankenloses junges Ding damals, und erst die harte Schicksalsschute hat mich erzogen. Nein, nein, mir wollen nicht murren, es sollte einmal so sei». Lassen Sie uns lieber Von Jsas Zukunft rede», lieber Herr von Waldstein." (Forts, folgt.)
iüklaulwertlich« Rciirtteu-: Bernhard Hof mann.) Druck und Verlag von Bernhard Hyfmann w Mltzbad.