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Nummer 234

Fernruf 179.

Wi 1 ödöä, freitug, äen 8. Oktober Ü920.

Fernruf 17S.

54 . ^abrgÄNg

Der Anterdrüctungsplan Frankreichs.

Unter dein TitelFrankreich auf dem Sprung" er­halten dieGrenzboten" aus Paris von einer Seite, die als durchaus vertrauenswürdig bezeichnet wird und der man die Verantwortung überlassen muh, Ausführungen, die sich zum Teil mit dem decken, was als Gerücht bei uns schon seit Wochen in mehr oder minder ver­steckter Form umgeht. Ter Pariser Gewährsmann meint, 'vie französische Politik von heute hege Angst vor dem wiedererwacheuden Deutschland; die heute in Frankreich maßgebenden Kreise seien von der Rachsucht Deutsch­lands felsenfest überzeugt. Der Gedanke einer fried­lichen Verständigung, der dem vergebungsfreudigen und anbiederungsbeflissenen Deutschen ja so naheliege, habe durchaus keinen Platz in der Gedankenwelt des Ro­manen, dem kein Streben selbstverständlicher erscheine, als das, für. erlittene Unbill Rache zu nehmen. Somit sei die ganze französische Politik eigentlich kristallisiert um das Problem der dauernden Niederhaltung Deutschlands. Frankreich habe sich zunächst Ruß-- lands Zu bedienen versucht, indem es die kommenden Männer Rußlands unterstützte und sich zu ewigem Dank verpflichtete. Uber die Absperrung Deutschlands von Rußland sei nur ein Umweg; der gerade Weg sei. Deutsch­land vollends zu vernichten, solange Frankreich noch Zeit dazu habe, d. h. die Einheit des Deutschen Reichs zu zerstören, um sie nie wieder zuzülassen. Die Auflösung des Reichsganzen allein könne dem französi­schen Volk den Alpdruck der deutschen Rache nehmen; nur in einerBalkanisierung" Deutschlands, wobei der Süden mit Dcutschösterreich eine französische Kolonie unter dem Namen Donauföderation und möglichst unter dem Zepter eines Habsburgers werden dürste, erblicke Frankreich die Gewähr für den ungestörten Besitz des Gewonnenen. Je mehr das Verhältnis zu den bisherigen Verbündeten sich abkühle, desto stärker mahnten diese Ge­danken die französische Politik zur Tat, ehe es zu spät geworden sei. Eine Besetzung des ganz-en Deutschen Reichs, wie harmlose Leute in Deutschland meinten, sei nicht notwendig. Wenn Oberschllesien in pol­nischen, das Saargebiet in französischen Händen sei, so genüge ech auch noch das Ruhr gebiet zu be­setzen, um Deutschland in die Willenlosigkeit eines Hypno­tisierten zu versetzen. Wer nicht gehorche, bekomme Koh­lensperre, das bedeute lawinenhaftes Anwachsen der Arbeitslosigkeit, Stocken des Verkehrs der Lebensmittel­belieferung der Städte, Hungersnot, Krawall, Chaos. Um aber diesen letzten Schritt zu tun, sei es not­wendig, einen äußerlich unanfech tbaren Anlaß zu Haben, nicht nur vor dem Auge der Welt im allge­meinen, sondern auch vor dem Bundesbruder England im besondern. Es müsse schon ein . recht gewichtiger Grund geschaffen werden, der Widerreden von vorn­herein abschneide. Diesen Plan entwickelt der Gewährs­mann derGrenzboten" wie folgt:

Der Friedensvertrag von Versailles bietet hierfür ja zahlreiche mit List ersonnene Möglichkeiten. Nun ist aber sehr störend, daß der Reich-Zminister Dr. Simons immer wieder im letzten Moment die fein ange­legten Pläne durchkreuzt. Ta hat man mit viel Auf­wand die obcrschlesische Kohlenförderung durch polnische Aufstände in Unordnung bringen lassen, um DeutschlandVertragsbruch" bei der Kohlenliefe- vung aufzunötigen. Schon wird aber! sestgestellt, daß Lloyd George Störungen in Oberschlesicn als Grund aberkannt habe, der eine Minderlieferung von Kohlen entschuldige. Ueberhanpt macht es in, Frankreich nervös, daß in England Herr Simons nicht ungern gesehen ist. Tie Stellung Englands Deutschland gegenüber geht nach, französischer Auffassung viel-;zu weit 'über das hinaus, was Herr Millerand unter -wohlwollender Mä­ßigung versteht. Diese Entwicklung muß. abgeschnitten werden und zwar baldigst. Wer weiß, wie lange die Möglichkeit zur Verwirklichung der geschilderten Pläne noch besteht. Spätestens im November 1920 soll das Ruhrgebiet besetzt sein, das sei der äußerste Termin, munkeln Eingeweihte' in Paris.

Um aber nicht in letzter Stunde wieder- Plötzlich über einen unerwarteten Knüppel zu stolpern, -muß erstdie Zchlange Simons" weg. T Russen M u r zew ist. der

ehrenvolle Auftrag zuteil geworden,' diesen Ministersturz durchzusühren. Einmal ist es günstig, einen Nichtfran­zosen vorzuschieben, und dann muß natürlich der wirk­samste Strick, der für Herrn Simons gedreht werden kann, der sein, ihn als verkappten Bolschewiken zu entlarven. Dem gilt ja schon seit Wochen und Monaten das heiße Bemühen der französischen Militärmission in Berlin. Leider ohne Erfolg, trotzdem man so tüchtige Kräfte dorthin geschickt hat und den Franken rollen ließ. Aber es muß gelingen, denn dann muß auch England verstummen, wenn man womöglich Nachweisen > könnte, daß Simons Enwer Pascha nach Moskau ge­schmuggelt habe, um die Brandfakel nach Indien zu schleudern. Was der eignen Militärmission bisher nicht gelang, sollte nun Herr Burzew». versuchen. Er kann sich vielleicht leichter anbiedern, kann sich je nach Lage als Bolschewik oder als Monarchist einführen. Mitte September ist .Herr Burzew triumphierend nach Paris zurückgekommen und hat Dokumente mitgebracht, die er durch Bechechung von einer deutschen Behörde erhalten haben soll und die dieverbrecherischen Pläne" Deutsch­lands und Räterußlands entlarven. Auch eine sehr bekannte Berliner bürgerliche Zeitung (Voss. Ztg. ?) sei durch Burzew mit gewichtigen Mitteln zum Sprachrohr ge­wonnen für die nunmehr einsetzende Fehde gegen Si­mons. Hauptsache ist, daß England nicht hinter die Schliche kommt, dann geht es hoffentlich in zwölfter Stunde noch nach; Wunsch. Ter Besetzungsplan für das Ruhrgebiet ist fix und fertig. Alles, bis zum Rat der Ruhrarbeiter in Mainz, der Streikbrecherorganisationen schaffen soll, ist bereit. Ter Marsch kann beginnen, der Frankreich endlich! in die gebührende Stellung der Vor­macht auf dem europäischen Festland führen soll', der die französische Macht über das Ruhrgebiet, Süddeutsch­land, die Tschechv-Slowakei, Polen, Deutschösterreich- Un­garn. Rumänien und das Schwarze, Meer-. in lücken­losem Zusammenhang ausdehnt, die Donau und den Rhein zu französischen Schiffahrtsstraßen, die Kohleu- aud Erzlager, die Oelquellen und Getreidekammern des Festlands zu Kraftquellen Frankreichs macht. Nur auf England blickt man hier in Paris sin mißtrauischer Sorge." :

TieGreuzboten" fügen bei, daß diese Ausführungen gewissen Kreisen nicht passen werden, sie seien aber bereit, mit weiteren Angaben zu dienen, wenn es nötig s.i.

Se bsthilfe der privater: Wirtschaft.

Aus der Brüsseler Finanzkonferenz trug; der .Holländer Ter Meulen vom Amsterdamer Bankhaus Hope n. Co. einen Vorschlag vor, der allseitige Beachtung fand. Es solle, so meinte er- eine Darlehenskasse errichtet werden, bei der die Handelstreibendern und Industriellen se nach dem ihnen-bewilligten Kredit' Anleihen ausneh­men können. Die Kasse sei durch eine; Sonderstener zu bilden, deren Einkünfte ausschließlich in die Kasse flie­ßen würden, die unter die Aufsicht des «Völkerbunds ge­stellt werden solle. .

Die Frage einer internationalen Anleihe ist bei der durchaus ablehnenden Haltung Englands;-und der Ver­einigten Staaten fallen gelassen worden.- Andererseits ist es eine Tatsache, daß im internaticmalen Handel die Vertragstreue aufs schwerste erschüttert- ist. Wie könnte man auch noch Vertrauen zu einem gegebenen Wort haben, nachdem der hinterlistige Wortbrnch bei den be­rüchtigten 14 Punkten Wilsons in der ganzen Welt so unsägliches moralisches Unheil angerichtet.-hat! Ter Meu­ten ist der Meinung, daß es zweckmäßiger sei, der pri­vaten Unternehmung Kredit zu gewähren, als den Staa­ten; die letzteren hätten dagegen die, Bürgschaft für den Kredit ihrer privaten Betriebe, die um den Kredit bei der Darlehenskasse des Völkerbunds nachsröchen, zu über­nehmen, denn dieser Kredit komme; doch ftn letzter Li­nie den hilfsbedürftigen Staaten selbst Wgnte und es sei das einzige Mittel, diesen Staaten, (soweit inter­nationale Untersuchung in Frage - koinmenZkönne, unter die Arme zu greisen.

Ter Meulens Plan gipfelt in ° dem ' Vorschlag, daß der Importeur eines wirtschaftlich und finanziell schwach- stehenden Landes sich den mangelnden j Kredit dadurch verschaffen soll, daß er bet seinem eigenen. Land einen Garantieschein. in..FvtM. einer ^Schnldv.exWreibung.^ein-k

> holt. Dieser Garantieschein bleibt dann in den Händen ! des Kredit gewährenden Landes solange, bis die Warc bezahlt ist. Wenn der Käufer die Ware schuloig bleibt, so ist der Gläubiger in der Lage, die Garantiescucine bei anderen Ländern zu diskontieren, d. h. in Bargeld um- znsetzen, oder aber den Betrag zwangsweise durch Be­schlagnahme aus die Zölle und sonstigen Einkünfte des fchnldnerischen Landes einzutreiben. In das zivile Deutsch übersetzt würde sich danach die Sache in der Praxis folgendermaßen darstellen: Eine deutsche Firma, die zui Beschaffung von Rohmaterialien Kredit, beispielsweise in Amerika, aufnehmen will, würde sich zunächst an die Internationale Kommission zu wenden haben. Sodann hätte sie sich von der deutschen Regierung Schuldscheine oder Garantiescheine zu besorgen, die dem amerikanischen Lieferanten zu übermitteln wären. Nach Zahlung der Ware erhält sowohl die deutsche Firma als mich die deutsche Regierung ihre Gutscheine wieder zurück. Bleibt jedoch der Betrag schuldig, so kann der amerikanische Verkäufer, genau so wie es im Wechselverkehr Sitte ist, diesen Schuldschein weiter geben. Er kann iich aber auch klageführend an die internationale Finanzkontroll- kommission wenden, die dann das Nötige veranlassen würde, um von der deutschen Regierung den Betrag ein­zutreiben.

Dieses System, so verheißend es vielleicht im ersten Augenblick erscheinen mag, enthüll verschiedene verbor­gene'Schlingen. Zunächst ist es eigcnllich nicats anderes als eine private Kreditgewährung unter staatlicher Bürgschaft. Wenn diese Bürgschaft als ausreichend angesehen wird, so liegt eigentlich kein Grund dafür vor, nicht auch dem Staat direkt Kredit zu ge­währen. Es könnte also mit derselben Berechtigung der einfachere von uns fortwährend angestrebte Weg gewühlt werden, dem deutschen Staat Rohmaterialienkredite zu gewähren, die er selbst seiner Industrie weiter dienstbar machen könnte. Glaubt man aber im Ausland, der deutschen Privatindustrie mehr Kredit gewähren zu kön­nen, als dem Reich, so würde sich wiederum die Bürgschaft des Reichs erübrigen. Tie große Gefahr besteht darin, daß wir noch mehr als es bisher der Fall ist, unter finanzielle Kontrolle kommen und der wirtschaftlichen Zwangsaussicht zusteuern. Würden nämlich gleichzeitig eine ganze Anzahl industrieller llnwrnehmungen, sei es infolge eines Konjunkturrückschlag-:. oder ein:; Valuta- einbruchs, nicht in der Lage sein, die gestiimwten Beträge zurückzu zahlen, so ist der ausländische Kreditgeber jede» zeit in der Lage, die Schlinge znzuziehen und die Eim fünfte Deutschlands aus Zöllen, Steuern nsw. mit. Be­schlag zu belegen. Wir würden uns selbst damir ein le­gales System schaffen, uns die Krawatte nach Beliebest zuschnüren zu raffen. Tie Erfahrungen, die eine ganze Reihe industrieller Unternehmungen mit ihren sogenann­ten Valutaanleihen gemacht haben, dürsten hinreichend erweisen, wie gefährlich Auslandsschulden unter Umstand

den werden können. Außerdem dürste der cinzns.l'lagi Weg derartig umständlich sein und dein Deutschen Reich soviele Maßnahmen zur Prüftmg der Kredi fähigkeit des einzelnen Antragstellers auferlegcn, daß wir abermals genötigt wären, neue Aemter, Prüfungs- und Ab­rechnungsstellen zu schaffen; die Sache wird dann eine' große Äehnlichkeit mit dem Vczngsscheinwesen erhalten, nur daß hier Bezugsscheine auf Kredit ausgestellt wer­den sollen; die schlechten Erfahrungen bleiben jedoch die gleichen. Das Reich müßte natürlich auch wieder Si­cherheiten verlangen durch Hinterlegung von Waren oder, Wertpapieren. Schließlich läuft cs dann ans dasselbe hinaus, daß der deutsche Importeur von Rohmaterial sich gegen Sicherheiten von der Reichsbank ansllmdische Tevll.'n besoegt und dafür seine Ware kaust. , 4

Bus e ung des Bamberger Programms. ,

München, 6. Okt. -

Die Landtagsfraklion der Bayerischen Volks­partei veröffentlicht gegenüber den von i?cn übrigen bayerischen Koalitionsparteien (Teutschnationaten und. Demokraten) gegen ^das föderalistische B amberger Programm geltend gemachten parteipolitischen Be­denken eineallein maßgebende Auslegung" die;es Pro­gramms, in der es u. a. heißt: "'

Durch die Forderung des Programms, daß jeder Bun­desstaat das Recht habe, seine Staat-Zorn und Ver­fassung selbst zu bestimmen, wollte selvstverständ.ich nicht